Symbolbild: Obdachlosen-Lager in Los Angeles County

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Netzpolitik

Stadt trainiert KI, um Obdachlosen-Lager zu erkennen

San José hat knapp eine Million Einwohner*innen. Die Stadt liegt inmitten des Silicon Valleys, in Kalifornien, USA. Das hat in den vergangenen Jahren für einen enormen Preisanstieg bei Immobilien gesorgt.

Laut einem Bericht der Stadt müsse man ein Jahresgehalt von 96.080 US-Dollar haben, um sich effektiv die Miete für eine Ein-Schlafzimmer-Wohnung leisten zu können. Zum Vergleich: Als Pflegekraft in San José verdient man durchschnittlich 44.672 US-Dollar pro Jahr, als Verkäufer*in 45.907 US-Dollar.

Das hat zu einem starken Anstieg von Obdachlosigkeit geführt. Die offizielle Zahl ist von 4.200 im Jahr 2009 auf 6.200 im Jahr 2023 gestiegen. 2/3 davon haben keinen Platz in Obdachlosenunterkünften der Stadt gefunden und leben im Freien, etwa in Wohnwägen, Pkw und Zelten. Die Unterkunftslosen haben teilweise Vollzeitberufe, können sich aber eben keine Wohnung leisten.

Anstatt mehr Unterkünfte für Obdachlose zu bauen, investiert San José lieber in Künstliche Intelligenz (KI), die beim Vertreiben der Unterkunftslosen helfen soll, berichtet der Guardian.

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KI erkennt Wohnwägen, in denen Menschen leben

Im Juli 2023 wurden erstmals Unternehmen eingeladen, eine KI zu trainieren, um Lager von Obdachlosen zu erkennen. Anhand von Videomaterial sollen mit mindestens 70 Prozent Genauigkeit Zelte, Wohnwägen und Pkw, in denen Obdachlose leben, erkannt werden.

Seit Dezember 2023 fahren Mitarbeiter*innen der Stadt dazu mit Autos durch den 10. Bezirk, die mit Kameras ausgestattet sind. Wird ein verdächtiger Wohnwagen, Pkw oder ein Zelt entdeckt, wird überprüft, ob darin wirklich jemand wohnt, oder ob etwa der Wohnwagen nur von der Besitzer*in vor dem Haus abgestellt wurde. Die Daten werden dann an die teilnehmenden Unternehmen übermittelt.

Der 10. Bezirk wurde für den Pilotversuch gewählt, weil es dort eine große Ansammlung an Obdachlosen gibt. Dort befindet sich auch der einzige offizielle Parkplatz für Wohnwägen, die oft von Obdachlosen genutzt werden.

Laut der Stadt würden die KIs der Unternehmen derzeit zu 70 bis 75 Prozent Wohnwägen erkennen, in denen Menschen wohnen. Indikatoren dafür sind etwa abgedeckte Fenster, Müll beim Wohnwagen und wie lange der Wohnwagen nicht bewegt wurde. Bei Pkw sei die Trefferquote mit 10 bis 15 Prozent noch sehr gering.

San José räumt Obdachlosen-Lager

Die Stadt betont, dass man nicht Obdachlose selbst identifizieren wolle, sondern nur deren Behausungen. Dies solle der Stadt dabei helfen, Services anzubieten. Allerdings sind damit nicht Dienste gemeint, um den Obdachlosen zu helfen.

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Seit Beginn des Jahres gab es bei der Stadt-Hotline schon 914 Beschwerden über Obdachlosen-Lager. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2023 gab es nur 769 Beschwerden zu Schlaglöchern. Ziel des KI-Projekts sei, die Beschwerden über die Obdachlosen „effizienter“ zu bearbeiten. Man würde etwa Mitarbeiter*innen zu einem einzelnen Zelt schicken, um zu verhindern, dass sich dort eine Ansammlung Obdachloser bildet.

San José ist nicht bekannt dafür, zimperlich mit Obdachlosen umzugehen. So ist etwa ein Gesetz geplant, das bewohnte Wohnwägen und Pkw in der Nähe von Schulen verbieten soll. Im Herbst wurde ein etwa 0,8 Kilometer langer Streifen beim Guadalupe-River-Pfad geräumt. Das Gebiet soll zu einer „No Return Zone“ für Obdachlose werden. Heuer gab die Polizei Obdachlosen in einem Camp in der Nähe des Columbus Parks 72 Stunden Zeit zur Räumung – dort entstand nämlich ein Hundepark mit einer Fläche von 20.000 Quadratmetern.

Automatisierte Anzeigen befürchtet

Bürgerrechtler*innen sehen die KI-Bemühungen von San José sehr kritisch. Sie vermuten, dass die Stadt per KI entdeckte Zelte und bewohnte Wohnwägen automatisiert an die Polizei melden wird, damit diese die Obdachlosen vertreiben.

Die Stadt San José hat offiziell noch nichts zu solchen Vorhaben gesagt. Im nächsten Schritt werde analysiert, ob das Pilotprojekt sinnvolle Daten liefert. Falls ja, könne man sich vorstellen, künftig mehr Fahrzeuge der Stadt mit Kameras auszustatten, die im normalen Einsatz zusätzlich Videomaterial sammeln. Wenn die KI besser wird, könnte man dann etwa auch automatisiert entlaufene Katzen und Hunde aufspüren, Falschparker*innen erkennen und Bäume, die gestutzt werden müssen.

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