Google-Innovationschef: "Empathie ist wichtigste Fähigkeit der Zukunft"
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Frederik Pferdt bringt Google-Mitarbeiter*innen bei, innovativ zu sein. Vergangene Woche war der gebürtige Deutsche bei den Medientagen in Wien zu Gast, wo er über "Innovation und Kreativität in der (Arbeits)Welt von morgen" sprach. Die futurezone hat ihn im Vorfeld der Veranstaltung über das Arbeiten und innovative Prozesse bei Google, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Zukunft der Arbeit befragt.
futurezone: Herr Pferdt, Sie bringen Google-Mitarbeiter*innen bei, innovative Ideen zu entwickeln. Wie funktioniert das?
Frederik Pferdt: Auf absehbare Zeit wird uns die Welt auf eine Art und Weise herausfordern, wie es die meisten Menschen nie erwartet haben. Ich habe mit hunderten Teams gearbeitet und sie trainiert, wie sie Probleme erkennen und kreative, hilfreiche und innovativen Lösungen entwickeln. Herausgefunden habe ich, dass es auf das “Wie” ankommt. Wie gehe ich Probleme an, die uns jeden Tag begegnen? Was ist meine Denkweise und mentale Einstellung? Dimensionen dieser neuen Denkweise sind Neugier, Empathie, expansives Denken und Experimentierfähigkeit plus eine große Portion Optimismus.
Was meine ich damit: Wir alle können nicht die Zukunft vorhersagen, jedoch können wir unsere Mentalität darauf trainieren, besser auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Zum Beispiel so:
- Herausforderungen in Chancen umwandeln: Das Morgen, heute schon neu denken: Wie kann/soll morgen anders sein?
- Optimismus leben: Ich muss nicht von zu Hause aus arbeiten, ich kann
- Empathie, Empathie, Empathie: das ist die #1 Fähigkeit der Zukunft. Übe jeden Tag Empathie
- Experimentiere dich nach vorne: Kleine und große Experimente führen dazu, zu lernen, wie die Zukunft funktioniert
- Rituale: Mach Werte erlebbar und (er)finde einen neuen Rhythmus durch emotionale Erlebnisse, mit sich selbst, der Familie, Freunden und dem eigenen Team
- Jeder ist kreativ! Du, ich, jeder kann seiner Kreativität freien Lauf lassen und den Mut haben, etwas Neues und Besseres zu erfinden
Wir sehen gerade ein unglaubliches Ausmaß an Kreativität aller Menschen auf der Welt, ausgelöst durch die Pandemie.
Wie laufen Innovationsprozesse bei Google ab, gibt es Muster?
Ich sehe Innovation weniger als Prozess, mehr als ein Mindset. Die Mentalität und innere Einstellung, wie man Herausforderungen begegnet, was auf einen zukommt. Und diese Zukunfts-Mentalität wie ich sie nenne, kann man trainieren. Am Anfang steht immer, die richtigen Fragen zu formulieren. Fragen, die einen vielleicht erst einmal ins Nachdenken bringen und eine emotionale Reaktion auslösen. Fragen, wie:
- Was wäre, wenn... wir den erfahrensten Fahrer der Welt “bauen” können? Das ist Waymo – unsere Bemühungen um autonomes Fahren.
- Was wäre, wenn... man aus einem Samen ein Gebäude wachsen lassen könnte?
- Was wäre wenn... Technologie der Umwelt helfen könnte?
Mit diesen Fragen versuchen wir uns eine wünschenswerte Zukunft vorzustellen.
Wir sind in den Ausläufern der Corona-Pandemie. Ist es in der Krise schwieriger oder leichter kreativ zu sein?
Jede Krise birgt bekannterweise gleichzeitig große Chancen. Und wir sehen gerade ein unglaubliches Ausmaß an Kreativität aller Menschen auf der Welt, ausgelöst durch die Pandemie. Man kann sich das einerseits damit erklären, dass Kreativität durch Einschränkungen freigesetzt wird. Kreativität braucht andererseits aber auch Freiheit. In der Pandemie haben wir ein hohes Maß an unterschiedlichen Einschränkungen erlebt. Und dies hat Kreativität freigesetzt. Jeder hat mit seinem Homeoffice experimentiert, Lehrerinnen und Lehrer unterrichteten ohne Vorlaufzeit plötzlich digital und viele haben Essen und andere Dinge online bestellt. Wir haben anders Urlaub gemacht und ganz sicher ganz anders Geburtstag gefeiert. Die Menschheit hat aber vor allem eines gemacht: gelernt.
Sie leiten bei Google ein Projekt, das neue Arbeitsformen auslotet. Wie hat die Corona-Pandemie das Arbeiten bei Google verändert?
Bei Google haben wir kurz nach dem Start der Pandemie das Projekt “Reimagine” gestartet, um die Zukunft der Arbeit für Google neu zu erfinden. Wir sind der Frage nachgegangen, wie die Zukunft der Arbeit aussehen kann. Google zeigt seit Jahren in seinen Büros, was es bedeutet, ein beeindruckendes Arbeitsplatzerlebnis zu gestalten. Heute haben wir wieder die Chance, sich neu vorzustellen, was das bedeutet. Mit dem hybriden Arbeitsplatz beschreiben wir eine Vision des zukünftigen Arbeitens bei Google. Wir haben (noch) nicht alle Antworten. Wir tun also das, was wir am besten können: die Nutzer*innen (also unsere Mitarbeiter*innen) in den Mittelpunkt stellen. Tests und Experimente werden uns letztendlich helfen, das Richtige für Google und die Google-Mitarbeiter*innen zu erfinden.
