Niederländische F-16

Niederländische F-16

© REUTERS / PIROSCHKA VAN DE WOUW

Militärtechnik

Raketen mit 500km Reichweite für Ukraine: F-16-Bewaffnung wirft Fragen auf

Um den russischen Angriffskrieg abzuwehren, werden der Ukraine F-16 Kampfjets zur Verfügung gestellt. Mindestens 40 Stück sollen es sein. Die US-Kampfjets werden, mit der Erlaubnis der USA, von Dänemark und den Niederlanden geliefert. 

Nun gibt es neue Informationen zur Bewaffnung der Jets. So verlautbarte der ukrainische Generalleutnant Serhii Naiev gegenüber ukrainischen Medien, dass sie mit Luft-Boden-Raketen kommen sollen, die eine Reichweite von 300 bis 500 Kilometer aufweisen. Von welchen Waffen er konkret spricht, bleibt hingegen offen.

Hohe Reichweite

Diese Angabe ist bemerkenswert, da nur wenige Luft-Boden-Raketen über eine derartige Reichweite verfügen. Die Export-Version der Storm Shadow, die die Ukraine etwa von Großbritannien geliefert bekommt, hat eine Reichweite von lediglich 250 Kilometer.

Es wäre denkbar, dass Naiev von dieser spricht und bei den Kilometerangaben einfach nicht so genau ist. Möglich ist auch, dass die Ukraine die reguläre Version mit etwa 560 Kilometern Reichweite bekommen soll - laut Rüstungsexpert*innen ist das aber unwahrscheinlich.

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Eine Waffe, die am ehesten auf Naievs Beschreibung zutrifft, wäre die US-Rakete AGM-158 Joint Air-to-Surface Standoff Missile (JASSM). Zwar kommt sie in der Basisversion auch “nur” 370 Kilometer weit, in der erweiterten Variante JASSM-ER kann dieser Wert aber auf bis zu 925 Kilometer steigen.

Hier stellt sich aber die Frage, warum Naiev dann nicht von über 900 Kilometer spricht, wenn er tatsächlich diese Luft-Boden-Rakete meint. Möglich wäre, dass, ähnlich wie bei der Storm Shadow, eine Export-Version der JASSM-ER geliefert werden soll, die lediglich 500 Kilometer Reichweite an. Oder vielleicht weiß Naiv selbst noch nicht, welche JASSM zusammen mit der F-16 geliefert wird und hat deshalb die "Hausnummer" 300 bis 500 Kilometer genannt.

Was kann die AGM-158 JASSM?

Die AGM-158 JASSM in der Basiskonfiguration wird vom US-Militär seit 2009 eingesetzt. Die Extended-Range-Version folgte 2014. Obwohl die Waffe damit schon einige Jahre auf dem Buckel hat, gilt sie immer noch als hochmoderner Marschflugkörper. Sie kann von vielen verschiedenen Flugzeugtypen abgefeuert werden, neben der F-16 etwa von der F-15F/A-18B-1B-2 und B-52.

Sie verwendet, wie andere moderne Raketen, ein GPS-gestütztes Trägheitsnavigationssystem (INS) in Kombination mit einem Infrarot-Suchkopf. Damit kann sie auch bei schlechten Sicht- oder Wetterbedingungen Ziele mit hoher Präzision treffen.

Ausgestattet ist sie mit dem 450-Kilogramm schweren Gefechtskopf WDU-42/B. Dabei handelt es sich um einen penetrierenden Gefechtskopf. Er ist ausgelegt harte, befestigte Ziele, wie Bunker oder Kommandozentren, zu durchdringen, bevor er detoniert.

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Neben den USA wird die JASSM auch von verbündeten Ländern wie AustralienFinnland und Polen eingesetzt. Ob die USA wirklich bereit sind die Ukraine damit auszustatten und damit die Gefahr eingehen, dass die Raketen in russische Hände fallen, ist laut The War Zone zumindest fraglich. 

Oder doch die AGM-84H?

Denkbar wäre, dass die Ukraine von den USA mit der AGM-84H Standoff Land Attack Missile–Expanded Response, besser bekannt als SLAM-ER, versorgt wird. Ihre maximale Reichweite liegt allerdings nur bei etwa 270 Kilometer, ob sie also tatsächlich gemeint ist, ist unklar. 

Genauso wie die JASSM verwendet auch die SLAM-ER ein GPS-gestütztes Trägheitsnavigationssystem samt Infrarot-Bildgebung. Sie kann einerseits auf ein fixes Ziel, das beim Abschuss festgelegt wird, abgefeuert werden. Andererseits ermöglicht sie es aber auch, das Ziel während des Fluges zu ändern oder zu präzisieren. Möglich wird das durch eine Datenverbindung zwischen Rakete und Flugzeug. 

Deutsche Taurus

Eine Reichweite von 500 Kilometer bietet theoretisch auch der deutschet Taurus-KEPD 350-Marschflugkörper. Die Ukraine versucht seit einer Weile diesen zur Verfügung gestellt zu bekommen, allerdings wurde das von der deutschen Politik bislang blockiert. 

Auch würde es laut Angaben des Herstellers 12 bis 18 Monate dauern, bis diese Raketen kompatibel mit F-16-Jets gemacht werden könnten. Es erscheint also höchst unwahrscheinlich, dass die Taurus in absehbarer Zeit von F-16s in der Ukraine abgefeuert werden. 

Warum überhaupt hohe Reichweite?

Die F-16 und deren Bewaffnung wird wieder nur unter der Vereinbarung geliefert, dass keine Ziele auf russischem Hoheitsgebiet attackiert werden dürfen. Kritiker*innen der Unterstützungslieferungen an die Ukraine sehen deshalb keinen Sinn darin, dass die Ukraine Waffen mit einer Reichweite bis zu 500 Kilometern bekommt.

Allerdings ist der Luftraum der Ukraine nach wie vor umkämpft. Beide Kriegsparteien haben moderne Luftabwehrsysteme an der Front und an wichtigen Versorgungseinrichtungen platziert. Russland hat hier etwa das S-400 Triumf, mit einer Reichweite von bis zu 380 Kilometern.

Und so ein System zu bekämpfen oder ein Ziel, das durch ein S-400 geschützt wird, braucht man einen Marschflugkörper mit größerer Reichweite. Sonst würde das Flugzeug, in dem Fall die F-16, angegriffen und womöglich abgeschossen werden, bevor es überhaupt seine Raketen abfeuern konnte.

Ursprünglich hatte die Ukraine um F-16s gebeten, um die Lufthoheit zu erlangen. Anhand der starken russischen Luftabwehr dürfte das aber schwierig werden. Insofern wären Luft-Boden-Raketen, die feindliches Radar automatisch anvisieren, eine sinnvolle Bewaffnung für die F-16.

Dazu gehört die amerikanische AGM-88 HARM. Diese hat aber nur in der neuesten Variante AGM-88G bis zu 300 Kilometer Reichweite. Ältere Versionen haben maximal 150 Kilometer Reichweite. Auch die Ukraine hat ein paar ältere HARM bekommen.

Die AGM-88G ist noch in Erprobung bei den USA, eine Indienststellung ist für 2024 geplant. Ob man der Ukraine gleich die neue Rakete liefern wird, ist nicht bekannt.

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