Die 5 verrücktesten Farben, die die Wissenschaft kreiert hat
Es war Isaac Newton, der Ende des 17. Jahrhunderts erstmals die Spektralfarben dokumentierte, die für das menschliche Auge sichtbar sind. In einem Prisma machte er den Regenbogen von Rot über Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett aus. In Kombination ergeben sie weißes Licht, man spricht von additiver Farbmischung.
Nimmt man dagegen einen Malkasten und vermischt die Grundfarben, erhält man schwarz – oder jedenfalls etwas Ähnliches. Hier handelt es sich um die sogenannte subtraktive Farbmischung. Die jeweiligen Farben ergeben sich aus der chemischen Zusammensetzung sowie dem Licht, das dadurch von einem Objekt reflektiert wird.
Physik und Chemie sind bei der Entwicklung neuer Farben auch heute noch tonangebend und greifen dabei auf beide Prinzipien zurück. Wir zeigen euch die 5 verrücktesten Farben, die erst die Wissenschaft ermöglicht hat:
1. Vantablack
Ein besonders schwarzes Schwarz, das bisher entwickelt wurde, reflektiert weniger als 0,2 Prozent des einfallenden sichtbaren Lichts. Das „Vantablack“ genannte Material wurde vom britischen Unternehmen Surrey Nanosystems entwickelt und 2012 patentiert.
Wie im vollständigen Namen – Vertically Aligned Nanotube Array Black – bereits angedeutet, besteht es aus senkrecht angeordneten Nanoröhren, die Licht fast vollständig schlucken. Es handelt sich dabei nicht um ein Pigment im klassischen Sinne, sondern eine spezifische Struktur von mehr als einer Milliarde Nanoröhrchen auf einem Quadratzentimeter Fläche.
Oberflächen, die mit Vantablack beschichtet werden, wirken beinahe wie ein schwarzes Loch: jegliche Textur und Form verschwinden, aus 3D wird vermeintlich 2D. Die neuesten Versionen des Materials sind extrem hitze- und kältebeständig und überstehen auch Stöße und Vibrationen unbeschadet. Anwendungsgebiete sind bisher vor allem Teleskope, Kameras und andere optische Geräte.
2026 soll Jovian 1, der erste Satellit in Vantablack, starten, wie die BBC kürzlich berichtete. Die ultraschwarze Beschichtung könnte in Zukunft flächendeckend verhindern, dass die Lichtreflexionen von Satelliten, Astronominnen und Astronomen bei ihren Beobachtungen des Nachthimmels stören.
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2. Mauvein
Das fiebersenkende Malariamedikament Chinin war Ende des 19. Jahrhunderts von enormer Bedeutung für das britische Empire. Weil es damals nur aus dem südamerikanischen Chinarindenbaum gewonnen werden konnte, war es jedoch sehr teuer. Der britische Chemiker William Henry Perkin wollte es deshalb 1856 synthetisieren.
Bei seinen Experimenten produzierte er allerdings nicht die gewünschte Arznei, sondern den ersten chemischen Farbstoff: Mauvein. Das strahlende Violett löste die bis dahin gängige Textil-Färbetechniken auf Basis von Schalentieren ab und machte Perkin reich.
Heute ist Mauvein als Farbstoff zwar bedeutungslos geworden, seine Entwicklung gilt als Anstoß der chemischen Farbindustrie und ist daher mitverantwortlich für die große Farbenvielfalt, die uns heute umgibt.
Chinin konnte übrigens erst Jahrzehnte später vollständig synthetisiert werden. Noch heute ist es in Tonic Water, Bitter-Orange oder Bitter-Lemon als bitterer Geschmacksgeber enthalten und bringt die Getränke unter Schwarzlicht zum fluoreszieren.
3. YInMn-Blau
Auch YInMn-Blau wurde zufällig in einem Labor entdeckt: Ein Materialforschungsteam um Mas Subramanian an der Oregon State University in den USA untersuchte 2009 die elektrischen Eigenschaften von Mangan-Oxid, indem sie es auf 1.200 Grad Celsius erhitzten. Heraus kam ein strahlend blaues Pigment.
Sein Name ergibt sich aus den enthaltenen Elementen Yttrium, Indium und Mangan. Bei weiteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass YInMn-Blau nicht nur besonders blau, sondern auch temperatur- und lichtbeständig sowie ungiftig ist.
2012 wurde die Farbe patentiert, die Forschungsgruppe hat seither noch weitere strahlende Pigmente entwickelt. 2016 kündigte der Chiphersteller AMD an, YInMn-Blau in seinen „Radeon Pro WX“-Grafikkarten zu verwenden, weil es Hitze sehr effizient reflektiert. Auch Stifthersteller Crayola hat sich von dem Farbton inspirieren lassen und 2017 eine YInMn-blaue Wachsmalkreide auf den Markt gebracht.
4. Blaue LEDs
Blaue LEDs als „verrückte Farbe“ zu bezeichnen, mag bei ihrer heutigen Allgegenwärtigkeit übertrieben wirken. Tatsächlich galten sie aber lange als beinahe unmöglich zu bauen. Ihre Erfinder, die Japaner Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura, wurden deswegen 2014 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.
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Rote und grüne LEDs kamen schon in den 1960er Jahren auf den Markt. Ohne die blaue LED blieb jedoch weißes Licht – hier ist wieder additive Farbmischung im Spiel – außer Reichweite.
Anfang der 1990er Jahre gelang es den japanischen Forschern dann erstmals, Leuchtdioden herzustellen, die blau strahlten. Basis dafür war ein Galliumnitrid-Kristall, der später mit Aluminium oder Indium verbessert wurde.
Heutige LEDs leuchten günstig und energiesparend in allen Farben des Regenbogens. Sie haben nicht nur die Beleuchtung revolutioniert, sondern auch hochwertige Bildschirme, Pflanzenlampen oder Blu-ray-Player ermöglicht.
5. Olo
Zuletzt eine Farbe, die den allermeisten Menschen auf der Welt wohl für immer verborgen bleiben wird: „Olo“ entsteht nur durch die direkte Stimulation der sogenannten M-Zapfen auf der menschlichen Netzhaut. Es wird als intensives Blau-Grün beschrieben.
Zur Erklärung: S-Zapfen (“short wavelength receptors”) decken den blauen Bereich des sichtbaren Farbspektrums ab, M-Zapfen („medium wavelength receptors“) den blauen bis orangen Bereich. L-Zapfen („long wavelength receptors“) sind für gelbgrüne Töne zuständig und bilden auch Rot ab.
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In der Natur stimuliert das Licht, das auf einen M-Zapfen trifft, wegen seiner Wellenlänge immer auch die benachbarten S- oder L- Zapfen. „Oz“, ein optisches Instrument der University of California und der University of Washington, kann die Zapfen-Zellen im menschlichen Auge jedoch in Echtzeit tracken und deshalb gezielt die M-Zapfen ansprechen. Das erzeugt laut Forscherinnen und Forschern ein neuartiges Farbsignal an das Gehirn.