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Zerofy im Test: Mit App und Willen zur CO₂-Neutralität

Die Klimaspirale dreht sich momentan unvermindert weiter. Auch 2022 gehörte wieder einmal zu den wärmsten Jahren seit Beginn der Datenerfassung. Die Debatte um Maßnahmen zieht sich dabei schon über Jahre und Jahrzehnte, die momentan stattfindenden Proteste dürfen dabei als Ausdruck des fehlenden Gehörs und der zu zaghaften Maßnahmen angesehen werden.

Rund um die Diskussionen für ein besseres Klima und den Erhalt des Planeten, kommt auch immer wieder die Frage auf, ob man als Einzelne*r überhaupt einen Beitrag leisten kann, werden doch die Industrie und andere Länder immer wieder als Hauptschuldige genannt.

Eine neue App namens Zerofy möchte uns hier unter die Arme greifen. Zerofy versucht uns dabei aber nicht nur einfach Tipps zu geben, sondern unser Leben und den Lebensstil in belastbare Zahlen zu verwandeln, die wir als Gradmesser für Veränderungen nutzen können. Wir haben uns die App genauer angesehen.

Was ist Zerofy

Gegründet vom Schweizer Till Quack und dem Esten Criss Uudam, möchte Zerofy unsere Wahrnehmung für die eigenen CO₂-Emissionen verändern. Der Fokus liegt laut eigenen Aussagen voll und ganz auf Haushalten, die indirekt 70 Prozent und direkt 20 Prozent der Emissionen ausmachen sollen.

Das Gefühl der Machtlosigkeit, alleine keine Veränderung anstoßen zu können, möchte das Start-up verändern. Während wir oft nur mit Tipps und sehr groben Zahlen überhäuft werden, soll die App einen besseren Überblick über Zahlen und Fakten liefern, indem unser Alltag von unbekannten Variablen in aussagekräftige Daten umgewandelt wird.

Zerofy in Bildern

Schneller Einstieg

Wer mit Zerofy loslegen will, muss zuallererst einen Abstecher in den App Store machen. Stand heute ist Zerofy nur für iOS erhältlich. Eine Android-App soll in Zukunft aber auch entwickelt werden, eine Warteliste dafür existiert bereits. Außerdem beschränkt sich die App aufgrund der Fülle an Daten, die zur Berechnung notwendig sind, vorerst auf einige wenige Länder. Dazu zählen neben Österreich, der Schweiz und Deutschland auch Schweden, Dänemark, Estland und das Vereinigte Königreich.

Die kostenlose App mit rund 65 Megabyte ist schnell heruntergeladen und gibt uns zum Start eine kleine Einführung in die Welt von Zerofy. Hier ist die Rede von einem CO₂-neutralen Planeten und einer App, die uns Großteils vollautomatisch unterstützen soll. Ob sich dieses Versprechen halten lässt, soll sich später im Test zeigen.

Um überhaupt loslegen zu können, braucht es zuallererst aber einen Account. Zur Auswahl haben wir hier neben der klassischen Anmeldung per Mail-Adresse auch noch die Anmeldeoptionen per Apple- und Google-Konto. Ist unser Account erstellt, durchlaufen wir die erste Einrichtung. Verteilt über mehrere Fragen, will uns die App kennenlernen. Die erste Frage lautet etwa, welches Ziel wir mit Zerofy erreichen möchten. Wählen können wir hier zwischen „CO₂-Emissionen tracken“, „Produkte für einen CO₂-freien Lebensstil entdecken“ oder etwa „über den Klimawandel“ lernen.

Viel wichtiger sind aber die darauffolgenden Fragen, die uns nach unseren Lebensumständen fragen und so das Tracking der App genauer machen sollen. Ein erster Teil ist hier die Haushaltsgröße, mit Anzahl der Erwachsenen und Kindern. Außerdem müssen wir angeben, ob wir in Haus oder Wohnung und zur Miete oder in Eigentum leben. Auch die Heizung ist mit einer Auswahl von Gasheizung bis Wärmepumpe ein wichtiges Element bei der Erfassung der Daten.

Das Vorhandensein von Solarpanels und die Klimafreundlichkeit unseres Strommixes können wir ebenfalls hinterlegen. Um unsere Fortbewegung ordentlich einordnen zu können, benötigt die App dann auch noch dauerhaften Zugriff auf unsere Standortdaten.

Zwar ist eine Nutzung auch ohne Genehmigung möglich, unseren Impact in Sachen Fortbewegungen kann dann aber nicht getrackt werden. Ein letzter wichtiger Punkt im Onboarding ist dann noch unsere Ernährung. Hier können wir zwischen omnivor, vegetarisch oder vegan wählen. Auch ein Ziel können wir uns zu guter Letzt setzen. Von 2023 bis 2050 können wir ein Limit festlegen, bis wann wir die eigene Klimaneutralität erreicht haben möchten.

