6.000 Schuss pro Minute: M1 Abrams bekommt M134 Minigun
Die M134 ist eine der bekanntesten Waffen der Welt, obwohl wahrscheinlich nur wenige ihren richtigen Namen kennen. Denn die sogenannte Minigun kennt man hauptsächlich vom Sehen, etwa aus Predator und Terminator 2 - wobei man schon ein echter T800 sein müsste, um die dort gezeigte Hollywood-Handheld-Version abfeuern zu können.
Durch die für hohe Feuerrate, für die die M134 berühmt ist, hat sie nämlich eine Rückstoßkraft von etwa 80 kg – wenn eine „moderate“ Feuerrate von 3.000 Schuss pro Minute genutzt wird. Die Minigun schafft aber sogar bis zu 6.000 Schuss pro Minute bei Bedarf, also 100 Schuss pro Sekunde.
Im militärischen Gebrauch kommt sie bei etlichen Nationen auf Fahrzeugen und Hubschraubern zum Einsatz. Sogar Österreich hat eine M134, um bei Bedarf den Hubschrauber OH-58 Kiowa zu bewaffnen.
M1 Abrams mit M134
Jetzt wird im Ursprungsland der Minigun, den USA, ein weiteres Fahrzeug mit der M134 ausgestattet, zumindest testweise. Die 1st Armored Division hat die M134 auf dem Kampfpanzer M1 Abrams installiert und damit Schießübungen mit scharfer Munition abgehalten.
M134 Minigun auf M1 Abrams
© US Army
Die Minigun soll demnach „einen taktischen Vorteil im Nahkampf und im komplexen Terrain“ liefern und „die Dominanz auf dem Schlachtfeld von morgen sichern.“ Wenn in Zusammenhang mit Kampfpanzern von Nahkampf und komplexem Terrain die Rede ist, ist damit meistens Stadtgebiet gemeint. Selbst der modernste Kampfpanzer hat schlechte Karten, wenn er in einer Straßenschlucht in einen Hinterhalt gerät und mit Raketenwerfern aus den Fenstern von mehrstöckigen Häusern heraus beschossen wird.
Um darauf schnell zu reagieren, ist die M134 auf einem Ring montiert, der über der Luke für den Ladeschützen angebracht ist. Durch den Ring kann die Minigun um 360 Grad gedreht werden, unabhängig von der Ausrichtung des Turms des M1 Abrams. So lässt sich schnell das Feuer auf eine Seite eröffnen, während der Panzer seinen Turm mit der 120mm-Kanone und dem Koaxial-Maschinengewehr auf die Bedrohung ausrichtet – bzw. bei einem Hinterhalt von 2 Seiten die andere Seite ins Visier nimmt.
M134 auf M1 Abrams
© US Army
Die Ringmontage wurde bisher für das M240 Maschinengewehr genutzt. Das nutzt zwar, genau wie die M134, das Kaliber 7,62 NATO, aber nur mit einer Feuerrate von bis zu 750 Schuss pro Minute.
Die Minigun kann also die 8-fache Menge an Projektilen ins Ziel bringen. Dadurch können etwa auch größere Bereiche durch Schwenks mit Sperrfeuer belegt werden.
Mit Rotpunktvisier und Magazin am Dach
Auf den Fotos der 1st Armored Division ist nicht erkennbar, um welchen M1 Abrams es sich genau handelt. Die neueste Variante ist der M1A2 mit dem Servicepaket SEPv3. Dieser hat, zusätzlich zum M240 bei der Ladeschützenluke, ein Browning M2HB bei der Luke des Kommandanten, das aus dem Inneren des Turms ferngesteuert wird. Das M2HB hat mit dem Kaliber .50 BMG mehr Durchschlagskraft als die M240 und M134, mit bis zu 575 Schuss pro Minute aber eine niedrigere Feuerrate.
M1 Abrams SEPv3
© US Army
Für den Test wurde direkt am Turm des Kampfpanzers das Magazin für die Minigun angebracht. Dieses fasst 3.000 Schuss.
