Ready or Not
Ready or Not für PS5 im Test: Endlich Nachschub für SWAT-Fans
SWAT 3 (1999) und SWAT 4 (2005) waren eine Offenbarung. Zwar gab es in der Zeit auch schon Taktik-First-Person-Shooter, aber keine wie diese. Als SWAT-Team war die Aufgabe, Einsätze mit möglichst wenig Verlust von menschlichem Leben zu bestehen, anstatt den Kill-Count in die Höhe zu treiben. Dazu nutzte man Bean Bags, Flashbangs, Pepperballs und das Anschreien von Verdächtigen per Tastendruck: „GET ON YOUR KNEES NOW!“ – gute Zeiten.
Brauchbare vergleichbare Games gibt es wenige. Ende 2021 kam das Ende der Durststrecke, mit der Alpha-Version von Ready or Not. 2 Jahre später erschien die Vollversion. Und jetzt gibt es endlich die Konsolen-Variante für Xbox Series und PS5. Ich habe die PS5-Version getestet.
Beamte in der Krise
In Ready or Not übernimmt man die Führung über das SWAT-Team der fiktiven Stadt Los Suenos. Das Herzstück ist ein Kampagnenmodus, der ein bisschen Personal-Management beinhaltet. Das SWAT-Team besteht aus einem selbst und 4 weiteren Beamten.
Die Beamte haben, je nach ihrem Typ, eine Bonus-Eigenschaft. Eine erhöht etwa die Wirkung der schusshemmenden Ausrüstung, eine andere die Wahrscheinlichkeit, dass sich Bewaffnete durchs Anbrüllen einschüchtern lassen. Diese Eigenschaften bekommen sie aber erst nach einem bestandenen Einsatz.
Warum das relevant ist: Beamte können sterben – in Ready or Not sogar sehr leicht. Ersetzt man ihn durch einen neuen Mitstreiter, muss dieser wieder einen Einsatz erfolgreich absolvieren, um die Bonus-Eigenschaft freizuschalten.
Selbst, wenn sie nicht im Einsatz fallen, sollte man ein Auge auf die Kameraden haben. Durch Verletzungen können sie für eine Weile nicht einsatzbereit sein, ebenso durch psychologische Krisen. Damit Letzteres nicht passiert, kann man sie schon vorher pausieren lassen oder zur Therapie schicken. Das ist zwar sehr versimpelt, zeigt aber dennoch, dass auch unter dem Helm und hinter der Sturmhaube Menschen stecken – in diesem Fall virtuelle.
Ready or Not
© Void Interactive
Bring Order to Chaos
Grundsätzlich verlaufen die Einsätze alle gleich. Das Hauptziel ist immer „Bring Order to Chaos“ – eine nette Hommage an SWAT 4, wo auch das immer das Primärziel war. Übersetzt heißt das: Alles, was eine Waffe hat, wird entwaffnet.
Die einfachste, aber gleichzeitig schlechteste Methode (falls man am Ende des Einsatzes eine möglichst hohe Wertung bekommen will), ist das Erschießen. Etwas weniger schlimm, aber eigentlich immer noch unerwünscht, ist das kampfunfähig machen durch Anschießen. Besser ist es, wenn man Less-Lethal-Methoden verwendet: Gummigeschoße, Pepper Balls (quasi Pefferspray in Paintball-Kugeln) oder Taser. Aber Vorsicht: Less Lethal ist nicht Non Lethal. Ein Gummigeschoß aus kurzer Distanz auf den Kopf kann auch tödlich sein. Und wenn man vor hat, alles mit Reizstoffen einzusprühen, sollte man besser eine Gasmaske mithaben.
Im Bestfall schreit man per Buttondruck so lange auf den Verdächtigen ein, bis er die Waffe fallen lässt und sich hinkniet, damit man ihn fesseln kann. Am besten geht das, wenn mehrere Beamte ihn überraschen, etwa durch das Aufsprengen der Tür, das Werfen einer Blendgranate und man mit eingeschaltetem Licht oder Laser auf ihn zielt. Lässt man sich beim Anlegen der Fesseln zu lange Zeit, kann er auf blöde Ideen kommen, eine eingesteckte Pistole ziehen und das Feuer eröffnen – besonders, wenn die Beamten ihm den Rücken zudrehen.
