Wie sinnvoll sind E-Fuels als Treibstoff für Autos?
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Der Straßenverkehr zählt zu den größten Verursachern von Treibhausgasen weltweit. Um den Kampf gegen den Klimawandel ernsthaft zu unterstützen, haben viele Länder weltweit Deadlines erstellt, ab denen keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden sollen. In Norwegen soll es bereits in zwei Jahren, 2025, soweit sein. In Ländern wie Dänemark, Schweden, Niederlande, Israel oder Slowenien kommt das Verbrennerverbot 2030. In der EU war das Aus für Neuzulassungen fossil betriebener Pkw 2035 geplant, durch eine Blockadehaltung Deutschlands kam es dabei bisher zu keiner Einigung.
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer wehrt sich ebenso gegen das Verbrenner-Aus. Seiner Meinung nach soll der Umstieg auf E-Fuels die notwendigen Reduktionen bei Treibhausgasemissionen ermöglichen. Doch wie realistisch ist das? Sind E-Fuels die Lösung, um Verbrennungsmotoren beibehalten zu können und dennoch das Klima zu schützen?
Entstehung
Die Idee von E-Fuels ist es, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, um es anschließend wieder zu verbrennen. Der Vorgang soll also CO2-neutral ablaufen. Hergestellt werden E-Fuels durch die Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser mittels erneuerbarer Energie. Der Wasserstoff wird dann durch chemische Verfahren, etwa der Fischer-Tropsch-Synthese, mit CO2 kombiniert. Dieses soll aus Abgasen von Fabriken, Industrieprozessen oder Carbon Capture stammen. Das Endresultat ist ein Kohlenwasserstoff wie Benzin und Diesel, sollte aber sauberer verbrennen, also etwa wesentlich weniger Ruß erzeugen.
Vorteil: Weiter wie bisher
Der große Vorteil von E-Fuels in Pkw wäre, dass Autofahrer*innen weiter wie bisher agieren könnten. Sie könnten ihren eigenen Benzin- oder Diesel-Pkw behalten, wie gewohnt an der Tankstelle tanken und damit CO2-neutral unterwegs sein. Sie müssten sich bei einem Neuwagenkauf kein Elektroauto zulegen und ersparen sich Dinge wie die Suche nach freien Ladestellen, längere Aufenthalte an diesen und beschränkte Reichweiten während der Fahrt. Diese Vision hat aber mehrere Haken.
Herstellungskapazität
Beginnen wir bei der Herstellung von E-Fuels. Man benötigt große Mengen erneuerbarer Energie dafür, die nicht für andere Dinge benötigt wird. Der Autohersteller Porsche hat mit Partnern etwa eine Versuchsanlage im südlichen Chile namens Haru Oni errichtet, wo bei konstant starkem Wind mit Windrädern viel Strom erzeugt wird, um E-Fuels herzustellen. Momentan sind es etwa fünf Tankfüllungen pro Tag. In Österreich errichtet AVL mit Partnern eine "Power-to-Liquid"-Anlage zur Herstellung von E-Fuels. 2023 soll der Testbetrieb aufgenommen werden. Die Erzeugungskapazitäten sind also derzeit noch sehr bescheiden. Gegenwärtig fehlt es an den notwendigen Kapazitäten sowohl bei Elektrolyseuren als auch Syntheseanlagen, heißt es in einem Bericht des Umweltbundesamtes.
Transport
Sind E-Fuels einmal erzeugt, müssen sie freilich transportiert werden. Dass auch dieser Prozess klimaneutral gelingt, ist eine große Herausforderung. Um E-Fuels etwa vom südlichen Chile nach Europa zu bringen, wären Schiffe notwendig, die mit Wasserstoff, Methanol oder Ammoniak betrieben werden. Derartige Schiffe sind derzeit erst in Entwicklung. 2023 soll das erste in See stechen. Auch wenn E-Fuels in Österreich hergestellt werden, müssen sie transportiert werden. Womit? Wasserstoff-Lkw vielleicht. Pipelines für E-Fuels gibt es noch nicht.
Wirkungsgrad
Vergleicht man den Energieaufwand für die Herstellung, den Transport und den Verbrauch von E-Fuels, ergibt sich ein Systemwirkungsgrad von bestenfalls 14 Prozent. Leitungsverluste, Verluste bei der Elektrolyse und der Synthese von E-Fuels werden durch die große Ineffizienz von Verbrennungsmotoren ergänzt. In Benzin- oder Dieselmotoren wird wesentlich mehr Wärme als Bewegungsenergie erzeugt. Ladet man durch erneuerbare Energien erzeugten Strom direkt in ein Elektroauto, dessen Elektromotor wesentlich effizienter Bewegungsenergie erzeugt, kommt man auf einen Systemwirkungsgrad von 81 Prozent.
