Selbstfahrende Autos von Waymo auf einem Parkplatz

In einzelnen US-Städten kann man Robotertaxis von Google-Tochter Waymo nutzen. Sie geben einen Vorgeschmack auf den Verkehr der Zukunft

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Science

Selbstfahrende Autos: Keiner will mehr sagen, wann es so weit ist

Fahrassistenzsysteme trifft man in Autos immer öfter an und sie können immer mehr. Auf Autobahnen, beim Einparken oder in Staus muss man in manchen Modellen als Mensch kaum mehr etwas tun – außer eingreifen, wenn die Situation unerwartet brenzlig wird. Der nächste Schritt auf der Automatisierungsskala wäre jener von Level 3 auf Level 4. Fahrer*innen sollen zu Passagier*innen werden und ihre Aufmerksamkeit völlig anderen Dingen als dem Verkehr widmen können.  

Vor einigen Jahren bekam man noch vollmundige Versprechen von Autoherstellern, dass es demnächst soweit sein würde. Mittlerweile ist die Branche aber vorsichtig geworden, was Prognosen betrifft. Das wurde auf der Fachkonferenz The Autonomous letzte Woche in Wien deutlich.

Schwieriger als gedacht

Einerseits hat die Automobilbranche mit Problemen zu kämpfen, die auch andere Wirtschaftszweige hart trifft, etwa Chipkrise oder Fachkräftemangel. Andererseits hat man die Aufgabe, selbstfahrende Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, wohl unterschätzt. "Autonomes Fahren ist größer als alles, was wir bisher entwickelt haben", sagt etwa Markus Heyn, Geschäftsführer von Bosch.

Er erzählt von einem Erlebnis, das er während einer Testfahrt in einem Level-4-Auto hatte. Im Verkehr zeigte es erstaunliche Fähigkeiten. Ein Lastwagen, dessen Abdeckplane nicht fixiert war und im Wind flatterte, verwirrte es dann aber massiv. Fahrzeugentwickler*innen sind hier mit einem sogenannten "Open World Problem" konfrontiert. "Es lassen sich nie alle Fälle trainieren, auf die ein autonomes Fahrzeug stoßen könnte", sagt Heyn.

US-TRANSPORT-TECHNOLOGY-AUTOMOBILE-EMPLOYMENT

Autonome Lkw könnten früher als autonome Autos herumfahren

Menschen gut bei Kontextverständnis

Besonders schwierig wird es, wenn Fußgänger*innen dazu kommen. "Menschen sind richtig gut darin, Gesichtsausdrücke zu lesen, Kontexte zu verstehen", sagt Mobilitätsforscher Phil Koopman von der Carnegie Mellon University. "Eine Person kann in einem Moment am Gehsteig stehen und im nächsten losrennen, weil ihr Bus kommt." Wenn die Person ohne zu Schauen vor ein selbstfahrendes Auto läuft, muss dieses den Fehler kompensieren.

Hier kommt die Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Sie muss künftig mit außergewöhnlichsten Situationen umgehen können. Sicherheit ist die wichtigste Voraussetzung, um Vertrauen zu autonomen Fahrzeugen aufzubauen. Beim Thema KI gebe es aber rasante Fortschritte, wie Hermann Hauser vom Risikokapitalgeber Amadeus Capital Partners schildert. Künftig könnte man einer KI etwa alleine durch sprachliche Beschreibung erklären, was es mit der flatternden Lkw-Plane auf sich hat.  

Stiller Fortschritt

Auch wenn die KI noch nicht soweit ist, um in bestimmten Situationen mit menschlicher Interpretationsfähigkeit mitzuhalten, in anderen Bereichen ist sie Menschen schon weit überlegen. Sie wird nie müde, lernt immer dazu, vergisst nichts und sieht durch unterschiedliche Sensoren alles. Dazu soll die Vernetzung mit Infrastruktur und anderen Fahrzeugen kommen.

Die Zuversicht ist da, aber "man kann keine Zeitpunkte mehr nennen", meint Christoph Hartung vom Software-Entwickler ETAS. An große Verlautbarungen von Fahrzeugherstellern glaubt auch er nicht mehr. Neben der Technologieentwicklung gehe es ja auch um Zertifizierung und gesetzliche Regulierung, was Jahre in Anspruch nehmen werde. Zuerst autonom unterwegs sein, werden jedenfalls Lastwägen, lautet die Überzeugung mehrerer Experten. Von einem Lieferzentrum zum nächsten über die Autobahn unterwegs zu sein (Hub-to-Hub-Transport), sei einfacher als der dynamischere Pkw-Verkehr.

Dheeraj Ahuja, Senior Director Of Engineering at Qualcomm, shows the new Snapdragon Ride autonomous driving computing system in the trunk of a demo car at the Consumer Electronics Show in Las Vegas

Will in jedem Roboterauto drin sein: Chipkonzern Qualcomm

Geheimniskrämer müssen sich öffnen

Der Begriff, der während der Fachkonferenz The Autonomous wahrscheinlich am öftesten fiel, war "Kollaboration". Die Herausforderung, autonome Fahrzeuge zu entwickeln, sei so groß, dass man sie nicht allein stemmen kann, lautet die einhellige Meinung. War es früher so, dass Fahrzeughersteller Vorgaben machten und Zulieferer die notwendigen Teile lieferten, sei in Zukunft ein anderes Modell gefragt.

Chaos auf der Straße verhindern

Hersteller, Zulieferer, Software-Entwickler und andere Partner müssen Entwicklungen von Anfang an gemeinsam vorantreiben. Außerdem sei die Zusammenarbeit mit der Konkurrenz wichtiger denn je, denn gemeinsame Standards, gemeinsame Plattformen seien erforderlich, wenn es künftig zu keinem Chaos mit selbstfahrenden Vehikeln kommen soll, die nichts miteinander anfangen können.  

Für die Automobilbranche, die ihre Geheimnisse bisher hütete, um Wettbewerbsvorteile zu generieren, stellt dies eine schwierige Veränderung dar. Der Lohn sei allerdings, dass der Straßenverkehr dadurch künftig auf ein neues Niveau gehoben werden könnte, meint Bernhard Müller-Bessler vom Datenanalyseunternehmen Hexagon: "Wenn Fahrzeuge kommunizieren, könnten Staus in Städten der Vergangenheit angehören."

Globale Player im Wettstreit

Mehrere große Konzerne versuchen, ins Zentrum der Bemühungen rund um gemeinsame digitale Plattformen zu rücken. Google, das mit den Robotertaxis seiner Tochter Waymo angeblich schon Daten von über 20 Milliarden gefahrenen Kilometer gesammelt hat, zählt dazu. Konkurrent Apple will wie immer sein eigenes Süppchen kochen. Dazu kommen Player aus der Chipbranche, etwa Qualcomm. Das US-Unternehmen kooperiert u.a. mit VW, BMW und Mercedes.

Wieso ist es so begehrt? "Weil wir gut aussehen", scherzt Nakul Duggal, der Leiter der Automotive-Sparte von Qualcomm. Vom Prozessor bis zum Betriebssystem und sogar Software für einzelne Funktionen des automatisierten Fahrens, könne man vieles aus einer Hand bieten. Mit TTTech Auto gibt es aber auch einen österreichischen Player, der eine Software-Plattform für das autonome Fahren im Portfolio hat.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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