Die neue Ionen-Falle der NIST-Atomuhr ist für Aluminium- und Magnesium-Ionen gedacht.
Genaueste Uhr der Welt soll Sekunde neu definieren
Wie lang ist eigentlich eine Sekunde? Grob gesagt: Ein Sechzigstel einer Minute, die wiederum ein Sechzigstel einer Stunde ist. Von denen gibt es im Laufe einer Erdrotation, also eines Tages, 24. Das heißt, eine Sekunde ist 1/86400 eines Tages - doch weil Erdrotation schwankt, ist das keine zuverlässige Definition.
Im Internationalem Einheitensystem SI ist sie deshalb anhand der Periodendauer der Strahlung von Cäsium 133 definiert. Um Zeit auf diesem Genauigkeitslevel zu messen, sind sogenannte Atomuhren notwendig.
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Das US-amerikanische National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder, Colorado, hat nun eine neue Atomuhr vorgestellt, die durch ihr Aluminium-Ion akkurater ist als jede andere zuvor und dadurch an der bestehenden Definition rütteln könnte. Details dazu erschienen am Montag in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.
Auf 19 Nachkommastellen genau
Die Qualität sogenannter optischer Atomuhren wird üblicherweise anhand 2 Kriterien bestimmt: einerseits Genauigkeit, d. h. wie nahe sie der tatsächlichen Zeit kommen, andererseits Stabilität, also wie effizient sie Zeit messen können.
Die Uhr des NIST wurde 20 Jahre lang entwickelt. Sie ist auf 19 Nachkommastellen genau und 2,6 Mal stabiler als jede andere Ionen-Uhr.
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„Es ist aufregend, an der genauesten Uhr aller Zeiten zu arbeiten. Am NIST können wir diese langfristigen Pläne im Bereich der Präzisionsmessung verwirklichen, die das Feld der Physik und unser Verständnis der Welt voranbringen können“, erklärt Physiker Mason Marhsall in einer Aussendung.
Aluminium statt Cäsium
Das Aluminium-Ion im Inneren der neuen Uhr „tickt“ auf extrem hoher Frequenz und extrem gleichmäßig – gleichmäßiger als Cäsium, auf dem die SI-Definition der Sekunde derzeit beruht. Außerdem sei das Aluminium-Ion weniger anfällig für schwankende Bedingungen in seiner Umgebung, etwa Temperatur oder Magnetfelder.
Allerdings sei es gleichzeitig schwierig, Aluminium-Ionen mit Lasern zu untersuchen, was für Atomuhren notwendig ist. Das Forschungsteam hat das Aluminium-Ion deshalb mit Magnesium kombiniert, um dessen laser-freundliche Eigenschaften auszunutzen.
„Buddy-System“ für Ionen
„Dieses ,Buddy-System‘ für Ionen nenn man Quantenlogikspektroskopie“, erklärt Willa Arthur-Dworschack, die am Projekt beteiligt war. Das Magnesium-Ion kühle das Aluminium-Ion, wodurch es langsamer wird.
Daniel Rodriguez Castillo, Willa Arthur-Dworschack und Mason Marshall arbeiten an der Aluminium-Ionen-Uhr am NIST.
© R. Jacobson/NIST
Die beiden bewegen sich miteinander, sodass der Zustand der Uhr über das Magnesium-Ion ausgelesen werden könne. Um bessere Genauigkeit der Atom-Uhr zu erreichen, entwickelte das Forschungsteam außerdem ein neues Design für die „Falle“, in der sich die Ionen befinden.
Auch das Vakuum-System um diese Falle herum wurde verbessert, weil es nicht dicht genug war. Statt aus Stahl besteht es nun aus Titan. Dadurch kann es statt für 30 Minuten für mehrere Tage durchgehend in Betrieb bleiben.
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Verbesserter Laser
Die vorhergehende Version der Atom-Uhr von 2019 musste wegen eines vergleichsweise unzuverlässiger Lasers wochenlang laufen, um sogenannte Vakuumfluktuation auszugleichen, die für Ungenauigkeiten sorgte. Für das neueste Exemplar arbeitete das Forschungsteam mit Kolleginnen und Kollegen vom Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) zusammen.
Über unterirdische Glasfaserkabel zwischen den Forschungsinstituten wurde ein ultrastabiler Laserstrahl 3,6 Kilometer weit vom JILA ins NIST geschickt. Dadurch braucht die Atom-Uhr nur noch eineinhalb Tage statt 3 Wochen, um auf 19 Nachkommastellen genau zu messen.
Durch diese immense Beschleunigung von Messvorgängen könnte man mit der neuen Uhr die Sekunde noch genauer definieren. Außerdem werde es dadurch möglich, Physik abseits der Standardannahmen erforschen, etwa die Möglichkeit, dass die Konstanten der Natur keine Fixwerte seien, sondern sich verändern.
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