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Video wirft Fragen auf: Hat China einen Meteor mit einer Rakete abgeschossen?

„Fantastisch! China hat als erste Nation einen Meteor abgefangen!“ ist etwa auf Reddit zu lesen. „Da wurde Weltraumschrott von der chinesischen Armee vernichtet, bevor er auf die Stadt fällt“, heißt es auf X. Auf TikTok vermutet man hingegen, dass ein UFO abgeschossen wurde.

Der Vorfall ereignete sich laut chinesischen Medien bereits am 12. September gegen 21 Uhr – das Video taucht aber erst seit dem 15. September in westlichen sozialen Netzwerken auf. Augenzeugen aus Weifang und Rizhao, beide in der Shandong-Provinz, gaben an, ein helles Objekt am Himmel gesehen zu haben.

Einige berichten von einem zweiten kleineren, leuchtenden Objekt und 2 lauten Knallgeräuschen. Die Augenzeugen beschreiben die Geräusche als „Abfeuern eines Artilleriegeschützes“. Außerdem soll ein Beben spürbar gewesen sein.

Alles nur fake?

Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Video gefälscht ist. Auch die chinesischen Augenzeugenberichte könnten erfunden sein, um die Story zu dem Video auszuschmücken.

Jedenfalls wurde der Feuerball am Himmel nicht in die üblichen Beobachtungs-Datenbanken eingetragen, wie etwa von der International Meteor Organization und American Meteor Society. Das an sich ist aber nicht ungewöhnlich, da nur sehr wenige Beobachtungen aus China auf diesen Plattformen berichtet werden.

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Das chinesische Medium First Scene fragte beim Weifang Emergency Management Bureau nach. Dies antwortete angeblich: „Wir haben derzeit keine Informationen zu diesem Vorfall.“

Meteor abgeschossen?

Da es zumindest noch 2 weitere Videos des Vorfalls aus anderer Perspektive gibt, kann man annehmen, dass der Feuerball tatsächlich am Nachthimmel von Weifang zu sehen war und explodiert ist. Diese Videos zeigen aber nicht eindeutig das zweite helle Objekt, das anscheinend den Feuerball trifft.

Gegen die Theorie, dass das zweite Objekt eine Boden-Luft-Rakete war, mit der der Meteor abgefangen wurde, spricht die Physik. Meteore, die in die Erdatmosphäre eintreten, haben üblicherweise eine Geschwindigkeit von 15 bis 80 Kilometer pro Sekunde. Nach dem Eintritt in die Atmosphäre dauert es, je nach Winkel, 10 Sekunden bis weniger als eine Minute, bis der Meteor auf der Erde einschlägt.

Zudem werden einige Meteore nicht entdeckt, bevor sie in die Atmosphäre der Erde eindringen. Auch der Meteor von Tscheljabinsk, der 2013 einen spektakulären Feuerball am russischen Himmel auslöste, konnte vorher nicht mit Instrumenten erfasst werden, weil er aus Richtung der Sonne kam. Die NASA berechnete im Nachhinein seine Größe auf 15 bis 17 Meter und seine Masse auf 10.000 Tonnen.

Um den Meteor erfolgreich abzufangen, hätte ihn China schon im All aufspüren und seine genaue Flugbahn berechnen müssen. Wenn China als einzige Nation der Welt den Meteor mit Crashkurs auf die Erde entdeckt hätte, wäre es sehr fahrlässig gewesen, nicht die Weltraumorganisationen anderer Länder zu informieren.

Hätte China den Meteor auch erst beim Eindringen in die Atmosphäre entdeckt, wäre die Reaktionszeit extrem kurz gewesen, um ihn abzufangen. Hier hätte ein automatisches Abwehrsystem reagieren müssen, das „scharf“ gestellt war, ähnlich, wie etwa der Iron Dome von Israel.

