Das Sky Shield ist die Analogie zum israelischen Iron Dome.

Das Sky Shield ist die Analogie zum israelischen Iron Dome.

© REUTERS / RONEN ZVULUN

Militärtechnik

Wie funktioniert Sky Shield?

Österreich soll Teil der europäischen Luftabwehr-Initiative Sky Shield werden. Die Teilnehmer der Initiative wollen gemeinsam Waffensysteme zur Luftabwehr beschaffen und einander mit Systemen und Munition unterstützen. Das European Sky Shield soll frühestens 2025 in Betrieb gehen.

Was ist Sky Shield?

Die European Sky Shield Initiative (ESSI) ist ein geplantes Projekt zum Aufbau eines europäischen Luftverteidigungssystems. Ins Rollen gebracht wurde die Initiative im August 2022 durch den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. Auslöser war die steigende Bedrohung durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Teilnehmende Staaten sind Deutschland, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn.

Nicht verwechselt werden darf das europäische Sky Shield mit dem Störsender "Sky Shield", mit dem etwa die deutschen Eurofighter des Typs ECR (Electronic Combat Role) ausgerüstet werden sollen. Der Sender des israelischen Rüstungsunternehmens Rafael ist darauf ausgerichtet, gegnerische Luftabwehr zu unterdrücken (die futurezone hat berichtet).

Welche Bedrohungen soll Sky Shield abfangen?

Mit Sky Shield sollen ballistische Raketen, Marschflugkörper und Drohnen abgewehrt werden. Als große Bedrohung zählen etwa Hyperschallraketen, die mit mehr als 6.174 km/h (Mach 5, 5-fache Schallgeschwindigkeit) unterwegs sind. Dazu zählt auch die russische Rakete Kinzhal Kh-47, die von der Luft aus gestartet wird und eine Geschwindigkeit von etwa 12.000 km/h (Mach 10) erreichen. Ihre Reichweite soll bei bis zu 2.000 Kilometern liegen.

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Was ist der Unterschied zwischen Hyperschallraketen und ballistischen Raketen?

Anders als ballistische Raketen bewegen sich Hyperschallraketen (Hypersonic Cruise Missiles) in einer geringeren Flughöhe und werden so von Radarsystemen später erkannt. Außerdem erreichen sie ihr Ziel deutlich schneller. Durch ihre hohe Geschwindigkeit und Manövrierbarkeit sind sie nur sehr schwer abzuwehren. Zudem können die Raketen mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden.

Eine zukünftigte weitere Bedrohung sind sogenannte Hypersonic Glider. Diese fliegen in etwa 100 Kilometern Höhe mit Hyperschallgeschwindigkeit Richtung Ziel. Zudem sollen sie automatisch Ausweichmanöver und Kurswechsel durchführen, um nicht von Abwehrsystemen neutralisiert werden zu können. Auch diese Hypersonic Glider sollen mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden.

Unterschied zwischen ballistischen Raketen und Hyperschallraketen.

Warum reichen bisherige Abwehrsysteme nicht aus?

Das Herzstück der österreichischen Luftraumüberwachung ist die sogenannte "Goldhaube", die aus mehreren Radarstationen besteht. Die Leistung dieses Radars geht über die österreichischen Landesgrenzen hinaus und reicht im Norden bis Berlin, im Westen bis nach Budapest, im Süden bis nach San Marino und im Westen bis nach Bern. Dadurch kann die Goldhaube auch als Frühwarnsystem bei möglichen Angriffen dienen (die futurezone hat berichtet). 

Ähnliche Warnsysteme stehen auch anderen Ländern zur Verfügung. "Im Rahmen der Air Situation Data Exchange tauschen wir bereits seit Jahren Daten mit Deutschland und der Schweiz aus", sagt Brigadier Gerfried Promberger, Kommandant der Luftstreitkräfte des Bundesheeres, zur futurezone. In Zukunft werde man diese Kooperationen wohl noch weiter ausweiten. 

Bei der bodengebundenen Luftabwehr ist Österreich allerdings sehr limitiert. Dringt ein feindliches Objekt in den österreichischen Luftraum ein, stehen momentan nur 35-mm-Kanonen (Oerlikon) und "Mistral"-Kurzstreckenraketen zur Verfügung. Diese Raketen haben eine Reichweite von bis zu 6 Kilometer und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu Mach 2,7.

