Arbeiter verbauen eine E-Auto-Batterie.
Wieso sind Festkörperbatterien noch nicht in jedem Auto und Handy?
Sie gelten als der heilige Gral der Batterieentwicklung: Festkörperakkus. Sie gelten als sicher, haben eine hohe Energiedichte, können schnell geladen werden und versprechen auch bei niedrigen Temperaturen gute Leistungen. "Und Festkörperbatterien rücken jeden Tag näher an die Realität heran", sagt Cengiz Ozkan von der US-Universität UC Riverside und führender Autor einer Übersichtsstudie zu den Energiespeichern.
Während selbst moderne E-Autobatterien etwa 30 bis 45 Minuten brauchen, um bis auf 80 Prozent zu laden, schaffen das Festkörperbatterien in unter 12 Minuten. Manche Entwicklungen laden sogar in weniger als 5 Minuten auf 80 Prozent. Festkörperbatterien befinden sich allerdings noch in der Entwicklungsphase. Serienfertigung gibt es noch keine, einzelne Prototypen sollen die Vorzüge der Technologie demonstrieren.
Fast-Festkörperbatterien kurz vor dem Start
“Für die Industrie war klar: Nach flüssig kommt fest, das ist ein harter Schnitt”, sagt Batterieforscher Marcus Jahn in einem früheren Interview mit der futurezone. Mittlerweile ist man von diesem Weg abgekommen, die Entwicklung von einer All Solid State Battery (reine Feststoffbatterie) war dann doch aufwändiger als angenommen. “Mittlerweile geht man auch in Richtung Almost Solid State Batterys, also Fast-Feststoffbatterien”, so Jahn.
In China stehen solche Fast-Feststoffbatterien, auch Quasi-Festkörperbatterie oder Semi-Festkörperbatterie genannt, schon in den Startlöchern. Nicht nur bei Flaggschiffmodellen soll die Technologie zum Einsatz kommen. Es soll auch günstige E-Autos mit der Technologie geben. Das chinesische Unternehmen MG will die erste Automarke sein, die ein in Serie gefertigtes Elektrofahrzeug mit einer solchen Batterie auf den Markt bringt. Dabei handelt es sich um den neuen MG4, der am 5. August präsentiert wird. Das Basismodell soll umgerechnet weniger als 10.000 Euro kosten.
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Die Batterie des MG4 enthält dabei weniger als 5 Prozent flüssigen Elektrolyt, also jene Flüssigkeit, in dem sich geladene Atome (Ionen) frei bewegen können. Doch diese Flüssigkeit kann sich mit der Zeit zersetzen, die Ladegeschwindigkeiten einschränken und ein Brandrisiko darstellen. "Indem wir die Flüssigkeit entfernen und stattdessen feste Materialien verwenden, können wir mehr Strom auf einmal in die Batterie einspeisen, ohne dass die Gefahr einer Überhitzung oder eines Brandes besteht", sagt Ozkan.
Verschiedene Typen von Elektrolyten
Es gibt 3 Haupttypen dieses Festkörperelektrolyten, die jeweils auf Sulfiden, Oxiden und Polymeren basieren. Jede Art von Elektrolyten hat ihre Stärken: Einige ermöglichen eine schnellere Bewegung der Ionen, andere bieten eine bessere Langzeitstabilität oder sind einfacher herzustellen. Vielversprechend sind Elektrolyte auf Sulfidbasis, die fast so gut funktionieren wie die Flüssigkeit in aktuellen Batterien, aber keine Nachteile aufweisen.
Während normale Lithium-Ionen-Batterien bereits nach 1.000 Lade- und Entladezyklen eine Zersetzung und damit Verschlechterung der Leistung aufweisen, haben Festkörperbatterien selbst nach 5.000 Zyklen noch 90 Prozent ihrer originalen Kapazität zur Verfügung. Dadurch steigt auch die Lebensdauer des E-Autos. Ein weiterer Pluspunkt: Festkörperbatterien benötigen keine aufwändige Kühlanlage, da sie bei niedrigeren Temperaturen operieren. Dadurch wird das E-Auto nicht nur leichter, der Energieaufwand für die Kühlung wird auch geringer, was wiederum zur Reichweite beiträgt.
Woran es noch hapert
Wieso sind Festkörperbatterien also noch keine Massenware? Zum einen ist es sehr schwierig zu sehen, was in einer solchen Batterie während ihres Betriebs passiert. Durch neueste Diagnostiktools wie Neuronenbildgebung und Hochleistungsröntgen können die Forscher direkt in die Batterien blicken und so etwa herausfinden, wie sich die Ionen darin bewegen und wo sich unerwünschte Strukturen bilden, die zu Kurzschlüssen führen können. "Diese bildgebenden Verfahren sind wie ein MRT für Batterien", so Ozkan. "Sie ermöglichen es uns, intelligentere Designentscheidungen zu treffen."
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Zum anderen ist die Massenproduktion von Festkörperbatterien sehr aufwändig. