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Pokemon Schwert & Schild im Test: Bin ich zu alt geworden?

Pokemon Schwert & Schild ist das erste „echte“ Pokemon-Game für die Switch. Pokemon Let’s Go war eine Art Hybrid aus Pokemon Go und dem Remake eines traditionellen Pokemon Games. Es ist ein Generationenwechsel und das Ende einer Ära.

Bisher gab es echte Pokemon-Games nur für die tragbaren Konsolen, beginnend beim Game Boy und jetzt endend mit dem Nintendo 3DS. Mit der Switch gibt es den neuesten echten Pokemon-Teil erstmals nur für den Hybrid aus tragbarer und Heimkonsole, die auch deutlich teurer als ein Nintendo 3DS ist.

Game Freak, das Spielestudio hinter Pokemon, musste also abliefern. Und zwar vor Weihnachten, damit sich alte und junge Pokemon-Fans eine Switch wünschen können, um eben diesen Generationensprung mitmachen zu können. Vielleicht war es diese Doppelbelastung, aus Zeit- und Fandruck, die Pokemon Schwert & Schild nicht gut getan hat. Bei meinem Test hat mir etwas gefehlt. Oder bin ich nur einfach zu alt geworden für Pokemon?

Die 400er Kontroverse

Wie üblich sind Pokemon Schwert & Schild zwei separat erhältliche Spiele. Sie unterscheiden sich minimal in der Handlung und den Pokemon, die man in den Spielen fangen kann. Wer alle 400 im Spiel vorhandenen Pokemon einfangen will, muss mit Spielern tauschen, die die andere Edition des Games besitzen.

Und nein, 400 ist kein Vertipper. Dass nicht alle 890 existierenden Pokemon in Schwert & Schild sind, sorgte schon vor Erscheinen des Spiels für Proteste der Fans. Laut Game Freak konnte man nicht alle Pokemon einbauen, ohne Qualitätseinbußen hinnehmen zu müssen. Oder anders gesagt: Sie hatten zu wenig Zeit, weil das Game für das Weihnachtsgeschäft fertig werden musste.

Unter den 400 sind 81 neue Pokemon. Das heißt die Chance, dass das Lieblings-Pokemon von früher auch in Schwert & Schild zu finden ist, ist gering. Das sorgte für viel Unmut bei den Fans, die von einem #dexit sprachen und drohten, das Spiel zu boykottieren. Das „dex“ steht für den „Pokedex“, das In-Game-Lexikon für entdeckte und gefangene Pokemon.

Die Gemüter erhitzten sich noch weiter, als bekannt wurde, dass derzeit gar keine Pokemon aus den früheren Games ins neue transferiert werden können. Der dazu benötigte Dienst Pokemon Home wird voraussichtlich Anfang 2020 erscheinen und womöglich kostenpflichtig sein.

Teetassen-Pokemon

Auch die neuen Pokemon erfüllten nicht die Erwartungen aller – inklusive mir. Ein neues Pokemon ist ein Apfel, ein anderes ein Teetasse oder ein Lore mit Kohle. Und Schildkröte, Schaf, Fuchs und Fisch nochmal als „neues“ Pokemon zu machen, wirkt jetzt auch nicht sonderlich kreativ. Vielleicht ist es doch das Alter: Wenn man schon so viele Pokemon-Games so viele Jahre gespielt hat, hat man zu viel gesehen, um von einem Eichhörnchen oder einer Schlange begeistert zu sein.

Spannender fand ich die neuen Formen bestehender Pokemon. Diese sehen nämlich nicht nur anders aus, sondern haben auch andere Eigenschaften. Die Weiterentwicklung von Mauzi hat etwa den Typ Stahl und Ponita ist jetzt ein Fee-Pokemon – und sieht wie ein Einhorn aus My Little Pony aus.

Wo bleibt das Abenteuer?

Schwert & Schild spielen in der Galar-Region, einem Königreich in der Pokemon-Welt. Statt in Arenen wird jetzt in Stadien um die Orden gekämpft, mit Fans, Liga-Flair und sammelbaren Autogramm-Karten. Diese „Versportlichung“ der Pokemon-Kämpfe ist integraler Bestandteil der Handlung.

Die Handlung selbst ist vorhersehbar, abgesehen vom vermeintlichen Ende – bzw. das was danach kommt. Das es weitergeht, war überraschend gut. Dass man dabei aber irgendwie nur noch Aufgaben wie von einer To-Do-Liste abhakt, weniger.

