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Netzpolitik

Lieferstopp von Aliexpress: Jetzt prüft die EU die umstrittene Verordnung

Seit Anfang des Jahres gibt es bei vielen Onlineshops, wie z.B. Aliexpress, einen Lieferstopp nach Österreich. Grund dafür ist eine neue Verpackungsverordnung. Diese erschwert die Lieferung nach Österreich, weil ein notariell beglaubigter Bevollmächtigter im Land benötigt wird. Doch darauf verzichten viele Onlinehändler, weil Österreich als Marktplatz zu klein für sie ist. Die Verordnung, die vom Klimaschutzministerium beschlossen wurde, sollte eigentlich zum Umweltschutz beitragen. „Händler sollen ihren Beitrag am Recycling leisten“, heißt es seitens des Ministeriums auf futurezone-Anfrage.

Doch stattdessen entsteht durch die Umsetzung der Verordnung ein neues Umweltproblem, das man im Klimaschutzministerium nicht am Radar gehabt hat: Die Verordnung führt dazu, dass viele Elektrogeräte jetzt nicht mehr repariert, sondern stattdessen weggeworfen werden. Viele, die Waschmaschinen oder Staubsaugroboter eigentlich reparieren möchten, sind verzweifelt, weil sie keine adäquaten Ersatzteile mehr bekommen. 

Fertigung in China

Sensoren und viele andere elektronische Kleinstteile werden nämlich ausschließlich in China gefertigt, die Produktion wurde vor zig Jahren vollständig ausgelagert. Doch gerade aus China, etwa über den Marktplatz AliExpress, kommen kaum noch Pakete in Österreich an. Kaum einer der auf AliExpress gelisteten Händler hat sich die Mühe gemacht, sich einen Bevollmächtigten in Österreich zu suchen. Damit kommt es hierzulande zu einem Mangel an Ersatzteilen. Sie können teilweise gar nicht mehr oder nur für den vielfachen Preis über Dritthändler erworben werden. Die Dritthändler sitzen meist in anderen EU-Ländern. Somit müssen die Ersatzteile, bis sie in Österreich landen, längere Wege zurücklegen, die mit mehr Emissionen verbunden sind. Und außerdem müssten auch diese Händler einen Bevollmächtigten haben, um offiziell nach Österreich verschicken zu dürfen.

Einer, der deshalb richtig wütend ist, ist Michael Radhuber aus Oberösterreich. Er hat im Jänner eine Petition auf change.org gestartet, die bereits mehr als 5.000 Personen unterstützen. „Wenn bei mir ein Gerät kaputt wird, sehe ich nach, was für ein Teil betroffen ist“, sagt Radhuber im Gespräch mit der futurezone. „Bei einem Akkuschrauber, der 200 Euro gekostet hat, habe ich etwa eine Schaltplatine ausgewechselt, als diese kaputt war. Ich habe das Gerät repariert. Jetzt kann ich das Ersatzteil nicht mehr bekommen“, sagt der Umweltökonom. Auch eine Waschmaschine, die nicht einmal ein Jahr alt war, habe er mithilfe einer 80-Cent-Diode aus China repariert. Diese hätte er andernfalls als Ganzes ersetzen müssen, da eine Reparatur sich ansonsten nicht mehr finanziell gelohnt hätte. 

Erfolgreiche Beschwerde bei der EU

„Mich stört es enorm, dass ich nicht mehr direkt vom Produzenten bestellen kann, sondern verpflichtet werde, über Zwischenhändler zu einem wesentlich höheren Preis einzukaufen“, sagt Radhuber. Neben einer Petition hat Radhuber auch eine Beschwerde bei der EU-Kommission angestoßen – mit Erfolg. Da sich viele Menschen in Österreich bei der EU-Kommission gemeldet haben, hat diese beschlossen, die Verpackungsverordnung nun offiziell zu prüfen. Es wird untersucht, ob ein Vertragsverletzungsverfahren eingebracht wird oder nicht. "Es kann (...) sein, dass die bei der Kommission eingereichte Beschwerde nicht dazu führt, dass in Ihrem konkreten Fall eine Lösung gefunden wird", heißt es allerdings in der Antwort der EU auf die eingebrachte Beschwerde (PDF).

Das Klimaschutzministerium verweist auf futurezone-Anfrage darauf, dass die Richtlinie „auf Vorgaben des EU-Abfallrechts“ beruhe. Allerdings gibt es eine derartige Umsetzung bisher nur in Österreich. Das wiederum ist auch den Neos ein Dorn im Auge. „Es haben sich österreichische Unternehmen bei uns gemeldet, die sich benachteiligt fühlen, weil sie Ersatzteile nur noch teuer bekommen und weil für den kleinen Markt Österreich jetzt andere Regeln gelten wie in der restlichen EU“, sagt Gerald Loacker, Neos-Parlamentarier zur futurezone. Die Neos haben deshalb Ende März eine parlamentarische Anfrage eingebracht. „Das Gewicht des österreichischen Absatzmarktes, vor allem aus Sicht eines Produzenten in Asien, wird vonseiten der Ministerin wohl maßlos überschätzt", heißt es darin. 

Keine Änderungen in der Verordnung geplant

Das Klimaschutzministerium scheint die Verordnung allerdings nicht adaptieren zu wollen. Es wird weiter darauf gesetzt, dass ausländische Händler tätig werden müssen, wenn sie Österreich beliefern wollen. Es wird darauf verwiesen, dass der Prozess auch für kleinere internationale Händler „durchaus zu bewerkstelligen“ sei: „Wir haben bereits über 4.500 entsprechende Anträge erhalten und bearbeitet“, heißt es seitens des Ministeriums.

"Wenn sich große internationale Händler nicht an die Regeln der Herstellerverantwortung halten, müssten nämlich am Ende jene die Kosten für Recycling und Entsorgung tragen, die sich gesetzeskonform verhalten. Das gilt es jedenfalls zu verhindern", so das Ministerium. Für Loacker ist das "das Ergebnis, wenn man einen Tunnelblick hat und nicht das Gesamtbild sieht."

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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