Tintenfisch-Fenster sperren im Sommer die Hitze aus
Der Arbeitsplatz ist dunkel und es ist heiß. Man braucht mehr Sonnenlicht, nicht aber zusätzliche Wärme von draußen. Per Smartphone lässt sich das Problem lösen: So kann das Licht, nicht aber dessen Wärme, per Klick durch die speziellen Fensterfolien auf den eigenen Arbeitsplatz gesteuert werden – Tischlampe und Klimaanlage bleiben ausgeschaltet.
Solch ein Szenario soll bald real werden, wie ein neues Forschungsprojekt aus Kanada anklingen lässt. Hauptziel dabei ist es, Strom zu sparen.
Dünne Plexiglas-Scheiben
Sonnenlicht enthält sichtbares Licht, welches die Helligkeit in einem Raum beeinflusst, sowie unsichtbares Infrarotlicht. Dieses können wir als Wärme wahrnehmen. Im Sommer will man nur das sichtbare Licht, nicht aber die Wärme hineinlassen. Spezielle Paneele könnten das Infrarotlicht künftig blockieren, sodass der Stromverbrauch von Klimaanlagen reduziert werden kann. Einen neuen Ansatz dafür liefern Forschende der Universität in Toronto.
Unter der Leitung von Benjamin Hatton vom Institut für Materialwissenschaft und -technik wurden mit einer speziellen Flüssigkeit gefüllte Paneele entwickelt, die von Tintenfischen inspiriert sind. Die Meerestiere bewegen ihre Hautpigmente mechanisch, um ihr Aussehen zu verändern.
Nach diesem Prinzip wirken auch die Paneele. Sie bestehen aus 3 dünnen Plexiglas-Platten, in denen jeweils 2 bis 3 Millimeter hohe Kanäle eingekerbt sind. Durch jede Schicht wird eine andere Flüssigkeit gepumpt und bewegt.
„In unserer Arbeit haben wir das Strömen von Flüssigkeiten innerhalb von Kanälen zwischen transparenten Kunststoffschichten genutzt, um die optischen Eigenschaften der Platte zu verändern. Es ist eigentlich eine Art maschinenbaulicher Ansatz für intelligente Materialien“, sagt Hatton der futurezone.
Pigmente zum Aufhellen oder Abdunkeln
Zur Anwendung kommen kostengünstige, ungiftige und gefärbte Flüssigkeiten auf Wasser- oder Alkoholbasis. „Die Art des Farbstoffs oder Pigments sowie die Konzentration werden zum Aufhellen oder Abdunkeln der Paneele verwendet“, sagt der Forscher. Durch die Kombination aller 3 Schichten ändert sich die Lichtdurchlässigkeit.
Laut Hattons Forschungskollegen Raphael Kay sei jede Schicht für eine andere optische Funktion verantwortlich: „Sie können sich für alles einfallende Licht verdunkeln. Sie können sich nur für unsichtbare Infrarot-Wärme verdunkeln, während sie uns im Sichtbaren immer noch transparent erscheinen. Und sie können das Gegenteil von Verdunkeln: Licht in kontrollierbare Richtungen streuen.“
Kay zufolge ließen sich Flüssigkeiten äußerst einfach bewegen und ihre Zusammensetzung abstimmen, um eine Reihe von lichtsteuernden Eigenschaften anzunehmen. Die Kombination dieser Vorteile mache Flüssigkeiten zu einem unübertroffenen Kandidaten für die intelligente optische Steuerung in Gebäuden im Vergleich zu den eher begrenzten Festkörpermaterialien, die heute den Markt dominieren.
Gesamtenergieverbrauch um 43 Prozent reduziert
Mit dem Funktionstrio könne man laut den beiden Wissenschaftern deutlich Energie bei der Regelung der Temperatur und beim Beleuchten von Innenräumen sparen. Simulationen hätten gezeigt, dass der Gesamtenergieverbrauch im Vergleich mit den heute besten auf dem Markt erhältlichen Verdunkelungssystemen um 43 Prozent reduziert werden kann. Beim Strom für die Beleuchtung sind es ungefähr 20 Prozent.
„Mit der etablierten kanadischen Fluidikplattform können Chemiker spezifische Moleküle und Physiker spezifische Partikelsuspensionen (flüssige Stoffgemische mit festen Partikeln) entwerfen, die möglicherweise noch mehr Möglichkeiten für eine effizientere Kontrolle des Sonnenlichts eröffnen, während wir uns um Nullenergiegebäude bemühen“, ergänzt Hatton.
Klebefolie fürs Fenster
Aktuell sind die Platten nur 30 mal 30 Zentimeter groß — an einem größeren Design arbeitet das Forschungsteam gerade. „Wir sind noch nicht ganz in der vollen Maßstabs- und Installationsphase für Häuser, aber wir hoffen, dorthin zu gelangen“, sagt so Hatton. Ihm zufolge könnte es möglich sein, künftig jedes Haus oder größere Eigentumswohnungen sowie Bürotürme damit auszustatten.
Generell wären Gebäude mit einem großen Anteil an Verglasung optimale Kandidaten, da sie von dieser Art dynamischer Eigenschaft für die Energieeffizienz profitieren. „Wir hoffen, diese Technologie nachrüstbar zu machen, ähnlich wie Jalousien an Fenstern angebracht werden“, ergänzt er. Eine Möglichkeit wäre, eine 2 bis 3 Millimeter dicke Folie auf das Fenster zu kleben.
"Gute Alternative zu häufigeren Entwicklungstrends"
Das Konzept der smarten Fenster existiert generell schon länger. Ein Beispiel in Österreich ist etwa das Kunsthaus in Graz. Dieses ist mit smarten Fenstern ausgestattet, die tagsüber dunkler und abends transparenter werden. „Sie enthalten auch kleine Pixel, die beleuchtet werden können und als Display fungieren“, sagt Anna Maria Coclite vom Institut für Festkörperphysik an der TU Graz.
Den Einsatz dieser vielversprechenden Optofluidik aus Kanada sehe die Forscherin aber zum ersten Mal. Ihr zufolge zeige das System eine hervorragende Reaktion auf das Sonnenspektrum und ermögliche je nach Systemaufbau Transparenz, Absorption und Streuung.