Auch das Schwert & Schild sehr geführt ist, macht mich nicht ganz glücklich. Einerseits ist es nett, wenn man sich nicht Gedanken darüber machen muss, wo es weitergeht und was man wie erfüllen muss, um einen unerreichbar scheinenden Ort doch zu erreichen. Andererseits fehlt es mir. Wo ist das Abenteuer hin? Wieso kann ich nicht meine kindliche Neugier austoben und auf Erkundungstour gehen?

Die alte Leier

Das Gameplay ist so klassisch, wie es sich viele Pokemon-Fans gewünscht haben. Wie immer zieht man als frischgebackener Pokemon-Trainer los, um die Stadien der Region abzuklappern und die Trainer dort zu besiegen. Das Ziel: Champ werden.

Auf dem Weg dorthin begegnet man herumstehenden Trainern, die es in rundenbasierten Kämpfen zu besiegen und wilden Pokemon, die es einzufangen gilt. Dabei heißt es: Erst schwächen, dann den Pokeball werfen. Besiegt man das Pokemon, kann man es nicht einfangen. Man muss also überlegen, welches Pokemon man am besten zum Schwächen nutzt und aufpassen, nicht zu stark draufzuhauen.

Wie üblich dürfen bis zu sechs Pokemon ins eigene Team, der Rest wird in sogenannten Boxen gespeichert. Auch wieder mit dabei sind Items, die Evolutionen auslösen, TMs und TPs, mit denen die Pokemon neue Attacken erlernen können, Gegenstände, die sie im Kampf halten können und Items, die einmalig eingesetzt werden können, um das Level oder bestimmte Werte der Pokemon zu steigern.

Mit denselben Mechaniken gibt es auch wieder dasselbe Problem. In der normalen Handlung gab es keinen Kampf, der mich tatsächlich gefordert hat. Wer weiß wie Pokemon und das Schere-Stein-Papier-Prinzip funktioniert, wird Schwert & Schild als zu leicht empfinden. Mit hochtrainierten Pokemon reichte bei mir immer der „Pure Gewalt“-Ansatz: Einfach mit der stärksten Attacke drauf, bis der Gegner besiegt ist.

Und die neue Leier

Aber anscheinend bin ich ohnehin nicht die Zielgruppe, sondern zu Pokemon-erfahren (aka: alt). Denn Game Freak hat noch Funktionen eingebaut, die das Spiel zusätzlich leichter machen. So kann man jetzt immer auf die Boxen mit den Pokemon zugreifen. Früher ging dies nur in Pokemon-Centern. Das heißt, wenn ein oder mehrere Pokemon im Team besiegt sind oder die Typen des aktuellen Teams nicht für die Gegner geeignet sind, kann man diese Ruck-Zuck austauschen. Betonung auf „kann“: Wer nicht will, muss das nicht machen.

Zudem gibt es jetzt Raids. Bei sogenannten Pokemon-Nestern kann man gegen starke Pokemon kämpfen. Man darf selbst nur ein Pokemon verwenden, dafür treten aber 4 Spieler zusammen gegen das starke Pokemon an. Theoretisch funktioniert das über das Internet gemeinsam mit anderen Spielern. In mehreren Versuchen an verschiedenen Tagen zu verschiedenen Tageszeiten konnte ich aber nie Mitspieler finden. Dann wird man von 3 KI-Spielern unterstützt. Die Raids sind am Anfang sehr einfach und als Belohnung bekommt man Bonbons, die ausgewählte Pokemon noch stärker machen. Erst wenn man der Champ ist, werden diese Raids deutlich schwerer – und frustrierend, weil man immer noch keine Mitspieler dafür findet.

Ab etwa der Mitte der Handlung kommt noch eine weitere Option hinzu, die das Game einfacher macht, als es ohnehin schon ist: PokeJobs. Hier können Pokemon, bis zu 24 Stunden lang, weggeschickt werden, um „Jobs“ zu erfüllen. Im Endeffekt heißt das: Man kann vor der Arbeit oder Schule die Pokemon wegschicken und wenn man wieder zuhause ist, bekommt man sie mit Level Ups zurück. Wenn man also keine Zeit oder Lust hat, selbst zu kämpfen, um die Pokemon zu stärken, geschieht dies so nebenbei. Im weiteren Spielverlauf gibt es so viele dieser PokeJobs, das man locker über 100 gleichzeitig wegschicken kann. Wer so alt ist wie ich, wird eher das klassische Grinden bevorzugen, um seine Pokemon hochzutrainieren.

Ab in die Naturzone

Die für mich schönste Neuerung ist, dass alle wilden Pokemon sichtbar sind. Sie laufen jetzt im Gras herum oder fliegen und schwimmen durch die Gegend. Wenn man vorbeiläuft oder pfeift, um sie anzulocken, laufen sie auf einen zu. Einige Pokemon verfolgen einen sogar. Es ist lustig zu sehen, wie sich plötzlich 4 Mauzis an die Fersen heften.

