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Das Elektroauto Sion vom deutschen Start-up Sono Motors hat Solarzellen in seiner Außenhaut, um einen Teil des Stromes, den es benötigt, selbst herzustellen

© David Kotrba

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Sion: Probesitzen im Solar-E-Auto mit ungewisser Zukunft

Die Geschicke des Münchner Start-ups Sono Motors verfolgt die futurezone seit Jahren. Sein Traum ist es, ein mit Solarzellen übersätes Elektroauto auf den Markt zu bringen.

In Produktion gegangen ist der Sion immer noch nicht. Trotz mehrerer erfolgreicher Finanzierungsrunden und ständiger Weiterentwicklung steht seine Zukunft auf der Kippe. Im Rahmen seiner jüngsten Crowdfunding-Kampagne #savesion gibt es einen letzten Rettungsversuch.

Sono Motors macht dazu eine Roadshow mit 14 Stationen in Europa. Am heutigen Dienstag gibt es in Wien den letzten Stopp, bevor am Donnerstag eine große Bekanntgabe folgt. Dabei wird bekannt gegeben, ob das Projekt Sion überhaupt weitergeführt wird. Ich habe die möglicherweise letzte Gelegenheit genutzt, um mir den Sion genauer anzusehen.

Sion zu Besuch in Wien

Überraschend großes Teil

In einer Halle im dritten Wiener Gemeindebezirk herrscht reger Andrang. Gekommen sind Elektromobilitäts-Enthusiast*innen, Technikstudent*innen und auch Menschen, die bereits einen Sion vorbestellt haben. Ausgestellt werden 2 Exemplare aus der Serienvalidierungsflotte des Sion. Sie sind so nah am endgültigen Serienmodell, dass sie für Dinge wie Crashtests oder Dauerbelastungstests verwendet werden können.

Was gleich auffällt, ist die Größe der Fahrzeuge. Der Sion ist kein Kleinwagen, er spielt in einer ähnlichen Liga wie ein VW Touran. Seine Form ähnelt ein wenig einem Peugeot 5008: Rund 4,5 Meter Länge, langgezogenes Dach, steile Heckklappe. Auf der Außenhaut des Sion sind die eingebauten Solarzellen klar erkennbar. Die Zellen sind fix in die Polymer-Außenhaut des Fahrzeugs integriert. Die Technologie beherrscht Sono Motors so gut, dass sie andere Fahrzeughersteller damit beliefert. Dieser Geschäftsbereich wird wahrscheinlich selbst dann fortbestehen, wenn es mit dem Sion vorbei sein sollte.

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Der Wille zum Teilen auf der Türschnalle

"Made to be shared"

Die Türschnallen des Sion wirken fast ein wenig altmodisch, aber sie drücken ganz gut die Philosophie des Herstellers aus: An unwichtigen Stellen sparen und dafür ein leistbares, familientaugliches Elektroauto kreieren, das einen Teil seiner Ladung selbst erzeugt. Wer genauer hinschaut, erkennt auf den Schnallen auch die Gravur "Made to be shared". Mit Hilfe einer App soll der Sion zukünftig möglichst einfach an Menschen ausgeliehen werden können, die sich selbst kein Auto anschaffen können oder wollen.

Am Fahrersitz sitzend erblickt man 2 Displays vor sich. Das Größere ist ein Touchscreen, zentral am Armaturenbrett. Physische Bedienelemente sind spärlich vorhanden. Das Lenkrad wird für das Serienmodell noch mit einer Reihe von Knöpfen ausgestattet, die an einer anderen Stelle in der Ausstellungshalle präsentiert werden.

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Totes Moos sieht auch schön aus

Moos nur noch als Deko

Sehr auffällig ist eine bläulich-grünlich beleuchtete Vitrine, hinter der man Moos erblickt. Ursprüngliche Idee war es, die Innenraumluft durch lebendiges Moos filtern zu lassen. Das hat sich allerdings als nicht praktikabel erwiesen. Das Moos lebt nun nicht mehr, wurde eingefärbt und dient lediglich als Dekoration. Die restliche Fahrer*innen-Umgebung wirkt im Serienvalidierungsmodell noch sehr provisorisch. Es geht um andere Dinge. Die Mittelkonsole beherbergt etwa Not-Ausschalter und einen Feuerlöscher.

Eine Reihe weiter, auf der Rückbank, habe ich erstaunlich viel Platz. Trotz meiner Höhe von 1,90 Meter gibt es noch genügend Freiraum bis zur Decke. Wie mir ein Sono-Motors-Mitarbeiter versichert, kann man auch 3 Kindersitze nebeneinander auf der Rückbank unterbringen. Isofix-Halterungen sind aber nur für 2 davon auf der Rückbank vorhanden. Am Beifahrersitz gibt es ebenfalls eine Isofix-Halterung.