Emissionen
Der Energieaufwand für die Herstellung von E-Fuels alleine ist laut dem Umweltbundesamt so hoch, dass bei derzeitigem österreichischem Strommix sogar doppelt so viele Treibhausgasemissionen erzeugt werden wie für die Herstellung konventioneller fossiler Kraftstoffe. Der Energieaufwand ist zudem 5 Mal größer als für die Herstellung von Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge und 10 Mal höher als bei Strom für batteriebetriebene Elektroautos.
Kontraproduktiv für Ziel 2030
Um die Energiewende fortzuführen, plant Österreich bis 2030 bilanziell 100 Prozent seines Strombedarfs durch erneuerbare Energien zu decken. Die Kapazitäten von Wind-, Sonnen- und Wasserkraft sowie Biomasse sollen um 27 Terawattstunden ausgebaut werden. Der Ausbau läuft derzeit nicht plangemäß, unter anderem durch eine große Lücke zwischen den Zielen von Bund und Ländern. Die erforderliche Strommenge für den geschätzten Bedarf 2030 zu erreichen, ist also eine Herausforderung. Eine wesentlich größere Menge an erzeugtem Strom in die Herstellung von E-Fuels zu stecken, anstatt den Strom effizienter in E-Autos zu laden, würde die Problematik verschärfen.
Anderswo eher gebraucht
Im Verkehrssektor gibt es Bereiche, die abhängiger von flüssigen Treibstoffen sind als der Autoverkehr. Langstreckenflüge sind etwa ohne Gasturbinen noch nicht denkbar. Hier könnte Kerosin langfristig durch E-Fuels ersetzt werden, im Luftfahrtbereich "Sustainable Aviation Fuels" (SAF) genannt. "Der Flugverkehr ist ein relativ kleiner Bereich, aber ihn zu dekarbonisieren, wird ohne synthetische Kraftstoffe nicht gelingen", sagt Johann Auer, Experte für Energiewirtschaft und Energieeffizienz von der TU Wien. Verfügbare Mengen an E-Fuels würden in der Luftfahrt jedenfalls stärker gebraucht als im Straßenverkehr. Durch die energieintensive Herstellung werden sie den Spritpreis deutlich erhöhen, was sich auch auf Ticketpreise auswirken wird.
Unwirtschaftlich
Derzeit belaufen sich die Herstellungskosten für einen Liter synthetischen Kraftstoff laut dem Umweltbundesamt auf ungefähr 4,50 Euro. Bei optimistischen Schätzungen könnte man den Preis bis 2030 auf 2,29 Euro reduzieren. Im Vergleich mit den Alternativen, insbesondere Strom für batterielektrische Fahrzeuge, wäre ein solcher Preis nicht konkurrenzfähig. Hier sieht auch Johann Auer das größte Problem von E-Fuels: "Es gibt schlichtweg kein Geschäftsmodell für einen Massenmarkt." Die Herstellung von E-Fuels zahle sich für Unternehmen nur dann aus, wenn Staaten den Bereich massiv subventionieren. Im Hinblick auf Lock-In-Effekte, die dem Klimaschutz entgegenwirken, ist dies unwahrscheinlich.
Verzögerungstaktik
"E-Fuels haben keine Chance am Markt. Dadurch würde sich die Frage eigentlich erübrigen, ob man ein Technologieverbot ausspricht", sagt Auer. Verbote bestimmter Technologien seien grundsätzlich problematisch. Wenn es eine Gesellschaft schaffe, sich darauf zu verständigen, dass man Klimaschutz und Energieverbrauch ernst nehme, sei ein Verbot auch nicht notwendig. E-Fuels seien eine Technologie, die es weiter zu erforschen gelte und die auch in bestimmten Bereichen notwendig sei. Es bestehe allerdings die Gefahr, durch eine Förderung von E-Fuels auf eine falsche Bahn zu geraten. Auer befürchtet etwa, dass ein Bekenntnis zu E-Fuels dafür ausgenutzt werden könnte, um fossile Treibstoffe länger zu verwenden. "Es verleitet dazu, die Geschichte mit der Dekarbonisierung des Verkehrssektors gemächlich anzugehen - wohl wissend, dass E-Fuels auch in 20 bis 30 Jahren unwirtschaftlich sein werden."
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