M134 Minigun auf M1 Abrams. Rechts das Magazin für die Minigun
© US Army
Um leichter mit der M134 zu zielen, wurde ein Trijicon MGRS montiert. Das Rotpunktvisier ist speziell für Maschinengewehre vorgesehen und ermöglicht eine schnellere und einfache Zielerfassung, als wenn Kimme & Korn genutzt wird.
Minigun gegen Kamikaze-Drohnen
Auf den Fotos des Tests ist zu sehen, dass die M134 sehr hoch gezielt werden kann. Das ist nicht nur wichtig, um in Straßenschluchten die höheren Stockwerke eines Hauses unter Beschuss zu nehmen, sondern auch zur Drohnenabwehr. Denn die wird man auf dem „Schlachtfeld von morgen“ sehr häufig antreffen.
M134 auf M1 Abrams
© US Army
Beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine setzen beide Seiten erfolgreich günstige und kleine Drohnen ein, die mit Sprengsätzen Kamikaze-Angriffe fliegen oder Sprengladungen abwerfen. Eine Drohne zum Stückpreis von unter Tausend US-Dollar kann so einen mehrere Millionen teuren Kampfpanzer ausschalten.
Durch die hohe Feuerrate der Minigun und den steilen Winkel steigt die Chance, die Drohne aus dem Himmel zu holen. Allerdings ist die offene Luke, durch die der Schütze die M134 bedient, ein enormes Sicherheitsrisiko, gerade bei Drohnenangriffen. Die Explosion oder abgeworfene Sprengladung kann so ins Innere des Turms vordringen, was den M1 Abrams mit hoher Wahrscheinlichkeit kampfunfähig macht.
Selbst bei geschlossener Luke würde wohl das Magazin am Dach des Turms einen Drohnenangriff nicht überstehen. Zumindest sind die Sekundärexplosionen durch die 7,62mm-Munition nicht stark genug, um den Turm ernsthaft zu beschädigen. Man könnte das Magazin zusätzlich panzern, was aber ein höheres Gewicht bedeutet. Verlegt man es in den Turm, nimmt es dort Platz weg, der ohnehin schon knapp ist.
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Kritik an Panzer-Handbuch der USA
Trotz der hohen Feuerkraft ist die M134, zumindest in der getesteten Version, also nicht die optimale Lösung. Generell scheint sich die US Army noch etwas schwer zu tun, auf die Bedrohung durch Drohnen zu reagieren. Kürzlich wurde ein neues Handbuch für Panzergruppen veröffentlicht. Die sieht vor, dass der Soldat eines Panzers aus der Luke heraus nach Drohnen Ausschau hält und den anderen Panzern Handsignale geben soll, wenn er diese entdeckt.
Da aber die Drohnen meisten nicht gemütlich auf ihr Ziel zufliegen, sondern aus dem Hinterhalt schnell zuschlagen, bleiben nur wenige Sekunden zwischen Sichtung und Explosion. Anstatt in Deckung zu gehen, soll der Soldat also mit den Armen herumwacheln: Er gibt quasi damit dem Drohnenpiloten auch noch ein Zeichen, dass hier eine Luke offen ist.
Außerdem sieht das Handbuch vor, dass die Panzer in der Gruppe nach dem Signal nach links und rechts ausschwärmen. In der Ukraine werden gerne Fahrzeugkolonnen mit Drohnen angegriffen, wenn sie gerade durch vermintes Gebiet fahren – weil sie dann eben nicht ausweichen können. Militärexperten werfen deshalb der US Army vor, dass dieses Handbuch nicht der Realität des Schlachtfelds entspricht und man das auch wüsste, wenn man in den vergangenen 3 Jahren zumindest ein paar Mal die Videos auf den sozialen Netzwerken aus dem Ukrainekrieg angeschaut hätte.
Stark kritisiert wird auch die Anleitung, laut der die Panzer mit der 120mm-Kanone die Drohne abschießen sollen. Immerhin wird geschrieben, dass dazu die M1028 Kanisterladung genutzt werden soll. Diese enthält 1.098 Wolframkugeln, wodurch das Hauptgeschütz zu einer riesigen Schrotflinte wird.
