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Netzpolitik

EU beschließt neue Regeln für Facebook und Co: 10 Fragen und Antworten

Die EU hat sich mit einem Gesetzesvorhaben vorgenommen, das Internet, und vor allem Social-Media-Dienste, für Nutzer wieder zu einem besseren Ort zu machen. Mit dem Digital Services Act (DSA) sollen neue Regeln für Online-Plattformen geschaffen werden. Das EU-Parlament beschließt am Donnerstag seine offizielle Position zu dem Gesetzesvorhaben. Die futurezone hat sich angesehen, was das für Konsument*innen genau bedeutet.

Was ist der Digital Services Act (DSA)?
Beim DSA geht es um die Regulierung von Plattformen wie Facebook, Instagram oder WhatsApp sowie Suchmaschinen wie Google oder Onlinehändler wie Amazon. Betroffen sind aber auch andere Unternehmen, die Online-Dienste anbieten. Der DSA ist ein Teil eines  EU-Gesetzespakets. Mit dem DSA sollen die gesellschaftliche Aspekte reguliert werden, mit dem Digital Markets Act (DMA) wettbewerbsrechtliche Aspekte.

Was wird sich dadurch für Internet-Nutzer*innen ändern?
„Im Idealfall werden wir mit deutlich weniger rechtswidrigen Inhalten auf Online-Plattformen konfrontiert“, erklärt Daniela Zimmer, AK-Expertin der futurezone. Das gilt für Postings, die Persönlichkeitsrechte verletzen ebenso wie für betrügerische Angebote in Online-Shops.

Nutzer*innen sollen mit dem Gesetz vor Hass und Hetze im Netz besser geschützt werden. Zwar gibt es in Österreich bereits ein eigenes Gesetz dazu, das diesen Aspekt regelt, aber noch fehlt ein EU-weiter Rahmen dazu. Dieser soll damit geschaffen werden (und das österreichische Gesetz obsolet machen).

Der DSA verbietet aber keine generellen Äußerungen im Netz, es greift also nicht in die Meinungsfreiheit ein. Gleichzeitig geht es beim DSA vor allem um mehr Transparenz für Konsument*innen. Jeder soll die Freiheit bekommen, selbst zu entscheiden, ob Nachrichten auf Social Media von einem Algorithmus sortiert werden sollen, oder nicht.

Was bedeutet das konkret für mich?
Du wirst mehr Klarheit darüber bekommen, warum dir auf Facebook oder Instagram bestimmte Nachrichten oder Bilder an erster Stelle angezeigt werden, während du andere gar nicht zu Gesicht bekommst. Ein konkretes Beispiel: Wenn Facebook etwa das Schlagwort „Impfung“ über dich abgespeichert hat, weil du danach einmal in der Vergangenheit gesucht hattest, bekommst du Beiträge zu diesem Thema vorgereiht, weil das Netzwerk glaubt, dass dich alles dazu interessiert. Genau diese Schlagwörter sollst du künftig einsehen und bei Bedarf löschen können.

Damit können Nutzer*innen leichter aus dem Dunstkreis von Verschwörungstheorien aussteigen, wenn sie sich bewusst dafür entscheiden, ein bestimmtes Schlagwort löschen zu lassen. Außerdem sollen Nutzer*innen die Möglichkeit bekommen, sich Nachrichten chronologisch anzeigen zu lassen.

Warum ist das wichtig?
Nutzer*innen bekommen auf Facebook häufig eher Fake News zu sehen, als Artikel von seriösen Medien. Das liegt daran, dass diese Meldungen häufiger kommentiert werden, weil sie mehr Emotionen hervorrufen. Dadurch werden diese Meldungen seitens der Netzwerke vorgereiht. Das ist nicht nur schlecht für die Demokratie, sondern auch schlecht für die Meinungsbildung. Gerade bei politischen Inhalten ist das besonders heikel.

