Alexa macht Milliardenverluste: Was ist los mit Sprachassistenten?
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Im November 2014 brachte der Techriese Amazon seinen Sprachassistenten „Alexa“ auf den Markt. Über Amazons smarten Lautsprecher „Echo“ kann Alexa per Sprachsteuerung das Wetter ansagen, Musik abspielen oder den Wecker stellen. Die Erwartungen an Alexa waren damals hoch. Der US-Fernsehsender CNN bezeichnete sie etwa als „Computer der Zukunft“.
Doch der Sprachassistent wird den Hoffnungen von Medien und Hersteller nicht gerecht. Alexa sei ein „kolossaler Misserfolg“ sagt ein Ex-Mitarbeiter. Amazon fuhr Berichten zufolge in den ersten 3 Monaten des Jahres mit Alexa einen Verlust von 3 Milliarden US-Dollar ein – doppelt so viel wie jede andere Abteilung des Online-Versandhauses. Auch Google musste zuletzt Personal in seiner Google-Assistant-Abteilung abbauen. Es drängt sich die Frage auf: Was ist los mit Sprachassistenten?
Hinkendes Geschäftsmodell
Über die reinen Nutzungszahlen von Sprachassistenten können sich Anbieter nicht beklagen. 32 Prozent aller US-Amerikaner*innen haben 2021 mit Alexa interagiert. Übertrumpft wird sie nur von Apples Siri mit 34 Prozent. In Österreich besitzen aktuell 17 Prozent einen smarten Lautsprecher. Und dem Markt wird weiteres Wachstum prognostiziert.
Warum die Sprachassistenten dennoch in Geldnot stecken, erklärt Christopher Frauenberger, Forscher am Center for Human-Computer-Interaction der Universität Salzburg: „Die Dinge, die Menschen mit Sprachassistenten machen, sind banal. Sie stellen eine Eieruhr ein, suchen nach einem Lied, das sie gerade im Radio gehört haben, oder schalten vielleicht das Licht an“. Amazon hatte aber stets gehofft, dass Nutzer*innen Alexa nicht nur triviale Befehle erteilen, sondern mit ihr auf Shopping-Tour gehen. Und zwar auf Amazon. So wollte der Konzern zusätzliche Gewinne einstreifen. „Aber auch Daten über das Kaufverhalten von Menschen bekommt Amazon ohne solche Interaktionen natürlich nicht“, erklärt Frauenberger.
Dass das Geschäftsmodell nicht aufgegangen ist, belegt auch Amazon selbst. Alexa verzeichnete im vierten Jahr nach ihrem Marktdebüt eine Milliarde Interaktionen pro Woche, berichten US-Medien. Der Löwenanteil dieser Interaktionen entfalle auf triviale Befehle und nicht auf Käufe, die für Amazon gewinn- oder datenbringend sind.
Nervige Handhabung frustriert Nutzer
Dass Alexa, Google Assistant oder Siri nur triviale Befehle erteilt werden, liegt zum einen an der Handhabung, wie Frauenberger erklärt: „Computer haben in Konversationen mit Menschen keine hohe Fehlertoleranz“. Unabsichtliche Aktivierungen der Geräte seien immer noch alltäglich und würden Nutzer*innen frustrieren, sagt der Forscher.
Hinzu komme eine fehlende Transparenz bei Onlinekäufen. „Das Feedback, wenn ich etwas im Browser bestelle, ist natürlich viel besser“, so Frauenberger. Dort sehen Nutzer*innen in der Regel sofort eine Benachrichtigung, die den Kauf bestätigt. Dies fehle bei Geräten wie Alexa.
Versunken im „Uncanny Valley“
Zum anderen befindet sich der Mensch laut Frauenberger im Hinblick auf Sprachassistenten in einer Art Vertrauenskrise. „Technologisch hat sich bei Sprachassistenten einiges getan in den letzten 10 Jahren“, hält der Wissenschaftler fest. Das bestätigt auch Amazon gegenüber der Washington Post. Die Spracherkennung habe sich „trotz immer komplexerer Anfragen“ von Nutzern*innen „deutlich verbessert“, verspricht das Unternehmen. „Aber Menschen stellen sich weiterhin die Frage: Was ist das, mit dem ich da rede?“, so Frauenberger.
Für viele Nutzer*innen könnten sich Sprachassistenten im sogenannten „Uncanny Valley“ befinden, mutmaßt der Forscher. Das Uncanny Valley bezeichnet einen paradoxen Effekt in der Psychologie: Die menschliche Akzeptanz für Roboter fällt schlagartig ab, wenn sie echten Menschen sehr ähneln, aber dennoch klar von ihnen zu unterscheiden sind. Diese „Beinahe-Menschlichkeit" von Robotern löst Unbehagen bei Betrachter*innen aus.
Alexa, Google Assistant oder Siri, die oft mit irritierend großem Selbstbewusstsein Antworten geben, könnten bei vielen eben so ein Unbehagen hervorrufen - und damit für weniger Akzeptanz unter der User*innenschaft sorgen.
Hey Alexa, bist du sexistisch?
Was für das Uncanny Valley spricht? Häufig ist es nicht nur die Handhabung der Sprachassistenten, sondern auch ihre Persönlichkeit, die Nutzer*innen zu irritieren scheinen. Alexa prahlt beispielsweise stets mit ihren Fähigkeiten und bietet unaufgefordert an, zusätzliche Aufgaben zu erledigen.
Das sorgt bei Nutzer*innen für Unmut. Die TikTokerin OfficiallyDivinity kritisiert in einem Video zum Beispiel, dass Alexa ein „Pick-Me-Girl" sei. Das ist ein Begriff für Frauen, die bereit sind, alles für Anerkennung ihres Gegenübers zu tun. Das TikTok-Video wurde bereits mehr als 750.000 Mal aufgerufen.
Und generell ist Sexismus bei Sprachassistenten ein Problem. Sie alle haben standardmäßig eine weibliche Stimme und, wie die UNESCO in einem vor wenigen Jahren veröffentlichten Bericht festhält, unterwürfig. Laut Wissenschaftler Frauenberger befänden sich Sprachassistenten derzeit jedenfalls auf einem Wachstumsplateau. Wie lange noch, lasse sich nicht sagen.
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