Plastikmüll: Steuern und lenken!
Seit Juli 2019 ist die EU-Richtlinie zu Einwegplastik in Kraft. Erklärtes Ziel: Man will den riesigen Schaden künftig verhindern, den bestimmter Kunststoffprodukte an Natur, Tier und Mensch anrichten, ganz besonders in der Meeresumwelt. Welche Einweg-Kunststoffprodukte dabei die größten Übeltäter sind, wurde in einer groß angelegten Untersuchung der europäischen Strände ausgemacht. Erreichen will man die festgelegten Ziele mit einer Reihe verschiedener Maßnahmen, die von Marktbeschränkungen (vulgo „Verbote“) über Kennzeichnungspflichten, Recyclingziele und auch etwas, das sich „erweiterte Herstellerverantwortung“ nennt. Einfach übersetzt bedeutet das, dass man Hersteller von Plastik, das zum Wegwerfen produziert wird, auch für die Kosten zur Verantwortung zieht, die ihre Produkte später als Müll verursachen.
Wer zahlt den Dreck?
Den viel zu hohen Preis für zugemüllte Meere, Strände, Böden und Berge zahlen am Ende wir alle. Das Wissen um die Klimakrise, ihre Ursachen und Auswirkungen ist mittlerweile mehrheitlich so weit angekommen, dass man zumindest das Offensichtliche nicht mehr diskutieren muss. Mittlerweile ist allen klar, dass Umweltverschmutzung kein Kavaliersdelikt ist und die gesamte Menschheit teuer zu stehen kommt. Dank den unermüdlichen, jahrzehntelangen mahnenden Stimmen von Umweltschützer*innen ist nicht nur das Problembewusstsein in der Bevölkerung groß, Zero Waste Bewegungen zeigen auch lebbare Alternativen zur Wegwerf-Gesellschaft vor. Der Boom verpackungsfreier Einkaufsmöglichkeiten, der sogar große Handelsketten erreicht, zeugt von der Bereitschaft, das eigene Konsumverhalten der Umwelt zuliebe zu verändern. Auf der individuellen Ebene ist nicht nur das Bewusstsein über unsere Wegwerf-Kultur, sondern auch der Wunsch nach Veränderung groß.
Genug überzeugt
Dass die politischen Verantwortlichen im 21. Jahrhundert kaum mehr große Überzeugungsarbeit bei der Bevölkerung leisten müssen, damit die Menschen die Sinnhaftigkeit umweltfreundlicher Entscheidungen erkennen, ist eine gute Nachricht – sollte man zumindest meinen. Dennoch klammert sich ein Teil der Politik weiterhin lieber an das Motto „Bewusstseinsbildung“ und erklärt den Menschen umfangreich, dass sie als Individuen einen Beitrag für die Umwelt leisten müssen, anstatt die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass wirklich jede*r diesen Beitrag endlich erbringen kann. Dafür muss man nur Strukturen schaffen, die dafür sorgen, dass ökologische Entscheidungen die einfacheren sind.
Lenken statt ablenken
Die aktuelle Diskussion darüber, wie Österreich die EU-Ziele zur Reduktion von Einweg-Plastikflaschen erreichen wird, ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politik auf individueller Ebene ablenkt, statt auf struktureller Ebene zu lenken. Denn nichts anderes ist die Ankündigung, die geplante EU-Plastikabgabe aus dem Budget zu zahlen, statt – wie in der EU-Richtlinie vorgesehen – schon am Anfang der Kette lenkend einzugreifen und die Hersteller in die Verantwortung zu nehmen. Für die solle, so der Finanzminister, die neue Plastikabgabe nicht spürbar sein. Übersetzt bedeutet das, die Steuer soll bloß nicht ihren Zweck erfüllen. Der wäre nämlich: Steuern.
Ran ans Steuer!
142 Millionen Euro jährlich kostet der Plastikmüll Österreich in Zukunft. Das ist der Preis für die schlechte Recyclingquote Österreichs, und die ist ein Ergebnis allzu mutloser Abfallpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Der Wind für eine Kurskorrektur liegt gerade günstig – wenn die Verantwortlichen sich nur endlich trauen, das Steuerrad auch zu übernehmen.
Über die Autorin
Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.