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Scott Pilgrim vs. The World im Spieletest: Comeback des Jahres

Scott und Ramona, in wundervoller Pixel-Optik

Entgegen der Comicbuch-Vorlage schien es keine Chance auf ein Happy End für Scott Pilgrim auf Videospielkonsolen zu geben. 2010 erschien es für Xbox360 und PS3 – rein als digitales Download-Spiel.

Im Dezember 2014 verschwand es aus den Stores der Konsolen, bevor das Game den Sprung auf die Xbox One und PS4 machen konnte. Das Spiel galt damit als verloren. Man konnte es nur noch zocken, wenn man eine Xbox360 oder PS3 aufgehoben hatte, auf der das Spiel installiert ist.

Seitdem fragten Fans Jahr für Jahr, ob Scott Pilgrim vs. The World: The Game wiederkommt. Zum 10-jährigen Jubiläum des Scott-Pilgrim-Films und damit des Spiels, wurde der sanfte Schrei nach dem Spiel nochmals laut. Die Macher des Scott-Pilgrim-Comics und des Films baten Ubisoft im Mai 2020 öffentlich darum, das Game zurückzubringen. Anfangs schien der Schrei ungehört zu verhallen, doch im August 2020 kam dieser Tweet des Scott-Pilgrim-Schöpfers Bryan Lee O'Malley:

Kein bisschen älter als alt

Jetzt ist es 2021 und Scott ist tatsächlich zurück, in „Scott Pilgrim vs. the World: The Game – Complete Edition“ für PS4, Xbox One, Switch und PC. Es handelt sich dabei um ein Remaster, das die 2 DLCs des Original-Spiels von damals enthält (deshalb: „Complete Edition“).

Die Rückkehr ins verschneite Toronto war für mich nicht ganz so großartig, wie ich es nach der langen Wartezeit herbeigesehnt habe. Nicht etwa, weil das Spiel schlecht gealtert ist, sondern weil es so gut präserviert wurde.

Das Game setzt auf eine Retro-Pixelgrafik, die, als das Spiel 2010 erschienen ist, sehr angesagt war. Jetzt ist aber 2021 und es liegen 2 Konsolen-Generationen dazwischen: Da braucht das Hirn etwas, um zu merken, dass die grobe Schrift, das damit empfundene Trägheitsgefühl und die vielen großen Pixel Absicht sind.

Technisch gesehen ist der Re-Release sauber umgesetzt. Die Auflösung wurde angepasst, die Framerate bleibt flüssig und der stimmige Chiptune-Soundtrack klingt mindestens so gut wie damals.

Mehr Comic als Film

Wer das Comic oder den Film kennt, weiß worum es in dem Spiel geht. Für die, die neu im Scott-Pilgrim-Universum sind: Scott trifft Ramona, Scott verliebt sich in Ramona, Scott macht sich auf die 7 bösen Ex-Freunde von Ramona zu besiegen, um ihr Herz zu gewinnen.

Das Spiel ist aufgrund des Grafikstils mehr an der Original-Comicvorlage dran, als an dem Film. Wer bisher nur den Film gesehen und gemocht hat, wird das Game aber dennoch lieben (und danach vielleicht die Comics kaufen). Auf die zwischenmenschliche Tiefe der Comics wird in dem Spiel, zugunsten des Gameplays, verzichtet.

River City Ransom – Toronto Style

Das Spiel ist ein 2D-Beat-em-Up. Es nimmt bewusst Anleihen an klassischen Games und anderer Populärkultur. Daher ist es auch kein Zufall, dass es an den Spiele-Klassiker River City Ransom erinnert.

Prinzipiell prügelt man sich von links nach rechts durch die Levels (kann aber auch immer zurückgehen), um am Ende den Boss zu besiegen. Die Levels sind dabei liebevoll gestaltet und voller Referenzen, egal ob man in den verschneiten Straßen von Toronto unterwegs ist, in Bars oder auf Filmsets.

Der Wolf im Pixelpelz

Allzu sehr sollte man sich von den Hintergründen aber nicht verzaubern lassen, denn das Game ist alles andere als ein Spaziergang. Der Schwierigkeitsgrad steigt extrem schnell an. Während man sich durch die ersten ein oder 2 Levels noch durchwurschteln kann, ist danach Schluss mit lustig.