Um die Luftabwehr zu verstärken, investiert das Bundesheer in ein MRAD, einer Medium-Range Air Defense mit einer Reichweite von etwa 40 Kilometer. Welches System beschafft werden soll, ist unklar.

Welche Abwehrraketen wird Sky Shield verwenden?

Das steht noch nicht fest. Im Gespräch steht etwa das israelische System Arrow 3, das US-amerikanische MIM-104 Patriot System und das europäische IRIS-T SLM. Ziel ist, feindliche Objekte in 3 "Abfangschichten", also Reichweiten, neutralisieren zu können: 

  • Kurze Reichweite: bis 15 Kilometer weit, bis zu 6 Kilometer Höhe
  • Mittlere Reichweite: 15 bis 50 Kilometer Reichweite und bis zu maximal 25 Kilometer Höhe
  • Große Reichweite: mehr als 50 Kilometer Reichweite und bis zu 35 Kilometer Höhe

Die größte Reichweite hat die Arrow-3-Rakete. Die Lenkwaffe soll Gefahren auf Distanzen von bis zu 2.400 Kilometer und in einer Höhe von bis zu 100 Kilometer bekämpfen können. Dabei sollen feindliche Raketen primär durch einen direkten Treffer ausgeschaltet werden. Dank eines Splittersprengkopfs mit Näherungssensor reicht aber auch ein knapper Vorbeiflug aus, um ein Ziel zu zerstören.

Das US-amerikanische MIM-104 Patriot System erreicht je nach eingesetztem Lenkflugkörper eine Reichweite von bis zu 160 Kilometer. Gegen ballistische Raketen wird eine maximale Reichweite von 60 Kilometer angegeben. Patriot-Raketen erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von Mach 4,1 und wurden in der Ukraine bereits erfolgreich gegen die Hyperschallrakete Kinzhal Kh-47 eingesetzt (die futurezone hat berichtet).

Das deutsche Luftabwehrsystem IRIS-T SLM zählt zur sogenannten MRAD mit einer Reichweite von 40 Kilometern (20 Kilometer Höhe). Das System besteht dabei aus Radar-Modulen, Launchern mit bis zu 8 "IRIS-T SL"-Raketen und einem Operationsmodul, über das das System gesteuert werden kann. Wie auch bei den anderen beiden Luftabwehrsystemen können alle Komponenten mobil eingesetzt werden und passen auf standardisierte Containerrahmen.

An welchen Standorten die mobilen Systeme eingesetzt werden, ist von Einsatz zu Einsatz unterschiedlich, erklärt Promberger. "Wichtig ist, dass es sich um marktverfügbare Systeme handelt", streicht der Promberger hervor. Je zeitnaher das Projekt nämlich umgesetzt werden, desto besser könne auf die Gefahrenlage reagiert werden. Einen Start von Sky Shield im Jahr 2025 hält der Experte für realistisch.

Wie werden die Ziele geortet?

Bei Sky Shield um einen "satellitengestützten Schutzschirm", der Bedrohungen "frühzeitig erkennen und abwehren kann". Laut Promberger dienen die Satellitendaten allerdings nur als Ergänzung zu Radarstationen am Boden. Bereits jetzt helfen Satelliten dabei, ein sogenanntes "Recognized Space Picture" zu erstellen. Darin werden nicht nur Flugobjekte im Weltall erkannt und klassifiziert, sondern auch das Weltraumwetter vorhergesagt. Sogenannte Sonnenstürme können nämlich nicht nur GPS-Navigationssysteme auf der Erde empfindlich stören, sondern in schweren Fällen auch für Funk- oder Stromausfälle sorgen. Darauf müssen sich Luftabwehrsysteme anpassen können.

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Das deutsche Rüstungsunternehmen Hensoldt verkündete im Dezember 2022 außerdem, vor dem Hintergrund der Sky Shield Initiative, 30 TRML-4D-Radare für das IRIS-T SLM-System zu bauen. Das System soll laut Hersteller auch tieffliegende Marschflugkörper erkennen können. Eine Ortung von bis zu 1.500 Zielen auf Entfernungen bis zu 250 Kilometer sei möglich.

Wie viel kostet die Sky-Shield-Initiative?

Der Beitrag der einzelnen Länder unterscheidet sich. Österreich wird ersten Schätzungen zufolge knapp 2 Milliarden Euro in die Initiative investieren müssen. 

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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