Das Dashboard

Haben wir das kompakte Onboarding erledigt, landen wir auch schon im Herz der App, dem Dashboard. Hier bekommen wir einen immer aktuellen Überblick über all jene Emissionen, die in unserem Alltag bzw. Haushalt anfallen. Neben einer Anzeige für die Gesamtemissionen in der jeweiligen Woche, werden diese zusätzlich noch in die Kategorien „Transport“, „Home“, „Food“ und „Goods“ aufgeteilt, um einen noch besseren Einblick zu bieten.

Ebenfalls direkt im Dashboard sehen wir unser wöchentliches Klima-Budget. Bezogen auf meinen Haushalt und meine Angaben gibt die App mir hier einen Wert von 201 kg vor, den ich pro Woche verbrauchen kann. Gleichzeitig schlägt sie uns aber auch gleich vor, wie ich diesen Wert weiter senken kann. Der Umstieg zu einem Elektroauto und ein zumindest vegetarischer Lebensstil werden hier als Veränderungen mit der größten Auswirkung angegeben.

Wenn es dann noch genauer werden soll, müssen wir in den Reiter „Emissions“ wechseln. Dort versammeln sich alle Einzeldaten, die unser Alltag generiert. Auswählen können wir hier eine generelle Einblendung aller Emissionen oder eine Aufteilung über die einzelnen Kategorien. Wählen wir etwa „Home“, zeigt uns die App die errechneten Emissionen aus der genutzten Elektrizität.

Hier ist es auch das erste Mal, dass die Schätzungen der App ordentlich daneben liegen, dazu aber gleich mehr. Ob nun „Home“, „Food“ oder „Goods and Services“, jede einzelne Kategorie beinhaltet detaillierte Aufschlüsselungen. Beim Essen können beispielsweise jede einzelne unserer Mahlzeiten angeben. In Sachen Daten können wir das Gewicht der Portion, die Zeit und zu welcher Kategorie, also etwa vegan oder mit Hühnerfleisch, die Speise gehört, vermerken.

Datengenerierung ausbaufähig

Hier wird auch das erste Mal klar, dass sich das Sammeln von Daten automatisieren lässt, aber eben nur bis zu einem gewissen Punkt. In der Theorie müssen wir jede einzelne Mahlzeit händisch eingeben. Ein Unterfangen, das so wie die Sprachlern-App bei vielen schon nach einigen Tagen oder Wochen Nutzung ins Hintertreffen gerät. Das Tracking unseres Transportmittels lässt sich zwar deutlich besser automatisieren, ist aber auch nicht fehlerfrei.

So erkennt die App durch ständiges Standorttracking, ob wir zu Fuß, mit dem Auto oder der Bahn unterwegs sind, macht dabei aber auch noch Fehler. Eine kurze Ungenauigkeit meines GPS scheint beispielsweise eine Autofahrt in der App generiert zu haben, die gar nie stattgefunden hat. Eine Fahrt mit dem E-Roller wurde unerklärlicherweise gar nicht wahrgenommen. Immerhin: die Autofahrten selbst können mit handfesten Daten generiert werden.

Innerhalb der App lassen sich ein oder mehrere Fahrzeuge auf das Modell genau hinterlegen, um den CO₂-Ausstoß möglichst genau aufzuzeichnen. Dass gerade mein Fahrzeug in einer sonst scheinbar unendlichen Liste fehlt, soll dabei ein blöder Zufall bleiben.

Wo ich aber mit voller Überzeugung sagen kann, dass die Daten falsch sind, ist beim bereits erwähnten Strom-Tracking. Zerofy verfolgt hier nämlich zwei verschiedene Methoden zur Berechnung. Grundsätzlich möchte die App sich auf möglichst wahre Daten stützen und ermöglicht das externe Zuspielen von Messwerten.

Im Falle vom Stromverbrauch setzt man hier auf die Integration von Smart Meter Messungen, die von Zerofy abgerufen und verarbeitet werden. Da momentan aber nur drei Anbieter, einer davon aus Dänemark, der andere aus dem Vereinigten Königreich, unterstützt werden, muss die App auf Schätzungen zurückgreifen.

Der gläserne Klimasünder

Dank eigenem Smart Meter im Haushalt kann ich hier Berechnung und Realität gut vergleichen. Und diese unterscheiden sich gewaltig. Während Zerofy einen Stromverbrauch von rund 11 Kilowattstunden pro Tag schätzt, sind es in der Realität ganze 30 Prozent mehr. Da die App sich hier auf statistische Daten aus dem jeweiligen Land oder der EU verlässt, werden die Abweichung in vielen Haushalten groß sein.

Ein Umstand, der unsere Emissionen-Berechnung doch verwässert, in Zukunft durch die breitere Integration von Stromanbietern bzw. Netzbetreibern aber hoffentlich gemildert wird. Neben der Integration von Smart Metern, ermöglicht uns Zerofy auch das Einbinden von Smart Home Geräten. Die noch relativ kurze Liste enthält beispielsweise Geräte von Shelly und Miele oder Solarpanels mit Huawei-Anbindung.