EU Commission Vice-President Margrethe Vestager  hearing by Parliament committee Internal Market and Consumer Protection

Vize-Kommissionspräsidentin Margrethe Vestager bei einem Video-Call zu dem Thema im EU-Parlament

Was ist sonst noch vorgesehen?
Es ist auch vorgesehen, dass Forscher*innen und gemeinnützige Organisationen die Möglichkeit bekommen, sich Algorithmen genauer anzusehen, um langfristige Lösungen zu entwickeln, mit denen Fake News bekämpft werden. Algorithmen galten bisher als „Geschäftsgeheimnisse“.   

Gelten für Online-Kaufhäuser dieselben Regeln wie für Facebook?
Ja. Es wird im Gesetz nicht zwischen Online-Marktplätzen und anderen Plattformen unterschieden. Laut der Arbeiterkammer Wien (AK) ist es allerdings nicht besonders klug. Bei Handelsplattformen gibt es nämlich kaum Anlass für erhöhte Grundrechtsachtsamkeit. Kund*innen können sich nun deshalb bei Einkäufen kaum einen besseren Schutz erwarten als bisher.

Wird das Online-Shoppen also nicht sicherer?
Doch, ein wenig. Es wird eine Rückverfolgbarkeit von Händler*innen eingeführt. Das bedeutet, dass Amazon die Online-Händler*innen etwa überprüfen muss, die es auf seiner Plattform zulässt. Allerdings haftet Amazon weiterhin nicht dafür, wenn sich etwa ein Fake-Shop mit einem falschen Impressum die Auflistung auf der Handelsplattform erschleicht.

Ändert sich bei der Online-Werbung etwas?
Bei Minderjährigen soll es ein Verbot von Online-Tracking zu Werbezwecken geben. Bei Erwachsenen darf personalisierte Werbung angezeigt werden, außer wenn es um die Bereiche sexuelle Orientierung oder politische Einstellung geht. Das wird künftig verboten. Die Netzwerke müssen auch hier anzeigen, wie die Anzeige zustande gekommen ist sowie die Möglichkeit, gewisse Parameter selbst zu ändern.

Und das ist jetzt alles?
Nicht ganz. Es soll auch ein generelles Verbot für „Dark Patterns“ geben. Nutzer*innen dürften in Zukunft also nicht mehr von irreführenden Designs auf Websites zu Handlungen verleitet werden. Das betrifft Websites, die euch dazu verleiten wollten, ein bestimmtes Produkt zu kaufen. Etwas ablehnen wird in Zukunft online genauso einfach sein, wie einer Sache zuzustimmen.

Wo liegt der Haken?
Für manche Interessensvertreter*innen greift der Entwurf nicht weit genug. Zimmer von der AK Wien erklärt etwa, dass im Bereich der personalisierter Werbung der Gedanke aus den 1990ern, in dem es darum ging, Konsument*innen vor Werbung, die ungefragt via E-Mails verschickt wird, zu schützen, nicht weitergedacht wurde.

Auch Tom Jennissen von der Digitalen Gesellschaft kommentiert: „Wir haben uns insbesondere vom Europaparlament einen mutigeren Wurf erhofft. Eine ernstgemeinte Plattformregulierung sollte dem massenhaften Ausspähen und der detaillierten Profilbildung von Nutzenden zwecks personalisierter Werbung  einen Riegel vorschieben. Mit etwas mehr Transparenz wird den großen Internetkonzernen und ihren problematischen Geschäftsmodellen nicht beizukommen sein.“

Wann treten die neuen Regeln in Kraft?
Die EU-Kommission hat im Dezember 2020 ihren Entwurf für den Digitalpakt vorgelegt. Die EU-Staaten haben sich ein Jahr später auf ihre gemeinsame Position geeinigt. Nun ist das Parlament dran. Danach beginnt der sogenannte „Trilogprozess“, bei dem sich alle drei Institutionen einigen müssen. Die Verhandlungen dazu sollen bis Jahresende abgeschlossen sein. Die Regeln gelten dann voraussichtlich ab 2023.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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