Fauna im Test: Lautsprecher-Brille ersetzt Kopfhörer
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Kopfhörer gehören für viele zum Alltag, egal ob sie unterwegs sind oder sich die Arbeit (auch im Homeoffice) musikalisch untermalen wollen.
Einige Menschen können mit klassischen Kopfhörern aber gar nichts anfangen. Egal von welchem Hersteller, In-Ear-Kopfhörer fühlen sich für sie unangenehm an und die On- und Over-Ear-Modelle drücken ungut am Kopf.
In manchen Situationen können Kopfhörer sogar gefährlich sein. Man schottet sich damit akustisch von der Umwelt ab – nicht optimal im Verkehr. Und wenn man wieder mal ins Büro „darf“, hört man beim Musikhören die Zurufe der Kolleginnen und Kollegen nicht. Und das nervt – besonders, wenn man der zurufende Kollege ist.
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Lautsprecher statt Kopfhörer
Vom Grazer Unternehmen USound kommt eine mögliche Lösung für all diese Probleme: Fauna (249 Euro). Dabei handelt es sich um eine Brille, die kleine, gerichtete Lautsprecher integriert hat.
Man muss sich also nichts ins Ohr stopfen und keinen kopfpressenden Bügel aufsetzen, um Musik unterwegs zu hören. Da die Ohren frei bleiben und nicht abgeschottet sind, hört man alles in der Umgebung. Ich habe die Fauna getestet.
Sonnenbrille, Blaufilter, optisch
Die Fauna gibt es in 2 Rahmenformen (klassisch und Cat Eye) und mit 2 Glasoptionen: Blaufilter für die Bildschirmarbeit und Sonnenbrillengläser. Bei allen Varianten können die Gläser von einem Optiker durch optische Brillengläser ersetzt werden.
Ich habe für den Test die Spiro Transparent Brown, die Sonnenbrille in klassischer Form, zur Verfügung gestellt bekommen. Auf den ersten Blick sieht sie etwas seltsam aus. Denn die die Lautsprecher-Module sind Schwarz und der Rest halbtransparent, was nicht ganz stimmig wirkt. Hier wäre eine Variante spannend gewesen, bei der auch die Module durchsichtig sind und man die technischen Komponenten sieht.
Abgesehen davon finde ich den Look der Fauna ganz gut. Das Transparente mit der Form hat Retro-Charme, sieht aber zeitlos aus. Bei manchen Frisuren bei weiblichen Gesichtern kann die klassische Form etwas an Großmutter erinnern – hier wäre der Cat-Eye-Rahmen besser.
Tragekomfort
Die Bügel liegen eher eng am Kopf an, was vermutlich nötig ist, damit die Lautsprecher möglichst nahe zu den Ohren kommen.
Die Nase liegt direkt am Plastik auf, wie bei solchen Rahmen üblich. Im Rahmen integrierte Gummiplättchen gibt es nicht. Für meine Gesichts- bzw. Nasenform ist der Rahmen nicht optimal: Die Aussparung für die Nase ist zu breit.
Wenn ich die Brille so aufsetze, dass es sich richtig anfühlt, sind die Pupillen im oberen Drittel – das heißt Sonne kann von oben ins Auge fallen. Damit die Pupillen mittig sind, muss ich die Brille soweit die Nase rauf schieben, dass der Rahmen am Gesicht ansteht.
Das alles in Kombination mit dem etwas höheren Gewicht als bei einer normalen Sonnenbrille (50 statt 40 Gramm), macht die Fauna für mich nicht für längere Tragezeiten, sprich mehrere Stunden am Stück, geeignet.
Ladecase und Akku
Wie bei kabellosen In-Ear-Kopfhörern wird die Fauna in einem Ladecase geladen. Die Kontakte dazu sind auf der Innenseite der Bügel und nur sichtbar, wenn man die Bügel zusammenklappt. Das ist clever gelöst, da beim Tragen die Kontakte so von Außeneinflüssen geschützt sind.
Auch über den Rest der Elektronik muss man sich keine allzu großen Sorgen machen. Die Fauna ist gegen Wassertröpfchen geschützt. Leichter Regen und Schweiß beim Sporteln machen ihr also nichts aus. Badengehen sollte man mit der Fauna aber nicht.
Der Hersteller gibt die Akkuleistung mit bis zu 4 Stunden an. Der Akku des Ladecase reicht für weitere 20 Stunden. Im Test war nach etwas mehr als einer halben Stunde Musikhören und ein 5-minütiges Telefonat der Akku auf 80 Prozent unten. Im weiteren Test hat sich ergeben, dass die realistische Akkulaufzeit im Alltagsgebrauch eher bei 3 als bei 4 Stunden liegt.
