Selbstfahrende Autos aus Österreich fahren auf Flughäfen
Der „Reform Metron P48 RC“ unternahm im Oktober seine Jungfernfahrt. Ganz ohne menschliche Hilfe. Denn das Fahrzeug mit kompliziertem Namen braucht keinen Steuermann, es fährt von selbst. Bei seinem Testlauf am Linzer Flughafen sauste der Wagen, den ein interdisziplinäres Team unter der Leitung des Center for Vision, Automation & Control am Austrian Institute of Technology (AIT) im Rahmen des Projekts „Autility“ entwickelte, eigenständig über das Rollfeld. Autility wird unterstützt von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
„Das automatisierte Fahrzeug bringt Luftfracht im Pendelbetrieb von der Be- zur Entladestelle“, erklärt Wolfgang Pointner, Leiter des Projektes von der Forschungsgruppe Assistive & Autonomous Systems am AIT. Gemeinsam mit der Fachhochschule Oberösterreich, dem Flughafen Linz, dem Spezialfahrzeugentwickler Reform sowie der Firma TTTech Auto entwickelte Pointner den „Reform Metron P48 RC“ vor allem für komplexe Arbeitsumgebungen: „Wir wollen mit den Forschungsergebnissen aus dem Projekt zukünftig den Menschen entlasten. Das Fahrzeug soll aber nicht nur risikobehaftete Aufgaben übernehmen“, sagt der Wissenschaftler. „Es kann vor allem dort eingesetzt werden, wo Arbeitsabläufe eintönig sind und es schwierig ist, Personal dafür zu gewinnen.“
Kamera, Sensor und KI
Doch wie orientiert sich das Fahrzeug? Die Expert*innen von „Autility“ setzen auf eine Kombination von Kamera-, Laser- und Radar-basierten Konzepten, um die Umgebung zu erfassen. „Ein sicheres System muss so aufgebaut sein, dass es sowohl redundant als auch robust ist“, hält Pointner fest. Dazu brauche es mehrere Technologien. „Rein auf Kameras zu setzen, wie Tesla es lange Zeit getan hat, ist nicht das Ziel. Die Wahrnehmung mittels Radarsensoren ist zwar nicht direkt vergleichbar mit Kameras, kann aber Schwächen kompensieren.“ Das Risiko von Unfällen soll dadurch reduziert werden.
Zusätzlich zu den klassischen Sensormethoden setzt „Autility“ außerdem auf maschinelles Lernen. Dabei werden Systeme auf Basis von Trainingsdaten in die Lage versetzt, im Betrieb komplexe Entscheidungen zu treffen. „Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz kann das Fahrzeug nicht nur unfallfrei von A nach B navigieren, sondern auch mit seiner Umgebung in Interaktion treten und gezielt auf Objekte reagieren. Es hat also ein gewisses Situationsbewusstsein“, so Pointner. Wie der Reform Metron P48 RC ein Wendemanöver vollführt, seht ihr in diesem Video:
Nicht nur am Flughafen
Der Flughafen soll nicht der einzige Arbeitsplatz des autonomen Fahrzeugs bleiben. „Ziel des Projektes war es, eine multifunktionale Fahrzeugplattform zu automatisieren, um sie in verschiedenen Bereichen einsetzen zu können“, sagt Pointner. „Wir wollen keine Insellösungen schaffen, sondern die entwickelten Methoden auch beispielsweise in der Straßenreinigung oder bei der Verladung von Gütern einsetzen. Daher arbeiten wir eng mit österreichischen Unternehmen zusammen, um Systeme zu entwickeln, die auch entsprechend anwendbar sind.“
