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Eurofighter: Billige APKWS-Raketen für den Kampf gegen Russlands Drohnen

Vorige Woche sind russische Drohnen in den Luftraum von Polen und Rumänien eingedrungen. Die Reaktion war eher zaghaft. Von den 19 bis 23 Drohnen, die im polnischen Luftraum waren, wurden offiziell „bis zu 4“ Stück abgeschossen.

Die Begründung dafür war, dass die 4 Drohnen anhand ihrer Flugroute eine direkte Bedrohung für Polen waren. Dennoch fragt man sich, wieso die NATO nicht gleich gegen alle russischen Drohnen vorgegangen ist, wenn sie sich schon entschlossen hat, das Feuer zu eröffnen. Die inoffizielle Antwort: Krieg ist teuer.

Hohe Kosten für Lenkwaffen

Die Gerbera-Drohnen, die Russland weitgehend geschickt hat, kosten etwa 10.000 US-Dollar pro Stück. Sie werden mehrheitlich zur Aufklärung und als Lockvögel genutzt, um das Feuer der Luftabwehr auf sich zu ziehen, damit die größeren Geran-2-Drohnen eine höhere Chance haben, ihre Ziele zu erreichen. Gerbera kann aber bei Bedarf ebenfalls mit einem Sprengkopf ausgeschaltet werden.

Die Drohnen über Polen wurden mehrheitlich von F-35s der niederländischen Luftwaffe abgeschossen, die im Rahmen der NATO-Luftraumüberwachung in Polen stationiert sind.

Dabei kamen vermutlich die Luft-Luft-Raketen Sidewinder (ca. 400.000 US-Dollar pro Stück) oder AMRAAM (ca. 1,3 Millionen US-Dollar) zum Einsatz. Wären die von Deutschland zur Verfügung gestellten Patriot-Systeme aktiv geworden, hätte der Abschuss mit der Boden-Luft-Rakete PAC-3 mehrere Millionen Euro gekostet.

Billige Raketen für den Eurofighter

Um die Drohnenabwehr künftig billiger zu machen, soll der Eurofighter Typhoon ein neues Waffensystem bekommen: APKWS II - Advanced Precision Kill Weapon System II. Laut BAE Systems, das APKWS baut und britischer Partner im Eurofighter-Konsortium ist, werden bereits Machbarkeitsstudien durchgeführt.

Eurofighter Typhoon

APKWS II ist ein Aufrüstkit für die Hydra 70. Die Hydra 70 ist eine ungelenkte Luft-Boden-Rakete mit 70mm-Durchmesser. Die Hydra 70 wurde für Luftunterstützung im Nahbereich konzipiert und wird deshalb vor allem bei Kampfhubschraubern eingesetzt.

APKWS II macht aus der ungelenkten Hydra 70 eine lasergelenkte Rakete. Dazu wird zwischen dem Gefechtskopf und dem Raketenmotor die WGU-59/B Guidance Unit eingesetzt. Diese enthält Lenkflügel und den Lasersucher.

Das Ziel wird mit einem Laser markiert. Dieser ist für das menschliche Auge nicht sichtbar und meist im Infrarotbereich. Die abgefeuerte APKWS-II-Rakete steuert auf das markierte Ziel zu. Der übliche Gefechtskopf der Hydra ist der M151, der ein Kilogramm Sprengstoff enthält. Der Sprengradius wird mit 10 Metern angegeben, die Splitterwirkung mit bis zu 50 Metern.

Die Reichweite von APKWS II beträgt bis zu 5 km, wenn sie von einem Hubschrauber gestartet wird und 11 km von einem Flugzeug aus. Theoretisch ließe sich die Reichweite erhöhen, weil der Lasersucher bis zu 14 km weit „sehen“ kann. Dazu ist aber ein anderer Raketenmotor nötig. So einer wird gerade vom europäischen Unternehmen Nammo entwickelt, der die Reichweite von APKWS II auf 15 km erhöhen könnte.