Deutlich weiter ist man hier beim Tracking von „Goods and Services“, also all jenen Dienstleistungen und Einkäufen, die wir über die Woche erwerben. Um hier unsern Einkauf beim Bäcker oder die Zeit beim Friseur zur tracken, setzt man auf den Zugriff auf unser Bankkonto.

Über den externen Dienstleister Nordigen können wir hier Zugriff auf unseren Kontobewegungen gewähren, um eine genauere Berechnung unserer Emissionen zu ermöglichen. Erste Bank und Sparkassen sind hier genauso kompatibel wie etwa Bank Austria, Raiffeisen, N26 oder auch PayPal. Selbstverständlich ist aber hier die Weitergabe der eigenen Daten zu bedenken. Gewähren wir Zugriff auf unsere Kontobewegungen, geht auch ein beträchtlicher Teil der Privatsphäre verloren. Wir werden mit dieser optionalen Anbindung zum gläsernen Klimasünder.

Freikaufen aus den Klimaschulden

Während Tracking und Bewusstsein für unsere Emissionen eine wichtige Komponente sind, ist die Veränderung unseres Verhaltens noch viel wichtiger. Im Reiter „Actions“ hält Zerofy dafür jede Menge Vorschläge und Ideen für uns bereit. Die bereits erwähnte Umstellung der Ernährung wird hier beispielsweise hervorgehoben. Außerdem ist die Installation von Solarpanels ganz oben auf der Liste.

Ein Vorschlag, der für viele Menschen interessant sein könnte, ist die Reduktion des Rindfleisch-Konsums. Hier schlägt uns die App etwa eine Reduktion auf einmal pro Woche vor, um bis zu 36 kg CO₂ pro Monat zu sparen. Auch in der Liste finden sich die Umstellung auf LED-Lampen oder das Vermeiden von Autofahrten unter fünf Kilometern, die ebenfalls einige Kilogramm CO₂ einsparen sollen. Besonders spannend sind hier aber noch zwei andere Aktionen, mit denen wir unseren Emissionen verringern bzw. ausgleichen sollen.

Zum einen bietet Zerofy „Carbon Removal“, über das wir uns von unseren CO₂-Sünden freikaufen können. Der Zerofy-Partner Charm betreibt dafür eigene Anlagen, die das CO₂ aus der Luft holen sollen. Zwei Kilogramm kosten hier beispielsweise 1,40 Euro, 100 kg lassen sich um 70 Euro entfernen. Wem die Entfernung über die nicht ganz unumstrittenen Anlagen weniger zusagt, hat aber noch eine zweite Alternative. Direkt über die App können wir auch in den Zerofy-Solarpark investieren.

Hier lassen sich bis zu 25 Panels einkaufen, die in einem Pilotprojekt in der Stadt Kändliku in Estland aufgestellt werden. Die Kosten für ein Panel belaufen sich auf 400 Euro, die Lebenszeit wird auf 25 Jahre angegeben. Unsere eingekauften Panels sollen dann aber nicht nur unsere CO₂-Emissionen verringern, gleichzeitig sollen diese auch noch Ertrag abwerfen. Anhand von geschätzten Strompreisen können wir uns so vorrechnen lassen, was theoretisch möglich ist.

Bei einem Strompreis von 10 Cent pro Kilowattstunde würde ein gekauftes Panel beispielsweise 880 Euro generieren. Besonders interessant finde ich hier, dass Zerofy auch gleich den Kaufprozess möglichst einfach gestaltet hat. Sowohl die CO₂-Entfernung als auch die Panels können einfach direkt in der App mit Apple Pay gezahlt werden. Ausgezahlt werden soll laut AGBs immer am Ende des Jahres innerhalb von 30 Tagen.

Fazit

Zerofy ermöglicht uns mit seiner modernen Oberfläche und einem umfangreichen Alltagstracking einen besseren Einblick in unsere täglichen CO₂-Emissionen. Die verschiedene Datenpunkte und die teils automatisierte Aufzeichnung haben mir trotz noch mancher Ungenauigkeit erstmalig aufgezeigt, welche Emissionen ich annäherungsweise verursache.

Während etwa die Integration von österreichischen Smart Metern oder die Abdeckung von Android-Nutzer*innen in der frühen Phase dieses Projekts noch fehlen, sind die Ansätze von Zerofy vielversprechend. Möglichkeiten, wie die kinderleichte Beteiligung an einer Solarfarm, machen Lust auf mehr. Um die App aber wirklich für Veränderung nutzen zu können, wird es auch in Zukunft vor allem eines brauchen: Willen.

Zerofy ist kostenlos für iOS erhältlich.

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Amir Farouk

Early-Adopter. Liebt Apps und das Internet of Things. Schreibt aber auch gerne über andere Themen.

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