Dass der Fortschritt der hiesigen Forschung häufig mit jenem anderer Länder verglichen wird, sieht Pointner kritisch. Denn bei Automatisierungen in der Automobilindustrie, auf denen Länder wie die USA ihren Fokus richten, komme es nicht auf dieselben Systemeigenschaften an wie bei Lösungen für Arbeitsfahrzeuge. Hier sei zum Beispiel Präzision besonders wichtig. Und diesen Markt könne die österreichische Forschung erschließen. Pointner plädiert: „Aus Österreich kommen wirklich interessante Innovationen. Wir haben das nötige Know-how. Wieso sollte die gesamte Wertschöpfung im Hinblick auf Automatisierung also irgendwo anders auf der Welt stattfinden?“
Gesetzgebung hinkt hinterher
Wann autonome Fahrzeuge für Flughafen, Straßenreinigung und Co. in Serie gehen, ist derzeit noch unklar. In einigen Branchen wie im Bergbau kommen bereits selbstfahrende Gefährte zum Einsatz. „Dies geschieht aber häufig unter dem Radar der Öffentlichkeit“, sagt Pointner und hält fest: „Im Laufe der nächsten Jahre wird es mit Sicherheit zu automatisierten Lösungen in der Industrie kommen. Wie schnell hängt ganz davon ab, wie kontrollierbar das jeweilige Einsatzgebiet ist.“
Das autonome Fahrzeug steht in Österreich aber vor einem großen Hindernis: der Gesetzgebung. „Für den Einsatz im öffentlichen Raum fehlt teilweise der rechtliche Rahmen. Aus meiner Sicht ist es allerdings auch ein legitimer Ansatz, zuerst sichere Voraussetzungen zu schaffen, um ein mögliches Restrisiko zu vermeiden.“
Es hätten bereits Gesetzesänderungen stattgefunden, die in die richtige Richtung weisen: „Ein Geräteträger darf auf der Straße mittlerweile ferngesteuert werden und muss nicht von einer Person bemannt sein“, hält Pointner fest und betont: „Wenn man in Österreich sieht, dass automatisierte Lösungen funktionieren, dann wird sich der rechtliche Rahmen letztendlich auch anpassen.“
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Selbst ist das Auto: Wo gibt es bereits autonome Fahrzeuge?
2022 ist es soweit. Das erste selbstfahrende Robotertaxi soll über Deutschlands Straßen rollen. Das verspricht der Autovermieter Sixt. Im Probebetrieb sind zunächst Fahrer*innen an Bord. Für den Notfall. Auf lange Sicht soll das „Auto-Auto“ aber alleine die Straßen (un)sicher machen. Wo gibt es bereits selbstfahrende Fahrzeuge?
Robotertaxi per App
Ein Taxi per App bestellen, das ist seit die großen Fahrtendienste Uber, Lyft und Co. den Markt erobert haben für viele Alltag. In Phoenix, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Arizona, holen Taxis von Googles Tochterunternehmen Waymo seit 2018 ihre Gäste fahrerlos ab. Sogar auf Sicherheitsfahrer*innen verzichtet die Firma. Auch außerhalb der USA befinden sich Robotertaxis im Testbetrieb. Zum Beispiel in Shenzen oder Tel Aviv. Ende diesen Jahres soll nun auch in Moskau ein autonomer Fahrtendienst starten.
Auto-Lieferservice
Nicht nur Personen, sondern auch Essen wird auf US-Straßen mit autonomen Fahrzeugen von A nach B transportiert. Das Start-Up Nuro bietet in Kalifornien seit einigen Jahren einen selbstfahrenden Lieferservice an. In Texas ging das Unternehmen Anfang 2021 sogar eine Kooperation mit der bekannten Restaurantkette Domino’s ein.
Shuttle-Pilotprojekte
In Europa gibt es bereits mehrere Pilotprojekte mit selbstfahrenden Kleinbussen. Zwei französische Unternehmen, Navya und EasyMile, bieten die Gefährte sogar serienmäßig an. Zuletzt ging auch in Österreich ein Testbetrieb von selbstfahrenden Bussen zu Ende. 3 Jahre lang waren autonome E-Shuttles in der Seestadt Aspern unterwegs. Die Bilanz ist durchwachsen. Denn bei Schneefall, Regen oder Nebel mussten die Fahrer*innen immer wieder händisch eingreifen. Das Öffi-Fahrzeug soll daher nicht mehr weiterbetrieben werden.