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NASA ignoriert die dunkle Vergangenheit von James Webb

Das James-Webb-Teleskop soll 13 Milliarden Jahre in die Vergangenheit schauen können. Die NASA stellt sich aber blind, wenn es darum geht, ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit zu schauen. Das belegen neue Informationen.

Im Jahr 2021 wurden Rufe richtig laut, dass das James-Webb-Teleskop vor seinem Start umbenannt werden soll. Grund ist, dass der frühere NASA-Chef James Webb aktiv beteiligt gewesen sein soll, homosexuelle Beamte und Bedienstete zu finden, zu verhören und zu entlassen.

Nach einer offiziellen Untersuchung der NASA zu der Sache, verkündete am 27. September 2021 der NASA-Chef Bill Nelson lediglich: „Wir haben keine Beweise gefunden, die das Ändern des Namens des James-Webb-Teleskops rechtfertigen würden.“ Tatsächlich gab es aber Beweise – die NASA hat sich einfach dazu entschlossen, sie zu ignorieren.

Ans Licht gekommen ist das jetzt, weil Nature ein Auskunftsbegehren zu der Untersuchung gestellt hat. Das Ergebnis sind über 400 Seiten mit E-Mails zu der Sache. Wie Scientific American berichtet, hat die NASA demnach keinerlei Bemühungen unternommen, Forschende und Astronom*innen der LGBTQ+ zur Sache zu befragen und  Hinweise zu Webbs homophober Vergangenheit ignoriert.

Webb war an der Lavender Scare beteiligt

Bevor Webb zum NASA-Chef wurde, war er Staatssekretär im US-Außenministerium. Dort  war er in den 50er-Jahren aktiv an der „Lavender Scare“ beteiligt. So wird in den USA eine Phase bezeichnet, in der die Regierung aktiv gegen Homosexuelle gehetzt und Panik verbreitet hat. Homosexuelle Mitarbeiter*innen und Beamt*innen bei Regierungsstellen und Behörden wurden ausgeforscht, verhört, bloßgestellt und entlassen. Durch ihre Sexualität seien sie Sympathisanten des Kommunismus und deshalb ein Sicherheitsrisiko.

Webb traf sich am 22. Juni 1950 mit US-Präsident Truman, um zu beraten, wie das Weiße Haus und Außenministerium zusammen arbeiten können, um Homosexuelle aufzuspüren. Bis Webb 1952 das US Außenministerium verließ, wurden dort zahlreiche Mitglieder der LGBTQ+-Community entlassen. Auf diese Fakten wurde die NASA am 3. September 2021 hingewiesen, wie aus den offengelegten E-Mails hervorgeht.

Homosexuelle entlassen „übliches Vorgehen bei der NASA“

Die Homophobie soll Webb auch zur NASA gefolgt sein. Dort war er von 1961 bis 1968 im Chefsessel. In dieser Zeit wurde der NASA-Mitarbeiter Clifford Norton verdächtigt schwul zu sein. Er wurde stundenlang vom NASA-Sicherheitschef zu seiner sexuellen Vergangenheit verhört. Schließlich wurde er gefeuert, wegen „unmoralischen, unsittlichen und schändlichen Verhaltens“.

Wie aus einem E-Mail von April 2021 hervorgeht, hat die Person, die Norton offiziell entlassen hat, später ausgesagt. Die Entlassung habe stattgefunden, weil seine Vorgesetzten ihm gesagt haben, dass die Kündigung wegen homosexuellen Verhaltens „übliches Vorgehen bei der NASA“ ist. Dennoch behauptete am 27. September 2021 der NASA-Chef, dass es keine Gründe gebe, das Teleskop umzubenennen.

Arianespace's Ariane 5 rocket, with NASA’s James Webb Space Telescope onboard, launches from French Guiana

Das James-Webb-Teleskop ist am 25. Dezember 2021 gestartet

NASA will weitere Untersuchungen anstellen

Mit diesen neuen Informationen wird jetzt der Druck auf die NASA stärker, dass James-Webb-Teleskop doch noch umzubenennen. Außerdem wirft es kein gutes Licht auf den NASA-Chef Bill Nelson, der die damalige Aufforderung zur Namensänderung mit dem oben genannten Ein-Satz-Statement abschmetterte. Eigentlich gilt er als liberal und er hat sich in seiner politischen Vergangenheit für die Rechte von Homosexuellen eingesetzt.

Am 30. März 2022 sagte die NASA jedenfalls, nachdem die E-Mails zur Untersuchung veröffentlicht wurden, dass die Untersuchung zu Webbs Beteiligung bei der Verfolgung der LGBTQ+-Community noch nicht abgeschlossen sei. Man erwarte einen finalen Bericht in den kommenden Monaten.

Der aktuelle NASA-Chefhistoriker Brian Odom würde jetzt nach weiteren Beweisen suchen, die „möglicherweise in Konflikt mit unserem Verständnis stehen, das wir derzeit über Webb’s Rolle in dieser Angelegenheit haben“. Dazu will er die Harry S. Truman Presidential Bibliothek in Missouri besuchen und Unterlagen von 1949 bis 1952 einsehen. Er sucht dabei nach Hinweisen, die belegen können, ob Webb der Jagd auf Homosexuelle aktiv zugestimmt hat oder etwa meinte: „Was wir hier machen ist falsch.“

FILE PHOTO: NASA Administrator Bill Nelson speaks prior to the launch of an Atlas V rocket carrying Boeing's CST-100 Starliner capsule in Cape Canaveral

NASA-Chef Bill Nelson

Umbenennen ist Chefsache

Astronom*innen der LGBTQ+-Community sehen diese Aussage von Odom bereits als schlechtes Zeichen. Sie deuten seine Aussage so, als würden jetzt Hinweise gesucht werden, um Webb als Mitläufer darzustellen, bzw. als Beamten, der nur seinen Job gemacht hat.

Egal wie der finale Bericht ausgeht: Die Änderung des Namens kann nur der amtierende NASA-Chef bestimmen. Und der hat das schon einmal abgelehnt – obwohl bereits Beweise über Webbs Beteiligung in der Lavender Scare vorlagen.

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