Metal Gear Solid Delta Snake Eater im Test: War es immer schon so kitschig?
Fragt man einen Spieler, welcher MGS-Teil der Beste ist, kommt meistens die Antwort wie aus einer schallgedämpften Betäubungspfeilpistole geschossen: Snake Eater. Vermutlich dürfte das der Grund gewesen sein, warum Konami gerade MGS3 aus dem Jahr 2004 für ein Remake ausgewählt hat: viele nostalgische Fans = viel Geld verdienen.
Ich habe Metal Gear Solid Delta: Snake Eater (PC, PS5, Xbox Series) getestet und frage mich, ob die 80 Euro nicht besser in etwas investiert wären, was einem nicht die positiven Erinnerungen trübt.
Neues Spiel, selbes MGS
Ein weiterer Grund für die Wahl von MGS3 als Remake könnte sein, weil es chronologisch gesehen der erste Teil ist. Er spielt 1964 und setzt die Handlung der Metal-Gear-Reihe in Bewegung.
Wer bisher noch gar keinen Kontakt mit MGS hatte, hat mit MGS3 (und damit auch mit Delta) trotzdem einen schwierigen Start. Das Spiel ist voll mit Easter Eggs und Anspielungen auf MGS1 und 2, die für Kenner der Games fast schon mit der Brechstange statt mit feiner Klinge serviert werden. Ist man aber unwissend, wird man mit Hideo Kojimas Brachialhumor (der „Vater“ der MGS-Reihe) nichts anfangen können.
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Das zieht sich durchs gesamte Spiel durch. MGS3 war nie subtil. Mit MGS Delta wirkt es aus heutiger Sicht regelrecht kitschig. Auch MGS1 und 2 hatten teilweise diesen Comic-Flair, waren aber eher düster und ernster. Bei MGS3 sind die Zwischenbosse wie aus schlechten Comic-Verfilmungen, die teilweise während den Kämpfen ständig ihren eigenen Namen schreien.
"The Fear! The Fear! THE FEEEAAAR!"
© Konami
Die langen Zwischensequenzen, und davon gibt es viele, liegen zwischen grenzwertig und Cringe – und das ist auch so gewollt. MGS3 mischt die Unbehaglichkeit, die Kojimas Stil und schräger Humor erzeugen kann, mit dem Kitsch und Sexismus, der die James-Bond-Filme groß gemacht hat – inklusive Titelsong und Intro-Video im 007-Stil, plus einen ausufernden Dialog im Spiel über den Leinwand-Agenten.
Eva, hier am Bike, kann man in den Zwischensequenzen per R1-Druck intensiv auf die Brüste starren.
© Konami
Bessere Grafik und bessere Steuerung
Die aufpolierte Grafik von MGS Delta macht das irgendwie schlimmer. Wenn der junge Ocelot wie ein Kätzchen gen Himmel schnurrt, damit seine Spetsnaz-Schergen aus dem Nichts auftauchen, scheint das mit der Unreal Engine 5-Grafik wie ein 21 Jahre alter Fiebertraum. Ein wenig besser wird es, wenn man bei den Farbfiltern „Legacy“ aktiviert. Der Filter ist dem Farbschema von MGS3 nachempfunden. Positiver Nebeneffekt: Er lässt MGS Delta weniger generisch aussehen.
Abgesehen von der aufpolierten Grafik gibt es den „New Style“, der die Steuerung und Kameraperspektive von MGS4 nutzt. Wer will, darf auch mit „Legacy Style“ spielen, das fast schon zu nah am Original ist, um aus heutiger Sicht angenehm zu sein.
Die angepasste Steuerung ist definitiv ein Upgrade zum Original, aber nicht frei von Fehlern. Speziell wenn man sich gegen die Deckung drückt, beim Ausgang einer engen Röhre aufstehen will, über Hindernisse klettern möchte oder in den Nahkampf geht, kommt es immer wieder vor, dass Snake nicht das macht, was er soll. Und weil MGS Delta ein Stealth-Game ist, können solche Kleinigkeiten den Alarm auslösen und den sonst bisher guten Schleichfortschritt zunichtemachen.
Metal Gear Solid Delta: Snake Eater
© Konami
Schleichen wie damals
Am Schleich-Gameplay hat sich nichts geändert, was prinzipiell nicht schlecht ist. Man kann die Level-Abschnitte wie Puzzles sehen, wenn man möglichst unbemerkt durchkommen will. Wo kann ich welchen Gegenstand einsetzen, um die Wache auszuschalten, ohne dass die andere es mitkriegt?
Am einfachsten ist es immer noch, mit der Betäubungspistole alles zu betäuben, was sich bewegt. Mehr Spaß macht es, wenn man mal probiert, mitten im Dschungel ein Erotikmagazin im Pfad der patrouillierenden Soldaten liegenzulassen, während man sich auffällig unauffällig in der berüchtigten Kartonschachtel zwischen 2 Felsen versteckt.
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Und auch 21 Jahre später kann es immer noch spannend sein, das richtige Tarnmuster zu wählen (jetzt auch per Schnelltaste) und im tiefen Gras zu liegen, während die alarmierte Verstärkung (Kartonschachtel im Dschungel war keine so gute Idee), nur wenige Meter an einem vorbeigeht. Auch das Behandeln von Verletzungen und das Essen von Nahrung (Fertignudeln, Rationen, Ratten, Schlangen, usw.) zum Wiederherstellen der Ausdauer ist wieder mit dabei. Beides hat schon damals einige Spieler genervt, für ein Game aus dieser Zeit waren diese Features aber wegweisend – gut, dass Konami sie nicht eingespart oder überproportional entschärft hat.
Metal Gear Solid Delta: Snake Eater
© Konami
Fazit
Wenn man Konami etwas vorwerfen möchte, dann, dass es bei Metal Gear Solid Delta zu wenig Neues gibt. Das Remake ist nicht mutig genug, es gibt kaum Überraschungen. Vielleicht hatte man zu viel Angst, Kojimas Original zu verunglimpfen.
Diese lähmende Furcht hat verhindert, MGS3, abgesehen von der neuen Optik, neues Leben einzuhauchen. Andere Remakes, wie Resident Evil 4 und Dead Space, haben bewiesen, wie grandios man dasselbe Spiel, das man schon x-mal durchgespielt hat, neu erlebbar machen kann.
Bei MGS Delta weiß ich nicht, ob ich nach den 10 bis 12 Stunden Spielzeit noch einen Non-Lethal-Playthrough oder einen höheren Schwierigkeitsgrad angehen will. Denn es ist trotzdem „nur“ MGS3, mit denselben Schwächen und Stärken wie vor 21 Jahren. Und weil es eben so ähnlich ist und nichts Neues gibt, schlägt die Realität die Nostalgie: MGS3 ist in der Erinnerung ein viel bessere Game als es MGS Delta jetzt ist. 80 Euro (PS5 und Xbox Series) sind ein stolzer Preis für diesen Reality-Check.