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Apple AirTags im Test: Mit einer Milliarde Leute Schlüssel suchen

Objekte verlegen oder verlieren - das soll mit den Apple AirTags Geschichte sein.

Wer kennt das nicht? Man ist ohnehin spät dran, findet dann auch noch Schlüssel oder Geldtasche nicht. Es soll auch Leute geben (mich), die diese Gegenstände oft im Büro vergessen - inklusive Panikattacken, ob man sie verloren hat oder bestohlen wurde. Und dann war da noch ein nicht näher genanntes Familienmitglied, das die Geldbörse nach einem Einkauf vermisste. Sie wurde nach vergeblicher Suche zufällig entdeckt: im Kühlschrank.

Mit den AirTags will Apple dieses Alltagsproblem aus der Welt schaffen. Die 11 Gramm leichten Tracker sollen Gegenstände aller Art über Apples „Wo ist?“-Netzwerk auffindbar machen. Die Funktion ist von iPhones, iPads und Macs bekannt. Das Besondere an den Airtags ist, dass sie keinen GPS- oder Mobilfunkchip verbaut haben, sondern mittels Bluetooth über andere (fremde) Apple-Geräte in der Nähe aufgespürt werden können. Über 1 Mrd. Geräte nutzen die Funktion bereits und helfen so bei der Suche.

Einfache Installation

Das Registrieren eines AirTags ist super einfach und dauert nur wenige Sekunden. Man hält diesen an ein iPhone oder iPad mit iOS/iPadOS 14.5. Auf dem Bildschirm „verbinden“ klicken und AirTag benennen. Apple gibt eine bestimmte Auswahl von Fahrrad bis Schlüssel vor, man kann aber auch einen eigenen Namen wählen. Dann noch mit der eigenen Apple-ID koppeln und das war‘s.

Die Ortung, inklusive der Präzisionssuche bis auf wenige Meter wird über die „Wo ist?“-App abgewickelt, wo der Menüpunkt „Objekte“ dazugekommen ist. Über diese kann man einen Gegenstand auch als „verloren“ melden und eine Nachricht hinterlassen, die dem potenziellen Finder angezeigt wird. Das funktionierte im Test auch über ein NFC-fähiges Android-Handy.

Haptik und Design

Die runden Airtags sind kleiner und leichter als gedacht, die Buttons haben eine weiße Plastikvorderseite, die mit einem Emoji bzw. maximal vier Buchstaben gratis personalisiert werden kann. Die Rückseite, wo das Apple-Logo eingraviert ist, ist aus Stahl und wirkt edel – allerdings nur die paar Minuten, in denen man den AirTag noch nicht wirklich benutzt hat. Sie erinnert an die glänzende Rückseite früherer iPods und zerkratzt sehr schnell.

Ein AirTag kostet 35 Euro, im 4er-Pack werden 119 Euro fällig. Als Zubehör bietet Apple Schlüsselanhänger in blauem, braunem und rotem Leder (39 Euro) sowie Anhänger für Rucksäcke, Kameras etc an, die es in mehreren Polyurethan-Farben (35 Euro) sowie aus braunem oder rotem Leder (45 Euro) zu kaufen gibt. Vor allem die Leder-Varianten fühlen sich absolut hochwertig an. Wer sparen will, kann auf Zubehör von Drittherstellern ausweichen.

Betrieben werden die AirTags von CR2032-Knopfzellen, die selber ausgetauscht werden können. Sie sollen über ein Jahr lang halten.

Szenario 1: Zuhause suchen

Die AirTags funktionieren mit allen iPhones, die iOS 14.5 unterstützen. Um Schlüssel oder Geldbörse zuhause zu finden, benötigt man aber ein iPhone 11 oder 12. Diese verfügen wie die AirTags über den Ultrabreitband-Chip U1, der zusammen mit Kamera, AR- und anderen Sensoren eine weitaus präzisere Ortung als Bluetooth oder GPS zulässt. Im Test klappte das hervorragend. Auf dem iPhone-Display bekommt man zunächst angezeigt, dass sich der Gegenstand verbunden hat, das Signal aber schwach ist. Ist dies der Fall, kann man davon ausgehen, dass sich der Gegenstand nicht im Zimmer befindet.

So arbeitet man sich von Raum zu Raum vor, bis plötzlich die Anzeige kommt, dass das Objekt nur mehr wenige Meter entfernt ist. Dann ist es ein bisschen wie bei der Ostereiersuche, außer dass dieses Mal das iPhone mit Pfeilen und haptischem Feedback hilft, wo genau der Gegenstand zu finden ist. In der Wohnung schlug die Präzisionssuche jeweils ab etwa 4 Meter Abstand an. Zusätzliche Hilfe bietet ein akustisches Signal, das beim AirTag ausgelöst werden kann und erstaunlich laut ist. Der von meinem Freund im Kasten versteckte Schlüssel wurde so in einer Minute gefunden.

Szenario 2: Das Rad orten

Wer vergisst, wo er vor der durchzechten Nacht das Rad abgestellt hat, oder dieses nach einem Diebstahl orten will, kann auch dafür einen AirTag verwenden. Für den Test klebte ich diesen behelfsmäßig unter den Sattel und ließ meinen Freund das Rad an einen unbekannten Ort in Wien bringen. Da er kein iPhone mithatte, konnte die Ortung folglich nur über fremde Apple-Geräte in der Nähe stattfinden. Das klappt in der Stadt erstaunlich schnell. Nach 10 Minuten Funkstille bekam ich den ungefähren Ort angezeigt.