Eigentümliche Kofferraumgestaltung

Die Rückenlehnen der Rücksitze lassen sich flach umlegen, um gemeinsam mit dem Kofferraumboden eine ebene Ladefläche zu bilden. Der Kofferraumboden ist dazu allerdings relativ hoch angesiedelt. Öffnet man die Heckklappe, sieht man eine deutliche Stufe zwischen Klappenrahmen und Kofferraumboden. Der Boden lässt sich anheben, darunter befindet sich ein ordentlich tiefer weiterer Laderaum. Laut Sono-Motors-Mitarbeiter soll die Serienversion einen Kofferraumboden erhalten, den man zusammenfalten oder bei Bedarf ganz entfernen kann.

Der Kofferraum ist so oder so ziemlich geräumig. Die Seitenscheiben sind relativ schmal, was den Rundumblick von den Vordersitzen erschwert. Zum Einparken gibt es immerhin eine Heckkamera. Auch zentral hinter der Windschutzscheibe vorne erkennt man eine Kamera. Sie dient gemeinsam mit Radarsensoren einem Spurhalteassistenten und einem Abstandswarner, die zukünftig verpflichtend von der EU vorgesehen sind.

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Die Ladekante wird durch den hoch angesiedelten Kofferraumboden höher als sie sein müsste

Android Auto an Bord

Das Bordentertainment-System im ausgestellten Sion verrät noch nicht allzu viel über die endgültigen Funktionen. Bei mehreren Menüpunkten heißt es, diese Funktion folge erst im Serienmodell. Android Auto wird jedenfalls verfügbar sein. Außerdem gibt es Verbrauchsstatistiken, wie es sich für ein Elektroauto gehört.

Fehlertolerante Reifen

Äußerlich auffällig am Sion sind die Reifen. Im Vergleich zu vielen aktuellen Automodellen sind sie mit 16 Zoll relativ klein dimensioniert. Auf eine ausgefallene Radkappe verzichtet Sono Motors. Stattdessen wurde die Stahlfelge an potenzielles Carsharing angepasst. "Denn was passiert als erstes, wenn jemand ein Auto ausborgt: Er fährt an Randsteine an." Beim Sion-Reifen rage der Gummi daher seitlich absichtlich weiter über die Felge hinaus, sagt ein weiterer Sono-Motors-Mitarbeiter.

Unter der Motorhaube sitzt ein 120-kW-Elektromotor. Der 54-kWh-Akku kann über einen CCS-Anschluss unter dem Sono-Motors-Logo an der Fahrzeugfront mit bis zu 75 kW schnell geladen werden. Außerdem an Bord ist ein bidirektionales Ladegerät. Der Sion kann geladenen Strom also bei Bedarf auch wieder abgeben, entweder per Typ-2-Anschluss (11 kW) oder Schuko (3,7 kW).

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Die Reifen des Sion: Erfrischend normal

Einstellung des Sion fiele schwer

Zur Roadshow in Wien erscheint auch Sono-Motors-CEO Jona Christians. Er lässt sich noch keine Neuigkeiten ob der Zukunft des Sion entlocken: "Die Crowdfunding-Aktion läuft noch 2 Tage, mit Option auf Verlängerung. Parallel führen wir intensiv Gespräche mit Investor*innen." Sollte die Rettung des Projekts scheitern, werde man am Solar-Zuliefergeschäft festhalten. "Wir haben da jetzt schon 23 Partner. Aber wir glauben auch an den Sion." Das Fahrzeug sei einfach ein Herzensprojekt des Start-ups.

Die Entscheidung, die Entwicklung des Autos einzustellen, wäre laut Christians sehr schwer. Jenen Personen, die bereits eine Anzahlung für das Fahrzeug geleistet haben, würde man das Geld selbstverständlich zurückzahlen. Gelingt die Rettung, werde man alles daran setzen, um bald mit der Serienproduktion zu beginnen. Sono Motors hat dafür mit Valmet Automotive einen Partner aus Finnland.

Preis

Beim Preis für den Sion soll sich gegenüber dem Letztstand nichts mehr verändern. 29.900 Euro wird das Solar-Elektroauto in Deutschland kosten, der Österreich-Preise werde ähnlich sein. Viel Zeit zu überlegen bleibt Interessierten nicht mehr. Eine Reservierung gibt es um 500 Euro aufwärts. Je mehr man anzahlt, desto größer ist der Rabatt auf den endgültigen Kaufpreis.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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