Das Atomraftwerk in Krsko

Das Atomraftwerk in Krsko

© REUTERS / BORUT ZIVULOVIC

Gastkommentar

Mit Atomkraft gegen die Klimakrise?

Bebende Böden, wackelnde Wände, schepperndes Geschirr – es waren unheimliche Sekunden für viele, die in Österreich am 29. Dezember das Erdbeben wahrgenommen haben, manche davon zum ersten Mal im Leben. Im Epizentrum nahe Zagreb kostete es mehrere Menschen ihr Leben und viele ihre Existenz, wir kamen mit dem Schrecken davon. Zugleich war das Beben erneut eine Mahnung an die tickende Zeitbombe nahe der österreichischen Grenze: Das veraltete Atomkraftwerk Krsko.

Kernkraftwerke und Klimaziele

Dass Umweltschutzorganisationen sowie die heimische Politik quer durch die Parteienlandschaft zu diesem tragischen Anlass unisono die jahrelange Forderung nach der Abschaltung des AKW Krsko erneuerte, ist symbolisch für die in Österreich historische und immer noch aufrechte deutliche Haltung gegen Atomkraft. Global und auch innerhalb der EU herrscht hier jedoch nicht dieselbe selbstverständliche Einigkeit. Einige Länder setzen auf den Ausstieg, andere, wie etwa China, auf den Ausbau. Seit Jahrzehnten versucht die angeschlagene Atomindustrie, sich wieder ins Spiel zu bringen. Neuerdings mit dem zentralen Argument der drängenden Klimawende.

Im Kampf gegen die Klimakrise springt die Atomindustrie auf den fahrenden Zug auf und stellt die nächste Generation von Reaktoren, die bislang nur für die Forschung gebaut wurde, gerne als besonders effiziente Möglichkeit dar, um die Klimaziele zu erreichen. Tatsächlich ist die Klimalast von AKW deutlich geringer als die von Kohlekraftwerken. Aber macht sie das allein zu sauberen, zukunftsfähigen Energielieferanten?

Weltklimarat ein Atomlobbyist?

Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA lobbyiert für einen massiven Ausbau der Kernkraft: Mit 900 Gigawatt neu installierter Kernkraft bis 2050 – das wären laut Uran-Atlas rund 700 neue Atommeiler weltweit – sei die Sache mit der Klimarettung geritzt. Mangels zahlungsfreudiger privater Investoren versucht man Staaten davon zu überzeugen, diesen Ausbau mit Steuergeldern zu finanzieren. Dafür wird gerne argumentiert, der Weltklimarat (IPCC) würde Kernenergie als wichtigen Teil im Energiemix zur Bekämpfung der Klimakrise anführen. Diese Behauptung, erst kürzlich wieder in einer Wirtschaftlichkeitsanalyse der niederländischen Regierung vorgelegt, entkräftet selbst eine Mitautorin des Kapitels über Kernenergie im IPCC-Bericht: Der Weltklimarat habe mit verschiedenen Szenarien gearbeitet. Nebst jenen, in denen Kernenergie zunimmt, auch mit solchen, „in denen sie vollständig aus dem Mix verschwindet“, so die Professorin für Klimapolitik Heleen de Coninck.

Ausbau verschlechtert CO2- Bilanz

Natürlich ist die CO2-Bilanz von Kernkraft weitaus besser als jene von Kohle oder Erdgas. Aber die Energiequelle ist nicht erneuerbar: Der Rohstoff Uran ist ebenso wie Erdöl, Stein- und Braunkohle nur begrenzt vorhanden. Technologien, die auf endliche Ressourcen bauen, mangelt es langfristig an Zukunftsfähigkeit. Hinzu kommt, dass die CO2-Bilanz sich mit dem von der IAEA geforderten massiven Ausbau zunehmend verschlechtern würde. Die Qualität des Uranerzes in den ergiebigen Lagerstätten nimmt ab, argumentieren unter anderem Friends Of The Earth im Uran-Atlas 2019 (PDF). Die Verwertung von minderwertigem Erz bringt ebenso einen höheren Energieaufwand und damit mehr CO2-Ausstoß mit sich, wie eine für zunehmende Kernkraft wohl notwendige Erschließung neuer Uranminen.

Die Zukunft ist Erneuerbar

Selbst wenn die neue Reaktorengeneration anlagentechnisch sicherer sein mag als die Schreckgespenster der Vergangenheit wie jenes in Krsko, gegen Naturkatastrophen wie Erdbeben ist auch sie nicht ausreichend gefeit. Die Gesundheitsrisiken bleiben ebenso wie die ungelöste Frage der Endlagerung. Dass es durchaus einige schlüssige Argumente für die Weiterentwicklung von Atomkraftwerken geben mag, dem sei hier nicht grundlegend widersprochen. Aber die entscheidende Frage ist, in welchen Kontext wir unsere Vorstellung von einer klimagerechten Zukunft stellen. Relevantes Gewicht entwickeln die Pro-Kernkraft-Argumente doch vor allem im Lichte eines derzeit vorherrschenden klimaschädigenden Energiesystems, das auf fossile Klimakiller baut. Die Zukunft einer echten Energiewende liegt allerdings eindeutig in erneuerbaren Energiequellen – und in diesem Vergleich verliert Atomenergie, egal ob alt oder neu, sofort an Strahlkraft.

Über die Autorin

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

mehr lesen
Tina Wirnsberger

Kommentare