Supraleiter müssen bislang meist mit Stickstoff gekühlt werden.

Supraleiter müssen bislang meist mit Stickstoff gekühlt werden.

© Wikimedia, CC BY SA 3.0, Henry Mühlpfordt / Wikimedia Commons/Henry Mühlpfordt CC BY SA 3.0

Science

Möglicher Durchbruch: Supraleiter bei Raumtemperatur gefunden

Ein Supraleiter, der bei Raumtemperatur funktioniert, ist so etwas wie der Heilige Gral der Materialphysik. Seit Jahrzehnten wird daran geforscht, südkoreanischen Forschern soll nun der Durchbruch gelungen sein. Ein Material namens LK-99 soll Supraleitung bei Raumtemperatur und normalem Umgebungsdruck ermöglichen. Die Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu genießen.

Supraleitung ohne tiefe Temperaturen oder hohe Drücke

Supraleiter sind Materialien, die Strom ohne Widerstand leiten können. Dazu müssen sie bislang allerdings extrem stark gekühlt oder hohem Druck ausgesetzt werden (oft auch beides). Das ist äußerst mühsam und verbraucht viel Energie. Ein Supraleiter, der wie LK-99 bei Raumtemperatur (sogar bis zu 127 Grad Celsius) und ohne hohen Druck funktionieren soll, wäre die wissenschaftliche Entdeckung des Jahrhunderts.

Dem koreanischen Team soll das gelungen sein. In einer Preprint-Studie geben sie an, das Problem gelöst zu haben. Nicht nur hätten sie einen Weg gefunden, das supraleitende Material zu synthetisieren - der Vorgang soll auch relativ einfach möglich sein. Die Produktion des Materials sei innerhalb von 34 Stunden und mit einfacher Laborausstattung zu schaffen.

LK-99 setzt sich selbst unter Druck

Benannt wurde LK-99 nach den Forschern Sukbae Lee und Ji-Hoon Kim, die es bereits 1999 synthetisieren konnten. Chemisch handelt es sich bei LK-99 um ein sogenanntes Blei-Apatit, einer Verbindung aus Blei, Kupfer und Phosphat. Beim Abkühlen zieht sich LK-99 leicht zusammen, wodurch es sich quasi selbst unter Druck setzt. Dieser Druck bzw. die daraus resultierende Kristallstruktur soll auch ausschlaggebend für seine supraleitenden Fähigkeiten sein. Auch den für Supraleiter typischen Meißner-Ochsenfeld-Effekt wollen die Forscher bei dem Material nachgewiesen haben.

Ergebnisse mit Vorsicht genießen

Eines muss allerdings bedacht werden: Das Paper wurde von der wissenschaftlichen Gemeinschaft noch nicht geprüft und die Ergebnisse noch nicht reproduziert. Beides ist wichtig, um mit Sicherheit sagen zu können, ob es sich wirklich um einen Durchbruch handelt oder nicht. John Durrell, Professor für Supraleitertechnik an der Universität Cambridge, gibt im "The Independent" an, dass er sich mit verfrühten Aussagen zurückhalten würde: "In der Fachwelt herrscht verständlicherweise Skepsis gegenüber diesem Ergebnis, da es im Laufe der Jahre zahlreiche Berichte über Supraleiter bei Raumtemperatur gegeben hat, die sich nicht bestätigt haben."

Auch wenn das Material seinen Versprechungen standhält, ist es von einer praktischen Anwendung noch weit entfernt. Ein supraleitendes Material aus dem Labor industriell herzustellen und zu nutzen, hat weitere Herausforderungen und kann Jahre oder gar Jahrzehnte dauern. Sollte es allerdings gelingen, bedeute das einen enormen Fortschritt in fast allen Lebensbereichen.

Wo Supraleiter eingesetzt werden

Energieverluste bei der Stromübertragung würden etwa der Vergangenheit angehören, Elektromotoren würden deutlich effizienter werden. Magnetschwebebahnen würden wie Pilze aus dem Boden sprießen. Maschinen wie Magnetresonanztomografen könnten deutlich günstiger und kompakter hergestellt werden.

Der Supraleiter würde auch die Forschung der Kernfusion vorantreiben. Die Reaktoren verwendet nämlich supraleitende Magnetspulen, die mit flüssigem Helium (-269 Grad Celsius) gekühlt werden. Quantencomputer verwenden Supraleiter, um die Zustände der Qubits zu erhalten. Supraleitende magnetische Energiespeicher haben eine Effizient von bis zu 97 Prozent, wenn sie nicht gekühlt werden müssen. Das ist mehr als bei jeder Batterie

Die Entdeckung hat also das Potenzial, unser aller Leben vollständig auf den Kopf zu stellen und ein fast schon utopisches Zeitalter einzuläuten. Es bleibt zu hoffen, dass die Ergebnisse auch von anderen Forscher*innen reproduziert werden können.

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