In der Praxis gestaltet sich die Suche im Freien etwas schwieriger. Denn anders als in der Wohnung ist der Umkreis größer, wo das Objekt theoretisch zu finden ist. Apple hat aber auch das clever gelöst. So schlug die Präzisionssuche draußen schon bei 24 Meter an. Ob das den fehlenden Wänden geschuldet ist oder Apple das so programmiert hat, dass Objekte außerhalb der gespeicherten Heimadresse mit mehr Abstand geortet werden, ist unklar. Auf diese Weise konnte ich das Fahrrad jedenfalls schnell finden.

Pro-Tipp aus eigener Erfahrung: Wer die Funktion draußen verwendet, sollte auf seine Umgebung aufpassen, um auf der Suche nicht von anderen Verkehrsteilnehmer*innen über den Haufen gefahren zu werden.

Szenario 3: Den Freund im Wald tracken

Um das vieldiskutierte Tracking einer Person zu simulieren und die AirTags im ländlichen Raum zu testen, gab ich meinem Freund meinen Schlüsselbund mit. Schnell wurde dabei klar: für lückenloses Tracking in Echtzeit sind die AirTags nicht vorgesehen. Auf dem Weg ins WWF-Auenreservat meldete der AirTag sich im Abstand von etwa 10 Minuten noch zwei Mal aus Wien. Nach 50 Minuten wurde sein Ort mit Angerner Bundesstraße bei Gänserndorf angezeigt, danach war mehr als zwei Stunden Funkstille.

Die nächste Ortung zeigte allerdings, dass das Konzept nicht nur in der Stadt funktioniert. So konnte ich meinen Freund bzw. meinen Schlüssel beim Unterstand der Konik-Pferde in der Au orten. Zu diesem Zeitpunkt waren sporadisch einige Spaziergänger*innen und einige Reservatsmitarbeiter*innen unterwegs gewesen, von denen zumindest eine*r ein iPhone bei sich gehabt haben muss. Apple zufolge ist für die Ortung nur iOS 13 notwendig, was die Zahl der Geräte enorm vergrößert.

Generell dürfte Apple die AirTags so programmiert haben, dass deren Standort vor allem dann in der „Wo ist?“-App angezeigt werden, wenn der Gegenstand nicht in Bewegung ist. Denn auch mit eingeschaltetem iPhone bei der Rückfahrt wurde der AirTag-Standort nur alle 20 Minuten in die Cloud hochgeladen. Um die Stationen der AirTag-Reise mitzuverfolgen, muss man zudem ständig die „Wo ist?“-App offen haben. Der Verlauf ist nachträglich nicht nachvollziehbar und wird Apple zufolge auch auf den eigenen Servern nicht gespeichert.

Wie hoch ist das Missbrauchspotenzial?

Dass die AirTags theoretisch missbraucht werden können, um eine Person unwissentlich zu tracken, ist auch Apple bewusst. Wer einen fremden AirTag mitführt und ein iPhone besitzt, bekommt nach einer gewissen Zeit einen Hinweis aufs eigene Display. Angezeigt wird dieser an Orten, die das iPhone erkennt, wie etwa zuhause oder am Arbeitsplatz. Das passiert daher meist innerhalb weniger Stunden. Ohne eigenes iPhone schlägt der Tracker erst nach drei Tagen akustisch Alarm. Apple zufolge könnte dieser Zeitraum aber verändert werden, falls es zu Problemen kommt.

Im Diebstahls-Szenario, für das die AirTags ebenfalls nicht primär vorgesehen sind, könnte sich die verzögerte Warnung hingegen als Vorteil erweisen. Denn schlägt der Tracker zu schnell Alarm, wie etwa bei einem Fahrrad, könnte sich die unlautere Person dem AirTag sofort entledigen.

Fazit: Perfekt für das, was es soll

Um verlorene oder verlegte Objekte schnell wiederzufinden, eignen sich die AirTags hervorragend – vorausgesetzt man besitzt ein iPhone 11 oder 12. Die AirTags sind zwar auch mit älteren iPhones mit iOS 14.5 verwendbar und können wertvolle Hinweise liefern, wo sich Gegenstände befinden. Die faszinierende Präzisionssuche funktioniert aber nur mit den neuesten Geräten.

Einmal mehr hat sich Apple für die Umsetzung mehr Zeit als andere gelassen, kann nun aber sämtliche Stärken ausspielen. Dazu gehört nicht nur die verbaute Hardware und das Zusammenspiel mit den Sensoren der neueren iPhones, sondern auch das Netzwerk an 1 Milliarde Apple-Geräten, die „Wo ist?“ verwenden.

Was das anonymisierte und verschlüsselte Tracking über andere Geräte angeht, merkt man, dass sich Apple viele Gedanken gemacht hat. Die präzise Ortung bei größtmöglichem Datenschutz – der AirTag ändert etwa wiederholt die Bluetooth-Kennung, um nicht verfolgbar zu sein – ist eine Gratwanderung. Wenn die AirTags nicht böswillig zweckentfremdet werden, ist das ganze aber gut gelöst.

Es gibt aber auch positive Nutzungsszenarien, die bisher kaum diskutiert wurden. So unterstützt die Präzisionssuche auch Siri und kann folglich über Sprachausgabe und mittels haptischem Feedback am iPhone Blinden oder Sehbehinderten helfen, zuhause wichtige Gegenstände schneller zu finden. Mit den AirTags hat Apple zudem quasi über Nacht ein riesiges Internet der Dinge geschaffen, das einen Blick in eine wirklich vernetzte Zukunft bietet.


Disclaimer: Die AirTags und das Zubehör wurden uns für einen begrenzten Zeitraum von Apple zur Verfügung gestellt

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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Martin Jan Stepanek

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