Anti-Aging-Kur für Straßen statt Autobahn-Baustellen
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Tiefe Risse und grobe Oberflächen: Wie die menschliche Haut altern auch Straßen im Laufe ihrer Lebenszeit. Grund dafür sind Veränderungen im Material Bitumen. Das klebrig-schwarze Erdölprodukt ist der wesentliche Bestandteil im Asphalt und fungiert als Bindemittel.
„Zirka 85 Prozent des Bitumen wird im Bereich Straßenbau und Straßenerhaltung eingesetzt und etwa 15 Prozent für Abdichtungsmaterialien im Ingenieurbau“, sagt Markus Spiegl von der OMV. Der stetig zunehmende Schwerverkehr und die steigenden Temperaturen im Sommer bedeuten ihm zufolge seit längerer Zeit neue Herausforderungen an das Bauwerk Straße und den Baustoff Asphalt.
Regeneration
Geschädigtes Bitumen mit nicht mit freiem Auge sichtbaren Mikrorissen könne laut Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien zu einem gewissen Grad wieder geheilt werden, indem bei höheren Temperaturen die Risse wieder geschlossen werden. Mit der natürlichen Alterung, die auf einer Zeitskala von vielen Jahren abläuft und an der reaktive sauerstoffhaltige Spezies und Licht beteiligt sind, verringern sich diese Fähigkeiten.
Um besser zu verstehen, wie die Alterung Aufbau und Struktur beeinflusst, wurde an der TU unlängst das neue Christian-Doppler-Labor eröffnet, das von ihm gemeinsam mit Hinrich Grothe vom Institut für Materialchemie geleitet wird. Hier sollen etwa gezielt Zusatzstoffe entwickelt werden, die Alterungserscheinungen regenerieren und die Lebensdauer von Bauwerken verlängern sollen. „Dazu müssen wir die Mikrostruktur von Bitumen genau erfassen, was bei einem schwarzen Material eine Herausforderung darstellt“, sagt Hofko zur futurezone.
Verfahren-Mix
Um auf dieser kleinen Skalenebene Informationen über das Material zu erhalten und einen Zusammenhang zwischen Mikrostruktur und chemischem Aufbau herzustellen, müssen mikroskopische und spektroskopische Verfahren kombiniert werden. Die Veränderung, die während der Alterung auftritt, müsse ebenso auf diesem kleinen Maßstab ermittelt werden. So könnten laut Hofko in Folge gezielt Stoffe beigemengt und eine Art Jungbrunnen für den Baustoff entwickelt werden.
Die Verwendung solcher Verjüngungsmittel hänge laut Hinrich Grothe davon ab, welches Bitumen wo und wie verbaut wurde und ob es dem Tageslicht ausgesetzt war: „Es gibt kein Verjüngungsmittel, das pauschal für alle Anwendungen verwendet werden kann.“
Mikrosensoren
Da Bitumen bei Lichteinstrahlung von selbst leuchtet (Autofluoreszenz), könnte sein Zustand künftig auch abseits des Labors und direkt auf der Straße ermittelt werden. Zum Einsatz soll ein mobiler Fluoreszenz-Scanner kommen. „Der Scanner zur Qualitätskontrolle von Bitumen regt nacheinander die Autofluoreszenz des organischen Materials auf 3 verschiedenen Wellenlängen an und misst auf einer vierten, längeren Wellenlänge die Antwort“, erklärt Grothe.
Die Stärke der 3 Antworten werde bestimmt und mit einer Datenbank abgeglichen. „Es sind Harze und kleine aromatische Verbindungen, die besonders stark fluoreszieren und gleichzeitig empfindlich auf die Alterung reagieren“, ergänzt er. Die Konzentrationen dieser Verbindungen korrelieren mit den Signalintensitäten des Scanners und liefern so einen Kennwert für den Alterungszustand des Bindemittels.
Um die mechanischen Eigenschaften von Bitumen während des Baufortschritts oder im eingebauten Zustand in der Straße zu kontrollieren, müsse laut Hofko zudem normalerweise eine Probe entnommen werden. Das hat die Folge, dass der Aufbau zerstört wird. Mikrosensoren (MEMS), die gemeinsam mit Uli Schmid vom Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme entwickelt werden, sollen dem entgegenwirken.
Fehler bei der Herstellung, Verarbeitung oder Entwicklung könnten so rasch ermittelt und gegengesteuert werden. „Ebenso können dann zum richtigen Zeitpunkt Erhaltungsmaßnahmen getroffen werden und so die Lebensdauer weiter verlängert werden. Das spart Ressourcen, Geld und Ärger, durch weniger Baustellen“, schildert Hofko.
Höchste Recyclingrate
Ziel ist auch, Asphalt künftig je nach Qualität auf höchster Stufe wiederzuverwenden, sagt Markus Spiegl von der OMV. Ihm zufolge sei Asphalt zu 100 Prozent recyclebar. Grothe: „In Österreich und in der EU wird heute schon unter bestimmten Bedingungen Ausbauasphalt beim Bau einer neuen Straße beigemischt. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Qualität des Ausbauasphalts, der Mischanlagentechnologie und der Verträglichkeit des Ausbauasphalts mit dem neuen Bindemittel.“
Der Anteil an Ausbauasphalt werde voraussichtlich in den nächsten Jahren steigen, mit dem Ziel, hohe Qualität, nachhaltige Bauweise und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft zu fördern. „Mit einer geeigneten Analytik kann man hier einen wichtigen Beitrag liefern und kann feststellen, welche Komponenten dem gealterten Bitumen fehlen und man kann diese gezielt wieder zusetzen“, so Grothe.
Plastikmüll als Straßenbelag
Es ist eine ganz normale graue und glatte Straße in Südafrika, die Anfang dieses Jahres vom schottischen Unternehmen MacRebur gebaut wurde. Zumindest optisch normal. Denn das Bindemittel im Asphalt ist nicht wie gewöhnlich Bitumen – zumindest nicht zur Gänze – sondern Plastikmüll, wie das Straßenschild ausweist. Der Geschäftsführer Toby McCartney hat eine indische Methode zur „Straßenreparatur“ modifiziert.
Denn bei seinem Indien-Aufenthalt hat er zugesehen, wie Straßenarbeiter Schlaglöcher mit Plastikmüll stopfen, ihn mit Diesel begießen und anzünden. Laut der Unternehmens-Webseite war McCartney zu der Zeit bei einer Wohltätigkeitsorganisation tätig, die Menschen in Indien dabei unterstützte, wiederverwertbare Gegenstände auf Mülldeponien zu suchen.
Aus dem Plastikmüll stellt das Unternehmen feines Granulat her, das mit einem „Aktivator“, den das Unternehmen jedoch geheim hält, vermischt wird. Dieses Gemisch wird in Folge Asphaltherstellern zur Verfügung gestellt, die einen Teil des Asphalt-Bindemittels Bitumen damit ersetzen. Das natürliche Erdölprodukt wird somit gespart, und Plastik wiederverwendet.
Die Straßen seien laut McCartney um 60 Prozent belastbarer als normale Straßenbeläge, wie er in einem Interview bekannt gab. Ihm zufolge seien sie auch bis zu dreimal langlebiger. Um das richtige Gemisch zu finden, mussten zuvor 500 bis 600 Polymer-Mischungen getestet werden.
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