Einrichten
Die Fauna ist per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden. Mit dem Samsung Galaxy Note 20 Ultra klappte das Einrichten nicht sofort. Eigentlich sollte man nur das Case öffnen müssen, die Brille ins Etui drücken und das Pairing beginnt. Begonnen hat es laut der akustischen Meldung auch, aber am Handy war die Fauna nicht zu sehen.
Nach mehrmaligen fehlgeschlagenen Versuchen, auch mit 2 anderen Handys, half ein Blick auf das Ende der Papierbeschreibung bei „Mehr zu deiner Fauna“. Hier wird verraten, dass die Fauna durch 4-sekündiges Antippen des rechten Bügels gepairt werden kann. Dieser Tipp, mit dem es schließlich geklappt hat, sollte bei „Verbinden“ unter „Erster Schritte“ stehen und nicht irgendwo am Ende der Anleitung.
Steuern
Die Bedienung der Fauna über die Touch-Steuerung der Bügel ist nicht gelungen. Zweimal antippen links nimmt Anrufe an, beendet sie und pausiert den Song. Da zwischen der Eingabe und Ausführung des Befehls bei der Musikwiedergabe von Spotify über 1,5 Sekunden vergehen, glaubt man öfters, dass die Eingabe nicht erkannt wurde. Auch das von hinten nach vorne Wischen zum Leiserdrehen und vorne nach hinten Wischen zum Lauterdrehen ist nicht intuitiv: Es sollte umgekehrt sein.
Um den nächsten Song abzuspielen, muss man 4 Sekunden lang den linken Bügel gedrückt lassen. Das fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Wenn man als Hersteller eine Eingabe so lange macht, dann doch eigentlich nur, damit sie nicht unabsichtlich passiert – wie etwa das Starten des Bluetooth-Pairings, bei dem man den rechten Bügel 4 Sekunden lang gedrückt lässt.
Ein automatisches Pausieren der Wiedergabe, wenn man die Brille abnimmt oder die Bügel zusammenklappt, gibt es nicht. Immerhin kann der Sprachassistent aktiviert werden, wenn man 2 Mal den rechten Bügel antippt.
Klangqualität
Die Fauna nutzt die von USound entwickelten MEMS-Lautsprecher. Diese Technologie erlaubt es Speaker sehr platzsparend zu bauen. Montiert sind die Mikro-Lautsprecher auf Leiterplatten von AT&S, ebenfalls ein österreichisches Unternehmen.
Trotz geballtem Technologie-Patriotismus kann der Klang nicht ganz überzeugen. Die Töne sind differenziert, was auch an der klar hörbaren Unterscheidung vom linken und rechten Kanal liegt. Der Klang ist aber auch flach und wenig dynamisch.
Akzeptabel klingt es, wenn man mindestens auf 2/3 der Maximallautstärke geht. Bei weniger als 50 Prozent versumpert der Klang aufgrund der geringen Dynamik. Im direkten Vergleich hat ein 15 Euro kabelgebundener In-Ear-Kopfhörer, angeschlossen an die 3,5mm Klinke eines 10 Jahre alten Computers, deutlich mehr Bass und Tiefe (dafür aber zu spitze Höhen).
Das Lautstärken-Dilemma
Dass man die Lautstärke im Vergleich zu normalen Kopfhörern ordentlich nach oben drehen muss, damit man aufgrund des flachen Klangprofils die Musik genießen kann, ist ein Problem. Denn der Hersteller verspricht zwar, dass nur der Träger der Brille den Sound hört, aber das geht nur bei geringen Lautstärken.
In leisen Innenräumen, wie etwa einem Büro, kann eine 2 Meter entfernte Person ab der Laustärke von 1/3 den Song erkennen, den der Fauna-Träger gerade abspielt. Für den Träger hört sich die Musik mit der Lautstärke in etwa so an, als würde irgendwo im Eck ein Radio vor sich hindüdeln. Geht man auf 2/3 bis ¾ der Lautstärke, um die Klangdefizite auszugleichen und so die Musik genießen zu können, hört man den auch Song aus mehr als 4 Metern Entfernung erkennbar.
Im Auto als Beifahrer (Verbrennungsmotor) kann man bis knapp 50 Prozent der Lautstärke gehen, bevor der Fahrer den Song erkennt. Will man also die Umgebung nicht akustisch belästigen, sollte man sehr leise mit der Fauna Musik hören.
Wer ohnehin nur leise Hintergrundberieselung möchte, wird damit zufrieden sein. Für Hörbücher oder Podcasts ist die Fauna dadurch aber nicht geeignet, da man in ruhiger Umgebung um die 50 Prozent Lautstärke braucht, um aktiv zuhören zu können – und dann hören es wiederum andere Leute im Büro.