Selbst dann wäre es sehr schwer gewesen, das Objekt zu treffen. Sogar, wenn der Meteor durch die Atmosphäre extrem abgebremst werden würde und nur noch 5 km/s fliegt, sind das 18.000 km/h. Das entspricht in etwa der 15-fachen Schallgeschwindigkeit (Mach 15). Es ist sehr unwahrscheinlich, dass aktuelle Boden-Luft-Abwehrsysteme so ein schnelles Ziel korrekt erfassen, verfolgen und mit Raketen treffen können.

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Meteor von selbst explodiert

Wahrscheinlicher ist, dass der Meteor von selbst explodiert ist. Das ist nichts Ungewöhnliches. In der Atmosphäre wirken Reibung, hohe Hitze und hoher Druck auf den Meteor, bis er in der Luft zerfetzt. Auch der Meteor von Tscheljabinsk ist in der Luft auseinandergebrochen, was mehrere Knalle und eine Druckwelle ausgelöst hat, durch die die Fenster von 3.700 Gebäuden beschädigt wurden. Beim Tunguska-Ereignis im Jahr 1908 geht man ebenfalls davon aus, dass der Meteor in der Luft explodiert ist. Die Druckwelle entwurzelte Bäume um Umkreis von 30 km.

Tunguska-Ereignis: Entwurzelte Baumstämme

Das zweite helle Objekt, das Richtung Meteor fliegt, könnte mittels Videobearbeitung eingefügt worden sein. Eine andere Möglichkeit ist, dass das andere Licht zufällig vor oder hinter dem Meteor zu sehen war und durch dessen Explosion überstrahlt wurde und deshalb nicht mehr zu sehen war.

Weltraummüll abgeschossen

User, die an Chinas militärische Stärke glauben, haben eine andere Erklärung. Sie vermuten, dass hier Weltraummüll abgeschossen wurde, der sonst die Stadt getroffen hätte. Weltraummüll lässt sich aber relativ gut im Orbit aufspüren und verfolgen. Für den 12. September wurde kein entsprechendes Wiedereintrittsereignis von Weltraumbehörden oder Amateurastronomen gemeldet.

Wenn es Weltraumschrott war, gilt ähnliches wie für einen Meteor: Die Geschwindigkeit ist sehr hoch. Weltraummüll, der vorher im niedrigen Erdorbit (LEO) war, tritt üblicherweise mit 7 bis 8 km/s in die Atmosphäre ein.

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Test von Luftabwehrsystem

Eine weitere Theorie ist, dass China hier bewusst ein Luftabwehrsystem getestet hat. Hinweise darauf sollen Warnungen für Militärübungen mit scharfer Munition im Bereich des Gelben Meeres (von 10. bis 25. September) und dem Golf von Bohai (11. bis 15. September) sein. Weifang liegt genau dazwischen. Es gibt bisher keine Indizien für einen Zusammenhang des Feuerballs und den militärischen Übungen.

Zudem ist fraglich, ob China so eine Übung wirklich über bewohntem Gebiet abhalten würde. Selbst wenn dem so ist, wäre ein „Feuerball“-Ziel ungewöhnlich. Für solche Übungen wird normalerweise auf Raketen ohne Gefechtskopf, Drohnen, Ballons oder ferngesteuerte Flugzeuge geschossen. Und nicht davon wird vorher in Brand gesteckt.

Eine andere Theorie besagt, dass China womöglich eine neue Drohne oder ein neues Flugzeug getestet hat, welches im Flug Feuer gefangen hat. Deshalb wurde es abgeschossen, bevor es auf bewohntem Gebiet abstürzt. Das kann man zumindest nicht gänzlich ausschließen. Üblicherweise würde so ein Notabschuss aber nicht vom Boden aus erfolgen, sondern von Kampfjets, die neue Fluggeräte bei Flugtests für gewöhnlich begleiten.

➤ Mehr lesen: Warum Russland eigene Stealth-Drohne abgeschossen haben könnte

Eine offizielle Erklärung von China zu dem Ereignis gibt es bislang jedenfalls nicht.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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