Neben der hohen Stückzahl von Raketen, die von Flugzeugen und Hubschraubern transportiert werden können, hat APKWS II noch einen weiteren Vorteil: die Kosten. Die USA haben nämlich noch etliche Hydra-70-Raketen in ihren Arsenalen. Also muss nur das APKWS II neu gekauft werden. Das kostet in der aktuellen Ausführung etwa 15.000 US-Dollar pro Stück. Selbst, wenn die alten Hydra 70 verbraucht sind, wird ein neu gebauter Gefechtskopf und Hydra-70-Motor die Gesamtkosten einer APKWS-II-Rakete nur auf 22.000 US-Dollar ansteigen lassen.

Grafische Darstellung von APKWS II. Oben die reguläre Hydra 70. Die WGU-59/B Guidance Unit wird zwischen Gefechtskopf und Raketenmotor eingefügt

Zum Vergleich: Die Luft-Luft-Rakete AIM-9 Sidewinder wäre derzeit die günstigste Lenkwaffe, mit der eine F-15 Luftziele bekämpfen kann. Diese kostet in der aktuellen Ausführung 400.000 US-Dollar. Allerdings hat sie mit 35 km eine höhere Reichweite und ist agiler, weil sie für Dogfights gegen Kampfjets gemacht wurde.

Buddy-Lasing

Die APKWS II ist in ihrer Funktion als Luft-Luft-Rakete für weniger bewegliche Ziele gedacht, wie eben Kamikaze-Drohnen oder Unterschall-Marschflugkörper, die sich in einer relativ stabilen Flugbahn langsam bewegen. Um die Trefferquote zu erhöhen, nutzen die USA Buddy-Lasing.

Ein Kampfjet fliegt höher und in größerer Entfernung zur Drohne und markiert sie mit dem Infrarot-Laser. Ein zweiter Kampfjet mit APKWS-II-Pod führt den Angriff aus dem bestmöglichen Winkel aus und muss dabei nicht darauf achten, das Ziel selbst bis zum Einschlag der Rakete mit dem Laser zu markieren – weil das eben der Buddy macht.

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Infrarot-Suchkopf

Die US Air Force nutzt mit FALCO eine Variante der APKWS II, die für den Luft-Luft-Einsatz optimiert ist. Diese hat statt einem Aufschlagszünder einen Annäherungszünder. Die Raketen explodieren dadurch kurz vor dem Ziel. Die Wucht der Explosion und die Splitter reichen dennoch, um Kampfjets zu zerstören oder zumindest die Systeme so zu beschädigen, dass die Maschine nicht mehr kampffähig ist.

Eine F-15E feuert FALCO ab

BAE Systems arbeitet zudem an einem neuen Dual-Suchkopf. Damit richtet sich die Rakete nach dem Abfeuern in Richtung des mit dem Laser markierten Ziels aus. Kurz danach schaltet sie zum passiven Infrarot-Modus um und verfolgt das Ziel anhand seiner Wärme-Signatur. Dadurch muss die Drohne nicht bis zum Einschlag mit dem Ziel markiert bleiben - es können mehrere Drohnen in schneller Folge bekämpft werden.

Bis zu 50 Raketen an einer F-15E

Die USA nutzen FALCO etwa auf der F-15E. Auf einem Foto ist zu sehen, dass auf einem Hardpoint unter dem linken Flügel gleich 3 Startröhren (Pods) von APKWS montiert sind.

Jeder Pod enthält 7 Raketen. Aus Symmetriegründen ist davon auszugehen, dass auf dem rechten Flügel dasselbe Setup montiert werden kann. Dadurch hat die F-15E 42 Raketen an Bord.

Das war es aber noch nicht. Die F-15E ist bekannt dafür, eine hohe Waffenlast tragen zu können. Zusätzlich zu den 42 APKWS-Raketen sind laut TWZ noch genügend Hardpoints für 8 klassische Luft-Luft-Raketen frei. Insgesamt könnte die F-15E also mit 50 Raketen bestückt werden, um Drohnen, Unterschall-Marschflugkörper und andere Luftziele zu bekämpfen.

Auch für die neuere Variante F-15EX wäre ein Setup mit 6 APKWS-Pods denkbar. Da sie insgesamt 23 Hardpoints und eine um 28 Prozent größere Waffenlast als die F-15E hat, könnte sie womöglich sogar mit mehr als 50 Raketen bestückt werden.