Keine Chance auf der Straße
Ein Versprechen hält der Hersteller: Mit der Fauna hört man alles in der Umgebung: Jeden Mucks im Büro, jeden Verkehrsteilnehmer auf der Straße.
Das bringt aber ein Problem mit sich. Selbst mit 2/3 der Lautstärke hört man die Musik nicht mehr, wenn man neben einer einspurigen Straße geht und Autos oder Straßenbahn vorbeifahren. Auch bei ¾ ist kaum was zu hören. Wartet man am Zebrastreifen einer mehrspurigen Straße, hört man gar nichts mehr von der Musik.
In öffentlichen Verkehrsmitteln kommt es darauf an, wo man sich aufhält. Sitzt man etwa in der Straßenbahn weitest möglich weg von den Türen, reichen 50 Prozent der Lautstärke. Steht man direkt neben der Tür, muss man auf ¾ hochdrehen – und damit riskieren, dass die anderen Fahrgäste gegen deren Willen mitbeschallt werden.
Freisprecheinrichtung
Das Telefonieren mit Fauna klappt nur zufriedenstellend, wenn beide Gesprächspartner in einem ruhigen Raum sitzen. Ist man als Fauna-Träger im Freien, muss man die Lautstärke auf 100 Prozent drehen und selbst dann hört man das Gegenüber nur sehr leise.
Das Gegenüber wiederum hört einen auch sehr leise, abgehackt und wenn Wind geht überhaupt nicht. Einer von mehreren Kollegen, die ich für den Test angerufen habe, drückt es so aus: „Wüsste ich nicht, dass du die Brille testest, hätte ich gesagt, dein Handy ist kaputt.“
Begleit-App mit Whistles
Für Fauna gibt es eine gleichnamige Begleit-App. Einstellungen oder einen Equalizer gibt es hier nicht. Die App dient um „Whistles“ einzustellen für User, die die Brille dauerhaft bei der Arbeit tragen.
Zuerst beantwortet man ein paar Fragen darüber, wie man die Brille nutzt und arbeitet. Danach bekommt man ein Profil zugewiesen. Ich bin ein „Mindful Performer“. Was genau das bringt oder heißt, wird weder in der App, noch auf der Fauna-Website erklärt. Auf Nachfrage beim Hersteller kommt heraus, dass die Profile bestimmen, welche „Whistles“ einem in der App vorgeschlagen werden.
Die Whistles sind eine Art Mini-Apps. Hier kann man sich etwas regelmäßig akustisch erinnern lassen, Wasser zu trinken, sich aufzurichten oder Pause zu machen. Die Sound Loops spielen in einstellbaren Intervallen (alle 30 bis 180 Minuten) zweieinhalb minütige Musik ein, die etwa entspannen oder neue Energie geben soll. Im Test haben nur 3 von 6 dieser Sound Loops funktioniert, die anderen blieben stumm.
Spannend ist, dass die Voreinstellung für den „Sleep Well“-Whistle eine Erinnerung alle 30 Minuten, Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr, vorsieht. Beschrieben wird er mit „Schließe deine Augen und lass dich von dieser Klang-Erfahrung ins Träumeland bringen“ – frei übersetzt, da die App nur in Englisch verfügbar ist.
Fazit
Das Konzept von Fauna ist gut, aber es geht nicht ganz auf. Entweder bräuchte der Klang mehr Volumen, um auch bei geringen Lautstärken gut zu klingen, oder die Lautsprecher müssten noch mehr gerichtet sein, damit weniger Töne an die Umwelt weitergegeben werden.
Dies würde die Brille dann zumindest fürs Büro und die öffentlichen Verkehrsmittel geeignet machen. Ist man zu Fuß im urbanen Gebiet unterwegs oder per Fahrrad, bringt die Fauna nichts, weil der Straßenlärm die Musik übertönt.
Und das Beispiel, dass man Fauna alleine im Homeoffice nutzen kann oder um sich im Sommer damit auf die Wiese zu legen, hinkt: Hier könnte man auch einen Bluetooth-Speaker verwenden, der für deutlich weniger als 249 Euro zu haben ist.
Das schränkt die Zielgruppe ziemlich ein. Fauna ist demnach für Menschen geeignet, die mit leiser Hintergrundberieselung bei der Bildschirmarbeit zufrieden sind, wenn sie dafür auf Kopfhörer verzichten können oder beim Job in ruhiger Umgebung immer ansprechbar sein wollen – trotz leiser Musikwiedergabe.
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