Allerdings liegt die effektive Reichweite nur bei etwa 600 Metern. Und wenn die Drohne schon näher als einen Kilometer dran ist, die nicht nur ein kleines, sondern auch wendiges und schnelles Ziel ist, wird es schwer bis unmöglich mit der 120mm-Kanone mitzuschwenken.
Ferngesteuerte Kanonen und Laserwaffen
Neue Kampfpanzer-Konzepte sehen zur Drohnenabwehr ferngesteuerte Waffenstationen mit optischer Bilderfassung vor, die anfliegende Ziele automatisch bekämpfen können. Je nach Rüstungsunternehmen sind die Stationen mit regulären Maschinengewehren oder mit Maschinenkanonen ausgestattet. Letztere sind zwar größer und schwerer, können aber mit Airburst-Munition bestückt werden, die in der Luft explodiert und dabei Fragmente freisetzt. Das erhöht die Chance, die Drohne auszuschalten.
Zudem arbeiten mehrere Rüstungskonzerne an Laserwaffen, die auf Kampfpanzern montiert werden können. Auch diese sollen vollautomatisch anfliegende Kamikaze-Drohnen ins Visier nehmen.
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Warum die M134 „Mini“ ist
Das Konzept der Minigun geht zurück bis in den Wilden Westen. In den 1860er-Jahren hat Richard Gatling die Gatling Gun erfunden. Diese hat mehrere Läufe. Durch das Drehen einer Kurbel wurde die Mechanik in Gang gesetzt, die eine Patrone lädt, feuert und die Hülse auswirft. Je schneller man die Kurbel dreht, desto höher die Feuerrate.
Bereits 1893 hatte Gatling die Idee, die Handkurbel durch einen Elektromotor zu ersetzen. Er hat dafür auch ein Patent enthalten, fand aber keine Abnehmer für die Waffe. Den Durchbruch hatte das Konzept erst mit der M61 Vulcan. Die 6-läufige Maschinenkanone im Kaliber 20mm wurde 1959 in Dienst gestellt. Sie wird heute, in leicht modernisierter Variante, immer noch als Bordkanone von Kampfjets genutzt, wie etwa bei der F-15, F-16 und F-22.
In den 60er-Jahren wurde nach einer neuen Bewaffnung für Hubschrauber gesucht, die auch für Bordschützen von Helikoptern geeignet ist, die Truppen zum Einsatzort bringen. General Electric schrumpfte dazu die M61 ein – weshalb die M134 ihren Namen Minigun bekommen hat, weil sie eine Miniversion der M61 ist.
6 Läufe für eine höhere Schussrate und weniger Hitze
Die M134 hat 6 Läufe, die rotieren. Sie schießt immer nur aus einem Lauf, nicht aus mehreren gleichzeitig. Geschossen wird aus dem Lauf, der in der Rotation die oberste Position (12 Uhr) erreicht. Durch die 6 Läufe sind hohe Feuerraten möglich, ohne, dass die Läufe dadurch zu heiß und permanent beschädigt werden. Bei einer Feuerrate von 3.000 Schuss pro Minute ist jeder Lauf nur mit einer Feuerrate von 500 Schuss pro Minute belastet – das ist weniger als moderne Maschinengewehre, die nur einen Lauf haben.
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Die multiplen Läufe sind zudem der Grund, warum überhaupt so eine hohe Feuerrate möglich ist. Der typische Ablauf Laden-Schießen-Auswerfen findet nämlich bei der M134 nicht hintereinander, sondern gleichzeitig statt. Aus einem Lauf wird geschossen, 2 sind in den verschiedenen Phasen der Extraktion der Patronenhülse und 3 sind in den unterschiedlichen Ladephasen.
In der regulären Variante wiegt die Minigun 39 Kilogramm. Die Feuerrate kann von 2.000 bis 6.000 Schuss eingestellt werden. Je schneller der elektrische Motor die Läufe dreht, desto höher die Feuerrate.
Die Läufe sind 560mm (22 Zoll) lang. Die maximale effektive Reichweite wird durch das Kaliber 7,62 NATO vorgegeben und liegt bei etwa 1.000 Metern.