HTC One M9 im Test: Android-König ohne Superlative
Der taiwanische Hersteller HTC durchläuft gerade eine kleine Identitätskrise. Neben dem Kerngeschäft mit Smartphones versucht sich das Unternehmen gerade auch an Virtual-Reality-Brillen, Profi-Fitness-Trackern, Actioncams und (wieder einmal) Tablets. Die Gefahr wächst, dass dem Smartphone-Pionier dabei der Wille zur Innovation bei anderen Produkten verloren geht.
Das erste Warnsignal scheint das HTC One M9 zu sein, das sowohl auf dem Papier als auch optisch kaum Verbesserungen zum Vorgänger bietet. Man wolle wie beim legendären Porsche-Sportwagen 911 jene Dinge, die bereits bisher so gut funktionierten, beibehalten. “Never change a running system” sozusagen. Die futurezone hat getestet, ob dieser konservative Ansatz aufgeht.
So eigenartig der Vergleich zwischen Porsche 911 und HTC One anmuten mag, in gewisser Weise hat der Konzern recht. Das One gilt als eines der schönsten Android-Smartphones und hat mittlerweile einen sehr hohen Wiedererkennungsfaktor. Wie beim iPhone lässt sich der Generationensprung beim M9 nur mehr anhand von kleinen Details erkennen, Form und Designsprache bleiben gleich. Weiterhin kommt ein Aluminium-Unibody mit leicht runder Rückseite zum Einsatz, die sich aufgrund der schmalen Maße angenehm in die Handfläche legen lässt. Wer bereits ein M8 besitzt, dürfte beim Material sofort einen Unterschied spüren.
Lustiges Cover mit Design-Fehlern
Apropos iPhone: Die Kamera des M9 steht auch um knapp einen Millimeter hervor, im Alltag fällt das aber kaum auf. Im Gegensatz zum iPhone 6 (Plus) stört die hervorstehende Kamera durch die mittige Platzierung das Design nicht so stark. Im Gegensatz zur Kamera ist aber vielmehr der knapp neun Millimeter breite Balken unter dem Display diskussionswürdig. Beim One M7 waren hier noch Touch-Tasten zu finden, mittlerweile ist dieser Platz ungenutzt. Das sorgte bei vielen Nutzern für Aufregung, doch HTC betonte bereits beim Vorgänger, dass man den Platz für die Hardware benötige. Der Balken ist sinnlos, aber auch nicht dermaßen aufdringlich wie er von vielen Nutzern empfunden wird. Lästig ist hingegen, dass jene Smartphone-Nutzer, die ein Gerät mit Tasten verwendet haben, beispielsweise Samsungs Modelle, instinktiv auf diesen Bereich tippen werden.
HTC ist (vorerst) nicht auf den Pixel-Hype einiger Mitbewerber aufgesprungen und belässt es beim One M9 bei einem fünf Zoll großen Full-HD-Panel. Wie beim M8 kommt die Super-LCD3-Technologie zum Einsatz, die vor allem bei starkem Sonnenlicht gute Ergebnisse liefern soll. Im Test war der Bildschirminhalt so auch gut ablesbar, ein “Sonnenlicht-Modus” mit hohem Kontrast wäre aber dennoch wünschenswert. Die Qualität des Bildschirmes ist sehr gut, Text und Bilder werden scharf dargestellt und auch der Betrachtungswinkel ist passabel.
Der mit Abstand größte Kritikpunkt am HTC One M8 war die Kamera. Vier Megapixel Auflösung waren für Schnappschüsse ausreichend, im Vergleich mit anderen Flaggschiffen konnte die Ultrapixel-Kamera aber nicht mithalten. Nun hat sich HTC für den richtigen Weg entschieden und einen 1/2,3 Zoll großen Sensor verbaut, der mit 20 statt vier Megapixel auflöst. Auch wenn HTC stets betonte, die Ultrapixel-Technologie würde eine bessere Qualität auf Kosten der Bildgröße bieten, liefert die neue Kamera tatsächlich bessere Bilder ab als das M8. Die Aufnahmen überzeugen vor allem bei Tageslicht mit einem hohen Detailgrad. Die hohe Auflösung erlaubt auch den Einsatz von Digitalzoom, wobei auch die Kamera-App von HTC hervorragende Arbeit leistet und Wackler durch den digitalen Bildstabilisator ausgleicht.
