Zahlreiche Betroffene verloren geliebte Menschen in den Trümmern. 

Zahlreiche Betroffene verloren geliebte Menschen in den Trümmern. 

© APA/AFP/BULENT KILIC

Digital Life

Türkei: Google Alert warnte Menschen nicht vor Erdbeben

Am 6. Feber 2023 gegen 4 Uhr morgens wurde die Türkei von einem verheerenden Erdbeben erschüttert. Die Erde bebte im Raum Gaziantep mit einer Stärke von 7,8. Um die Mittagszeit folgte ein weiteres Beben der Stärke 7,7. Auch einige Gebiete Israels sowie Nord- und Westsyrien waren betroffen. Über 50.000 Menschen kamen ums Leben, die tragischen Bilder der Katastrophe gingen um die Welt.

Technologie, die derartige Erdbeben mit Sicherheit vorhersagen können, gibt es nicht. Allerdings haben einige Unternehmen Frühwarnsysteme entwickelt, die Bodenbewegungen erkennen und Personen so vor potentiellen Katastrophen warnen sollen.

Zu diesen Unternehmen gehört auch Google. Der Techriese hat ein Erdbebenwarnsystem auf Android-Handys vorinstalliert. Doch laut einer Untersuchung der BBC versagte es im Falle der Türkei. Das System konnte viele  Einwohner*innen zum Zeitpunkt des tödlichen Bebens im Feber nicht warnen.

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Kaum Warnungen erhalten

Um ein Erdbeben vorherzusagen, verwendet Google Alert Beschleunigungsmesser, die in Android-Smartphones integriert sind. Diese können seismische Wellen erkennen, die auf ein mögliches Erdbeben hindeuten. Registrieren mehrere Android-Handys eine Erschütterung, die ein Erdbeben sein könnte, melden das Smartphones an einen zentralen Server zur Erdbebenerkennung. Dabei wird die ungefähre Position mitgeschickt. Stimmen die Daten mit denen eines Erdbebens überein, wird im Anschluss eine Erdbebenwarnung an alle Nutzer*innen in der Nähe ausgesendet. Die Meldung nimmt den gesamten Bildschirm ein und wird von einem lauten Alarm begleitet.

80 Prozent der Einheimischen in der Türkei besitzen ein Android-Smartphone. Google Alert hätte also einen Großteil der betroffenen in der Erdbebenregion warnen sollen. Dem war allerdings nicht so. Am 6. Feber hatte laut der BBC kaum jemand eine solche Warnung erhalten, so die BBC.

Ein Rechercheteam besuchte 3 Städte im Erdbebengebiet und sprach mit Hunderten von Menschen. Niemand der Befragten wurde von dem ersten Beben per Smartphone gewarnt. Nur eine Handvoll Menschen erhielt eine Warnung vor dem zweiten Erdbeben.

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Google: Betroffene haben Warnung erhalten

Die BBC konfrontierte Google mit den Vorwürfen. Der Konzern beharrt auf dem Erfolg des Systems. Man habe Meldungen an Millionen von Menschen verschickt: "Wir sind zuversichtlich, dass dieses System ausgelöst und Warnungen gesendet hat", so Unternehmenssprecher Micah Berman.

Ausreichende Beweise für diese Behauptung konnte der Konzern allerdings nicht vorlegen. Google übermittelte der BBC ein Dokument mit lediglich 13 Social-Media-Beiträgen, in denen Menschen berichteten, von Google Alert gewarnt worden zu sein. Nur eines dieser Postings bezog sich auf das erste Beben.

"Wenn das System von Google funktioniert hätte, wäre es vielleicht sehr nützlich gewesen", so der türkische Erdbebenexperte Sukru Ersoy im Interview mit der BBC. Ersoys Frau habe sich ebenfalls im Erdbebengebiet befunden. Sie besitze ein Android-Handy, habe aber keine Warnung erhalten. "Dass das System bei einem wichtigen Erdbeben wie diesem nicht funktioniert, wirft die Frage auf [...]: Warum konnten wir bei diesem großen Erdbeben, einem der größten der letzten 100 Jahre, nicht davon profitieren?" 

In einer Erklärung, die Google der BBC nach dem Interview gab, hieß es: "Während eines verheerenden Erdbebens können sich zahlreiche Faktoren darauf auswirken, ob Nutzer*innen eine zusätzliche Warnungen erhalten, bemerken oder darauf reagieren - einschließlich der spezifischen Merkmale des Erdbebens und der Verfügbarkeit von Internetverbindungen."

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