Besonders viele dieser wilden Pokemon, sowie die Nester für die Raids, findet man in der Naturzone. Das ist auch die, die am ehesten dieses Abenteuer-Gefühl wieder aufkommen lässt. Es gibt dort nämlich auch große und besonders starke Pokemon. Wenn man als frischer Trainer sein Team gerade auf Level 10 gebracht hat und ein Onix anrempelt, das sich als Level 26 herausstellt, ist das unerwartet.

Diese neue Mechanik kann aber auch frustrierend werden. Denn man kann nicht alle Pokemon von Beginn an einfangen. Man muss erst die anderen Trainer in der Liga besitzen, um sich in Fünfer-Schritten hinzuarbeiten. Das nervt. Gewaltig. Selbst man ein Relaxo auf 1 Energie heruntergeboxt und in Schlaf versetzt hat, kann man es mit einem Hyperball nicht einfangen, weil es Level 36 ist und man erst genügend Trainer besiegt hat, um Level-35-Pokemon einfangen zu können. Außerdem sieht man das Level des Pokemons nicht, bevor man den Kampf beginnt. Man läuft also herum auf der Suche nach Pokemon, findet eines, das man gerne hätte, läuft freudig hin und kann es dann nur kaputtprügeln statt zu fangen.

Nach vielen solchen Momenten hatte ich die Naturzone für mich abgehakt und erst wieder besucht, nachdem die Handlung so gut wie vorbei war und ich alle Pokemon fangen durfte. Zu dem Zeitpunkt war es dann aber eigentlich schon egal, da es kaum noch jemanden gab, gegen den ich die neuen Pokemon antreten hätte lassen können.

Große Häuser, riesige Pokemon

Mit der Switch kommt mehr Rechenleistung und entsprechend besser kann die Grafik im Vergleich zu den Pokemon-Games für den Nintendo 3DS aussehen. Schwert & Schild ist auch nett anzusehen, besonders in den Städten. Manche wirken fast schon wie gezeichnet und mit liebevollen Details versehen. Zudem entsteht ein neues Gefühl von Größe, wenn man durch Häuserschluchten geht oder in die Pokemon-Stadien einläuft.

Und zwischen den Städten ist… nicht viel. Einige Gebiete wirken geradezu so, als sei auf sie vergessen worden oder dem Spielestudio die Zeit ausgegangen, daran zu arbeiten. Auch die Naturzone sieht eher lieblos aus. Mir gehen die vielen kleinen Extras ab. Wo sind die Friedhöfe, Geistervillen, das Game-Freak-Büro, die Wohnung des Besitzers der Pokemon-Boxen, die Kuhmuh-Farm, das Fernsehstudio oder irgendeiner der anderen Nebenschauplätze, in denen man früher Abenteuer erlebt hat?

Stattdessen gibt es riesige Pokemons. In den Stadien kann „Gigadynamax“ genutzt werden. Dabei wächst das Pokemon für drei Runden auf Gigantengröße. Der Gegner kann dasselbe machen. Da aber auch hier immer noch der „pure Gewalt“-Ansatz funktioniert und sich am prinzipiellen Gameplay nichts ändert, ist die Faszination der Riesen-Pokemon schnell dahin. Erst in den Raids am Spielende wird das spannend, weil hier der Schwierigkeitsgrad extrem anzieht.

Fazit

Trotz meines Geraunzes ist Schwert & Schild kein schlechtes Game – sonst hätte ich nicht 30+ Stunden hineininvestiert. Die Frage, die ich mir selbst stelle, ist: warum? Die Story hat mich nicht dazu getrieben. Es war auch sehr einfach das Game wegzulegen, weil es mich nicht gepackt hat. Vielleicht habe ich einfach gehofft, dass der Funke irgendwann noch überspringt und mein junggebliebenes Ich wieder in die Pokemon-Welt hineingezogen wird.

Ist das Spiel gut? Ja. Hat es mich erfüllt? Nein. Vielleicht ist es tatsächlich ein Altersproblem. Schwert & Schild ist für die neue Generation. Die Generation, die Pokemon hauptsächlich vom Smartphone kennt oder noch jung genug ist, um sich nicht daran zu erinnern, was es für eine Sensation war, als es erstmals Tag- und Nachtwechsel in einem Pokemon-Spiel gab. Dieser Generation wünsche ich viel Spaß mit Schwert & Schild.

Wir alten Säcke hoffen derweil auf das nächste Pokemon-Game, erzählen und Veteranen-Geschichten (Glumanda oder Shiggy?) und plauschen über das Wetter (Hagel und Sandsturm in Schwert & Schild nerven).

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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