Auch das ansonsten bei Smartphones so deutlich sichtbare Rauschen bei schwachem Licht tritt bei HTCs Kamera deutlich seltener auf. Die Linse mit fixer Brennweite von 27,8 mm und einer f/2.2-Blende sorgt zudem bei Makro-Aufnahmen zudem für ein angenehm weiches Bokeh. Nachtaufnahmen aus nächster Nähe sind dank dem Dual-LED-Blitz ebenfalls gelungen, lediglich bei Landschaftsaufnahmen bei Nacht schwächelte die HTC-Kamera etwas. Die Linse wird übrigens von Saphirglas geschützt und soll so auch in der Hosentasche vor Kratzern sicher sein.
Die Hassliebe zu HTCs hauseigener Oberfläche Sense setzt sich auch in Version 7 fort. Doch HTC hat einige Anpassungen vorgenommen, die sogar Googles neue Android-Generation Lollipop besser machen. So ist beispielsweise ein echter Lautlos-Modus integriert, der sowohl Töne als auch Vibration deaktiviert. Der clevere Feedreader BlinkFeed ist zwar weiterhin ein Bestandteil von Sense, lässt sich aber relativ einfach deaktivieren. Neu hinzugekommen ist ein Widget für die Startseite, in der beliebte Apps anhand vom eigenen Standort angezeigt werden. So werden - je nach eigenem Nutzungsverhalten - beispielsweise Zuhause eher Spotify oder Netflix angezeigt, im Büro eher Google Drive und Gmail. Die Idee ist nett, das Widget erkannte die Position im Test aber nicht immer zuverlässig.
HTC hat mit dem Qualcomm Snapdragon 810 den schnellsten Chip verbaut, der derzeit am Markt erhältlich ist. Insgesamt acht Kerne arbeiten im Big-Little-Verbund zusammen, zudem sind drei Gigabyte RAM sowie die flotte Adreno-430-GPU verbaut. Diese Kombination sorgte für hervorragende Ergebnisse in den Benchmarks, das M9 setzte sich so problemlos an die Spitze. Neben GPU und CPU konnten auch die verbauten 32 Gigabyte Speicher mit guten Geschwindigkeiten überzeugen. Dem Benutzer stehen davon knapp 22 Gigabyte zur Verfügung, der Speicher kann aber problemlos per microSD-Karte um bis zu 128 Gigabyte erweitert werden.
3DMark (Ice Storm Unlimited): 20.831 Punkte
AndroBench (Version 4.0, sequentielles Schreiben): 237,94/121,38 MB/s
AnTuTu (Version 5.6.2): 46.950 Punkte
Quadrant: 27.076 Punkte
Der Snapdragon 810 sorgte im Vorfeld aber auch für negative Schlagzeilen. Qualcomm hatte Probleme mit der Verlustleistung, die zu einer hohen Hitzeentwicklung führten, auch beim M9. Ein kürzlich veröffentlichtes Update sollte laut HTC aber diese Probleme beseitigen. Die starke Hitzeentwicklung des Chips ließ sich aber auch nach dem knapp 300 Megabyte großen Update immer noch deutlich spüren. Mehr als handwarm wurde die Aluminium-Oberfläche des Gehäuses aber nie, sodass sich das M9 auch in diesem Zustand ohne Probleme bedienen ließ.
In der schnelllebigen Welt von Smartphones ist das HTC One M9 eine seltene Ausnahme. Statt wieder mal ein Konzept über den Haufen zu werfen und von vorne zu beginnen, setzt HTC die Reihe konstant und ohne herausragende Revolutionen fort. Wer gute Smartphones schätzt, darf sich über diese Entscheidung freuen. Das M9 ist immer noch das mit Abstand am besten verarbeitete Android-Smartphone und auch das Design kann Apples iPhone 6 locker das Wasser reichen.
Modell:
HTC One M9
Display:
5 Zoll Super LCD3 Bildschirm - 1920 x 1080 Pixel (16:9, 441 ppi, geschützt von Gorilla Glass 4)
Prozessor:
Octacore-SoC (Quadcore 2 GHz A57 und Quadcore 1,5 GHz A53, Qualcomm Snapdragon 810)
RAM:
3 Gigabyte
Speicher:
32 GB intern, microSD-Kartenslot
Betriebssystem:
Android 5.0.2 (Sense 7)
Anschlüsse/Extras:
microUSB, Bluetooth 4.1, WLAN (a/b/g/n/ac), LTE Cat6, IR-Blaster
Akku:
2.840 mAh
Kamera:
20,7 Megapixel (Rückkamera, Dual-LED-Blitz), 4 Megapixel (Frontkamera)
Videos:
Aufnahme in 4K bei 30 fps möglich
Maße:
144,6 x 69,7 x 9,6 mm, 157 Gramm
Preis:
749 Euro (UVP)