Wie Satellitendaten im Kampf gegen die Klimakatastrophe helfen
Seit Donnerstag befindet sich mit Sentinel-2C ein neuer europäischer Satellit im Erdorbit. Als Teil des Copernicus-Programms der EU-Kommission liefert er zusammen mit anderen Sentinel-Satelliten enorme Datenmengen. Besonders entscheidend sind die für den Kampf gegen den Klimawandel.
Warum das so ist, zeigt sich zum Beispiel anhand von Gletschern. Mehrere Satelliten mit unterschiedlichen optischen und Radar-Instrumenten vermessen regelmäßig die Eisflächen. „Man will aber nicht nur wissen, wie weit sich der Gletscher zurückzieht, sondern wie viel Volumen er dabei verliert“, erklärt Robert Meisner, Kommunikationskoordinator der Erd- und Umweltbeobachtungsorganisation der ESA, gegenüber der futurezone.
Dafür müsse man wissen, wie dick ein Gletscher über der darunterliegenden Gesteinsfläche ist. „Wenn man das über Jahre sammelt, hat man einen guten Eindruck davon, was mit den Gletschern dort passiert", sagt Meisner.
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Die Ergebnisse dieser und vieler anderer Messungen werden seit 2018 zentral mit dem Copernicus-Klimaservice bereitgestellt. Die Plattform wird von der EU-Kommission gefördert und vereint Klimadaten der Sentinel-Instrumente aber auch andere Satellitendaten mit Modellrechnungen und jahrelanger Forschungsarbeit. Das Ergebnis ist ein riesiger Schatz an vergleichbaren Messungen, mit denen sich ein faktenbasiertes Bild der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Erde zeichnen lässt.
Gletschervolumen und Meeresspiegelanstieg
Damit ließ sich ermitteln, dass die Eiskappen in Grönland zwischen 1972 und 2022 ungefähr 5.476 Gigatonnen Eis verloren haben. Als direkte Folge stieg der Meeresspiegel um 15,2 mm an. Während die Gletscher in den 1980ern jährlich ca. 50 Gt Masse verloren, waren es 2022 198 Gt.
Ein Vorteil des Copernicus-Programms ist es dabei, dass diese Daten für jeden Menschen kostenlos bereitgestellt werden – das heißt, man muss sich nicht auf fertige Auswertungen verlassen, sondern kann sich von diesen Fakten selbst überzeugen.
Der Meeresspiegel wird unter anderem mit einem der neueren Satelliten, Sentinel-6 erhoben. Im Vergleich mit historischen Daten aus den letzten 30 Jahren zeigte sich eine deutliche Beschleunigung des Anstiegs. Zwischen 1993 und 2003 stieg der Meeresspiegel jährlich um 2,1 mm, von 2013 bis 2023 waren es schon 4,3 mm. Insgesamt bedeutet das einen weltweiten Anstieg von 10,3 cm in den vergangenen 30 Jahren.
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„Dabei spielt nicht nur das Schmelzen der Eiskappen eine Rolle, sondern auch die Erwärmung der Ozeane. Das Wasser dehnt sich aus und der Meeresspiegel steigt an“, sagt Meisner. Hinzu komme, dass der Anstieg nicht überall auf der Welt gleich sei, da auch die Schwerkraft eine Rolle spielt. All diese Faktoren können aber mithilfe von Satellitendaten einbezogen werden.
Langfristige Datenspeicherung
Das Copernicus-Programm sammelt und speichert diese Informationen über einen langen Zeitraum. Dadurch wird gesichert, dass auch in Zukunft vergleichbare, hochwertige Daten für Klimamodelle zur Verfügung stehen. „Gletscher und Meeresoberflächen ändern sich nicht von heute auf morgen. Man erwartet Klima, erhält aber Wetter. Deswegen muss man die Daten über lange Zeit sammeln“, beschreibt Meisner die Wichtigkeit einer solchen Datenbank.
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Um aktuelle Messungen einordnen zu können, sind immer Vergleichswerte aus der Vergangenheit wichtig. Nur damit lassen sich auch seriöse Prognosen für die Zukunft liefern, die auch Einfluss auf die Politik haben könnten.
Starker Anstieg der Oberflächentemperatur des Mittelmeers
Ein gutes Beispiel dafür ist die Messung der Oberflächentemperatur an Land und auf dem Wasser. Hier zeichnet sich gerade im Mittelmeer ein besonders drastisches Bild ab. Im Juli 2024 wurde ein Tagesmittelwert von 28,9 Grad gemessen - das bedeutet, ein großer Teil dieser Temperaturen liegt darüber, mancherorts kletterten sie über 30 Grad. In einigen Regionen wurden Anomalien gemessen, bei denen die Temperatur 5 Grad über dem Normalwert lag.
„Das wirkt sich direkt auf Pflanzen und Tiere aus, mit invasiven Arten, die aus dem tropischen Atlantik einwandern. Aber es hat auch Einfluss auf das Wetter. Mit mehr Wärme und Feuchtigkeit in der Atmosphäre ist mehr Niederschlag zu erwarten, der sich auch anders verteilt als wir es kennen“, erklärt Meisner.
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Klima-Projekte aus Europa
Neben den regelmäßigen Klimareports gibt es auch spezifischere Anwendungen. So nutzt Rumänien die Copernicus-Klimadaten, um Plastikmüll in der Küstenregion zu tracken. Ein Projekt in Portugal will damit Hitzeinseln in Städten durch Betonoberflächen ermitteln. Ein weiteres Projekt misst, wie Überflutungen und steigender Meeresspiegel UNESCO-Welterbe-Stätten gefährden.
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Auch Österreich profitiert von den Daten. So zeigen langfristige Beobachtungen den Einfluss des Klimawandels auf die Weinernte. Auch die Gletscherschmelze in den Alpen wird mithilfe von Copernicus-Messungen untersucht. Die Geosphere Austria bietet zudem eine eigene Copernicus-Datenschnittstelle für Österreich.