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Seit Jänner 2025 ist auch die F-16 mit APKWS II im Einsatz. Über dem Roten Meer wurden damit Drohnen der Huthi abgeschossen.

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F-16 mit APKWS II bei der Luftbetankung. Im Pod sind nur noch 4 Raketen statt 7 - 3 wurden anscheinend abgefeuert.

Bordkanone ist billig, aber riskant

Billiger als APKWS II wäre es nur, wenn die F-15 oder F-16 ihre Bordkanone gegen Drohnen einsetzen. Dabei handelt es sich um die M61A1 Vulcan. Die 6-läufige Kanone im Kaliber 20mm hat eine Feuerrate von bis zu 6.000 Schuss pro Minute. Bei 33 US-Dollar pro Patrone wären das 3.300 US-Dollar für eine Sekunde abdrücken.

Der Nachteil: Die F-15 muss nahe zur Drohne oder dem Marschflugkörper fliegen, um das Ziel zu treffen. Dabei besteht das Risiko, dass es durch plötzliche Flugmanöver der Drohne zu einer Kollision in der Luft kommt.

Eine weitere Gefahr besteht, wenn die Drohne langsam fliegt und die F-15 versucht, diese Geschwindigkeit zu halten, um sich für eine höhere Trefferquote genau hinter sie zu setzen. Viele Kamikaze-Drohnen sind nur mit 170 bis 300 km/h unterwegs. Unterschreiten Kampfjets eine gewisse Geschwindigkeit (je nach Modell zwischen 150 und 300 km/h), kommt es zu einem Strömungsabriss (Stall), der zum Absturz führen kann. Da eine F-15E 31 Millionen US-Dollar im letzten Produktionsjahr (1997) gekostet hat und die aktuelle F-15EX gut 90 Millionen US-Dollar kostet, ist das Risiko unverhältnismäßig zur möglichen Kosteneinsparung, wenn eine Drohne mit der Bordkanone statt Lenkwaffen bekämpft wird.

2 F-15EX

Neues Radar für Eurofighter

Mehrere Nationen hätten laut BAE Systems Interesse bekundet, den Eurofighter mit APKWS II auszustatten. Wie viele Pods ein Eurofighter dragen könnte bzw. soll, ist derzeit nicht bekannt. Laut dem Rüstungskonzern müsse man jetzt erst abschätzen, ob die Integration der Raketen, wenn sie auf Wunsch der Eurofighter-Nationen vorgezogen wird, andere Upgrades verzögert.

Dazu gehört das seit über 10 Jahren geplante Aufrüsten des Eurofighters auf ein AESA-Radar. Dieses Radar besteht nicht aus einer Antenne, sondern aus Hunderten kleiner Antennen. AESA hat eine höhere Reichweite, höhere Scangeschwindigkeit, ist weniger anfällig für elektronische Störmaßnahmen und kann besser kleine Ziele erfassen – wie eben Drohnen.

Prototyp-Test eines AESA-Radard für den Eurofighter

Optimal wäre die Kombination aus AESA und APKWS II, um den Eurofighter für den Luftkampf gegen Drohnen zu rüsten. Für die deutschen und spanischen Eurofighter der Tranche 4 haben Anfang des Jahres die Tests des ECRS-MK1-Radars begonnen, mit einer modifizierten Airbus A320. Diese hat die Nase des Eurofighters mit dem Radar vorne aufgesetzt bekommen.

Airbus A320 mit Eurofighter-Nase

Es kommt regelmäßig vor, dass umgebaute Passagiermaschinen für den Test von Kampfjet-Systemen genutzt werden. Es reduziert das Risiko und durch den größeren Stauraum lassen sich Mess- und Analysesysteme unterbringen.

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Die britische Luftwaffe ist schon etwas weiter bei den AESA-Tests. Bereits 2024 gab es Testflüge mit einem Prototyp von ECRS MK2 (die AESA-Variante für die britischen Typhoons) in der Nase eines Eurofighters.

Insgesamt will Deutschland über 150 Eurofighter mit AESA ausstatten, Spanien zumindest 25. Großbritannien will mindestens 40 Typhoons mit AESA bestücken, hat aber bis zu 160 in Aussicht gestellt.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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