Ready or Not
© Void Interactive
Hollywood-Ausmaße statt realistische Einsätze
Klingt eigentlich ganz easy: Tür auf, Flashbang rein, Pepper Balls ins Gesicht des Bewaffneten, anschreien, verhaften, Donuts und Kaffee auf dem Heimweg zur Polizeistation. Nur ist Ready or Not eher sparsam mit typischen SWAT-Szenarien. Und das drückt den ansonsten hochgehalten Grad an Realismus.
Dieses Problem gab es auch schon bei SWAT 4. Um den Spieler zu fordern, wird man in Einsätze gesteckt, die absolut nicht für nur 5 Männer gedacht sind. Verbarrikadiert sich ein Einzeltäter in einer Wohnung mit einem Eingang, schickt man vielleicht nur 5 Leute. Aber nicht, wenn sich über ein Dutzend schwer bewaffnete Täter in einer Schule mit mehreren Stockwerken und Trakten befinden, die auch noch Bomben gelegt haben. Oder wenn man ein mehrstöckiges Apartment-Gebäude sichern muss, mit rundem Hof, indem man sich beim Betreten an die Szene aus The Rock erinnert fühlt, bei der die Special Forces in den Hinterhalt geraten (das waren übrigens auch mehr als 5).
Es ist mir schon klar, dass man die Spieler damit fordern will, dennoch hätte ich mir mehr realistische SWAT-Szenarien gewünscht (kleinere Levels) oder mehr Beamte. Aber so ist es absolut hirnrissig, dass nach gescheiterten Verhandlung 5 Leute reingeschickt werden, um ein Stockwerk in einem Hotel-Komplex zu sichern, in denen ein T-Gang mehrere Zimmertüren auf jeder Seite hat, plus eine große Flügeltür vorne. Man kann einfach nicht alles decken. Selbst, wenn man sich mit übertrieben vielen Wedges ausrüstet, hat man nicht genug Stück davon mit, um alle Türen zu blockieren, damit man verhindert, dass man plötzlich durch einen herausstürmenden Täter überrascht wird. Und selbst wenn man genug mit hätte, ist es nahezu unmöglich, alle Richtungen plus die Tür zu decken, die man blockieren will.
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Einfacher mit menschlichen Mitspielern
Was es leichter macht, ist, wenn man im Multiplayer mit fähigen Mitstreitern spielt. Im Solo-Modus kann man die 4 Beamten nämlich nur in 2 2er-Teams teilen, um ihnen Befehle zu geben. Hat man 5 individuelle Spieler, wird es einfacher, weil zB. 3 in jeweils eine andere Richtung decken können, während einer die Tür sichert, die Spieler Nummer 5 mit einem Wedge blockiert.
Ärgerlich ist im Solo-Modus auch, wenn die Beamten nicht das machen, was sie sollen. Bei vielen Missionen funktioniert es ganz gut, bei einigen dafür sehr schlecht. So muss man etwa ein Tunnelsystem, das sich in 3 Haupttunnel mit jeweils weiteren Wegen und Türen aufspaltet, durchsuchen. Natürlich sind die Tunnel und Höhlen voll mit an die Zähne bewaffneten Tätern. Hier stehen sich die Beamten oft im Weg, befolgen Befehle für das Stürmen eines Raumes nicht oder laufen beim Sammelbefehl auf einmal in die andere Richtung durch einen anderen Tunnel, anstatt im selben Tunnel in dem man sich gerade befindet hinten aufzuschließen. Und was passiert mit einem einzelnen Beamten, der durch einen Tunnelkomplex voller bewaffneter Bösewichte läuft? Er wird erschossen.