Das hat mehrere Gründe. Erstens: Das Kampfsystem ist zwar einfach zu verstehen, aber so komplex, dass es schwer zu perfektionieren ist. Zu den Basisattacken kommt der Spezialangriff, das Zuhilferufen von Unterstützung, das Team-Verspotten und das Einsetzen von Mutpunkten hinzu.

Zweitens: Moves werden erst nach und nach freigeschaltet, durch Level-Ups der Charaktere. Manche davon, wie etwa das Kontern oder Angriffe die Blocks durchbrechen, sind essenziell für erfolgreiche Kämpfe. Man muss also möglicherweise die ersten Levels öfters spielen, um im Charakter-Level zu steigen, damit man die Moves hat, um spätere Levels zu schaffen.

Drittens: Es gibt für jeden Charakter ein Wertesystem, für Energiepunkte, Stärke usw. Diese Werte lassen sich durch Gegenstände verbessern, die man im ersten Level in den Läden kaufen kann. Dazu muss man vorher aber erst Geld sammeln, durch das Besiegen von Gegnern und das Finden von Bonus-Abschnitten. Auch hier gilt: Will man seine Charakter stärker machen, um ausreichend gewappnet zu sein, muss man die frühen Levels öfters spielen, um Geld zu sammeln.

Immerhin waren die Spielentwickler ein bisschen gnädig: Verliert man alle Leben, muss man nur das Level neu starten. Das erspielte Charakter-Level und Geld wird nicht auf 0 zurückgesetzt.

Mehr Spieler, mehr Spaß

Solisten haben es trotzdem noch einmal extra schwer. Das Game ist dafür ausgelegt, zusammenzuspielen. Offline und online können bis zu 4 Spieler gleichzeitig Ramonas Ex-Freunde besiegen. Das macht das Spiel nicht nur einfacher, sondern auch lustiger.

So kann man etwa Team-Beleidigungen ausführen, einen gefallenen Kumpanen wiederbeleben oder ihm für das Kaufen von Gegenständen Geld geben. Wurde man nicht rechtzeitig wiederbelebt, kann man als Geist den Mitstreitern Lebenskraft absaugen, um selbst wieder mitkämpfen zu können.

Ein kleines Ärgernis dabei: Bei meinem Test konnte ich keine öffentlichen Spiele finden und auch in meine Session ist niemand eingestiegen. Ich habe es zu verschiedenen Uhrzeiten und an verschiedenen Wochentagen probiert. Entweder spielt in Europa niemand Scott Pilgrim, oder das Matchmaking ist suboptimal. Anyway: Es macht sowieso mehr Spaß, wenn man sich mit Freunden zu einer Online-Runde Scott Pilgrim verabredet – oder noch besser offline, wenn dies die Pandemie irgendwann wieder erlaubt.

Hat man eine Gruppe oder zumindest einen Buddy zum Spielen gefunden, wird man mit Scott Pilgrim lange Spaß haben. Durch die inkludierten DLCs hat man 6 statt nur der ursprünglichen 4 Charaktere beim Originalgame. Die alle nach oben zu leveln erhöht ebenfalls die Spielzeit. Die zusätzlichen Versus-Modi Battle Royale und Dodgeball schaut man sich vielleicht einmal an, wird aber dann schnell wieder zum Original-Game zurückkehren.

Fazit

Scott Pilgrim vs. the World: The Game – Complete Edition ist die 15 Euro auf jeden Fall wert, wenn man damals das Spiel mochte. Wer das Game noch nicht kennt, egal ob man Scott Pilgrim gelesen oder gesehen hat, muss sich primär die Frage stellen: Habe ich Freunde/Familie, mit denen ich das Game zusammenspielen kann? Denn alleine macht es nur halb so viel Spaß.

Schade ist, dass das Spiel fast schon zu gut konserviert wurde. Das Matchmaking im Online-Mehrspielermodus ist ähnlich holprig wie damals und der hohe Schwierigkeitsgrad schreckt immer noch Gelegenheitsspieler ab. Ein wählbarer „Casual“-Modus wäre gut gewesen, um weniger versierte Beat-em-Up-Spieler nicht zu frustrieren (Stichwort: Lebenspartner*innen). Hier hätte man sich ein Beispiel an Streets of Rage 4 nehmen sollen.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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