Was lässt sich aus der Pandemie Positives mitnehmen?
Eine Pandemie ist unsere Chance etwas anders zu machen. Eine Erkenntnis war sicherlich das Umdenken von: "Jede*r will innovativ sein" - hin zu: "jede*r muss innovativ sein". Persönlich hat mich fasziniert, dass Bildung nun neu gedacht werden kann und Lernen überall stattfindet, nicht nur im Schulgebäude und dass Menschen von überall arbeiten können. Was vielleicht im Normalfall in 10 Jahren passiert wäre, ist vielfach in 10 Tagen passiert und dieser Fortschritts-Schub, dieses Katapultieren in die Zukunft, hat vieles anders gemacht - vieles sicherlich besser. Jede*r muss sich jetzt neu vorstellen, wie er/sie lebt, arbeitet, lernt und spielt. Wir alle müssen uns neu vorstellen, wie wir Urlaub oder Wochenenden verbringen etc. Denn wie schon erwähnt hat die Menschheit etwas Neues gewagt, experimentiert und damit: gelernt. Meine Hoffnung besteht nun darin, dass wir den Mut haben, dieses gelernte auch umzusetzen und notwendige Veränderungen vorantreiben, beispielsweise in der Bildung und im Klimaschutz.
Google ist dafür bekannt, seinen Mitarbeiter*innen am Google Campus viele Annehmlichkeiten zu bieten. Wie wichtig ist physische Präsenz und der Austausch vor Ort?
Wir glauben weiterhin an den Wert des Büros. Menschen in unseren Büros zusammenzubringen, um zusammenzuarbeiten und eine Gemeinschaft aufzubauen, wird ein zentraler Grundsatz und grundlegender Bestandteil unserer Kultur bleiben. Und wir erkennen auch die Notwendigkeit von größerer und intelligenterer Flexibilität.
Jede*r Mitarbeiter*in braucht ein Gefühl der Zugehörigkeit. Austauschen können wir uns heute besser durch digitale Technologien. Jedoch müssen wir uns heute viel wichtigere, größere Fragen stellen: Wie können wir in einer hybriden, flexiblen und digitalen Arbeitswelt inklusiv und fair sein? Wie können wir Empathie besser leben mit unseren Mitarbeitenden? Wie schaffen wir ein Zugehörigkeitsgefühl, Vertrauen und psychologische Sicherheit für unsere Mitarbeitenden? Wie können wir Führung und Teamarbeit neu denken?
Können Videokonferenzen das ersetzen?
Sie können es ergänzen. Videokonferenzen haben unglaubliches Potenzial. Es liegt aber an uns, dieses Potenzial zu nutzen. Wie müssen es nur wahrnehmen und gestalten.
Während die Pandemie sicherlich ihre Herausforderungen mit sich gebracht hat, war sie auch ein Katalysator für Transformation und Wandel, der Menschen und Organisationen weltweit die Möglichkeit gibt, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und mit neuen Lebens-, Lern-, Arbeits- und Spielweisen zu experimentieren.
Wie werden wir in Zukunft arbeiten, in welche Richtung geht es?
Während die Pandemie sicherlich ihre Herausforderungen mit sich gebracht hat, war sie auch ein Katalysator für Transformation und Wandel. Dieser Wandel gibt Menschen und Organisationen weltweit die Möglichkeit, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und mit neuen Lebens-, Lern-, Arbeits- und Spielweisen zu experimentieren. Wenn man jetzt während der Pandemie in der Lage ist, innovativ zu sein, kann man sicherstellen, dass man auch in der neuen Normalität wächst. Die Krise gibt uns die Wahl: Möchten wir uns ändern oder nicht. Und wie wir in Zukunft arbeiten wollen, das entscheidet jeder selbst. Sicherlich wird es digitaler und flexibler. Und wir müssen kreative Antworten auf neue und alte Fragen finden: Wie kann ich Bedeutung in meiner Arbeit finden? Welches Problem möchte ich in Zukunft helfen zu lösen? Wie kann ich von überall aus arbeiten und lernen? Jede*r sollte versuchen sich einmal selbst eine Vision vorzustellen, wie man in Zukunft arbeiten will: Was wäre, wenn…?
Vor mehr als 10 Jahren hat der US-Autor und Journalist Jeff Jarvis Medienunternehmen geraten, sich - um erfolgreich zu sein - an Google zu orientieren und die Frage zu stellen: "What would Google do?" Was können die Medienunternehmen heute von Google lernen?
Vielleicht nicht unbedingt zu fragen “Was würde Google tun?”, sondern "Wie würde Google es tun?" und "Wie kann ich es gemeinsam mit Google tun?" Das wäre im Idealfall Inklusiv und hilfreich für alle. Eine inklusive Herangehensweise, die uns hilft Lösungen für alle Menschen zu entwickeln, wird immer wichtiger. Die großen Probleme unserer Zeit können wir nur anders als heute und gemeinsam lösen. Google bemüht sich ja zum Beispiel sowohl mit Trainings- und Beratungsangeboten über das Google News Lab und auch wirtschaftlich mit dem Lizenzierungs-Modell Google News Showcase an die Medien heranzutreten und diese zu unterstützen.
Welche Innovationen im Medienbereich haben Sie zuletzt begeistert?
Das ist jetzt keine technische Innovation aber mir hat sehr gut gefallen, wie im Zuge der Pandemie der Wissenschaftsberichterstattung plötzlich mehr Raum und Gewicht bekommen hat. Was früher oft nur begleitenden Charakter hatte, stand plötzlich im Mittelpunkt und lieferte wichtige Erklärungen und Hintergründe, die für viele Menschen die Krise leichter bewältigbar machten.
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