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Töten oder Schwierigkeitsgrad senken
Hat man keine menschlichen Mitstreiter zur Verfügung, gibt es 2 Möglichkeiten, um mit den teilweise frustrierenden Levels umzugehen. Option 1: Man verzichtet aus Less Lethal und schießt einfach alles über den Haufen, was eine Waffe hat. Das löst nicht das Problem der zu geringen Manpower, allerdings ist es viel einfacher und schneller, die Verdächtigen mit regulären Schusswaffen zu neutralisieren, wodurch weniger Bedarf für eine umfassende Sicherung der Umgebung ist. So wirklich Spaß macht das aber nicht – wenn man alles über den Haufen ballern will, kann man auch die unzähligen anderen Egoshooter spielen.
Option 2: Man senkt den Schwierigkeitsgrad. Die Konsolen-Varianten von Ready or Not haben einen leichteren Schwierigkeitsgrad bekommen, den man vor jeder Mission anwählen kann. Der verringert die Zahl der Verdächtigen (nicht so weit, dass es realistisch wäre), senkt die Präzision der Gegner und nimmt noch ein paar andere Änderungen vor, die das Game einfacher machen. Damit wird das Spiel aber zu leicht in den meisten Levels. Schön wäre gewesen, wenn man die Parameter des Schwierigkeitsgrads selbst hätte anpassen können, um eine gute Balance zu finden.
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Fehlendes Finetuning in der Konsolen-Version
Finetuning hätte auch der Steuerung der Konsolen-Version gut getan. Das Radialmenü, um den anderen Beamten Befehle zu geben, ist nicht ganz ausgereift. So muss man R1 gedrückt halten, um das Menü zu öffnen. Während man R1 gedrückt lässt, drückt man mit dem Analogstick nach oben, um „Open“ zu wählen. Jetzt drückt man am Analogstick nochmals nach oben und lässt ihn gedrückt, während man R1 loslässt, damit der Befehl „Open and Clear“ gegeben wird. Lässt man R1 oder den Analogstick zu früh los, passiert nichts. Und das passiert zu oft.
Ein weiteres Problem sind die Prompts. Bei Türen sind die zB. zu dicht beieinander. Will man mit dem Optiwand (Wurmkamera) unter einer Tür durchschauen, blickt man dazu auf die Mitte des unteren Türschlitzes und drückt X, um den Optiwand anzuwählen. Eine minimale Bewegung und der Prompt springt um auf „Tür eintreten“. Das ist freilich suboptimal, wenn man unvorbereitet lautstark die Tür aufmacht, obwohl man eigentlich heimlich darunter spechteln wollte. Einen ähnlichen Eiertanz gibt es, wenn man eine Sprengfalle bei einer Tür findet. Hier tänzelt man manchmal eine Weile um die Granate herum, bis der Prompt zum Entschärfen erscheint.
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Fazit
Ready or Not ist ein würdiger Nachfolger für SWAT 4. Bewusst langsam und taktisch vorgehen statt rushen und alles niedermähen wie bei Call of Duty, ist hier die Devise. Leider wird einer der Hauptfehler von SWAT 4 wiederholt. Um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, ist man mit einer unrealistisch hohen Zahl an Tätern konfrontiert, während man selbst nur zu 5 ist. Das beißt sich ein bisschen mit dem Versprechen des Entwicklerteams, dass bei Ready or Not besonders viel Wert auf Realismus gelegt wurde.
Während SWAT-Teams in der Realität meist mit ein bis 3 Tätern konfrontiert sind, arten bei diesem Game viele Levels in Hollywood-Schießerei-Dimensionen aus. Und wenn man Singleplayer spielt, ist es dann besonders frustrierend, wenn sich die anderen Beamten nicht ausreichend strategisch befehligen lassen, um für die Unterzahl und die zu deckenden Winkel zu kompensieren.
Am meisten Spaß macht Ready or Not, wenn man zusammen mit 4 gleichgesinnten Freunden online spielt, die ebenfalls die Verdächtigen festnehmen und nicht einfach über den Haufen ballern wollen. Spielt man mit Fremden, ist die Chance, dass das passiert, gleich 0. In meinem Test rannten die Spieler immer einfach los und haben alles erschossen, was eine Waffe hat.
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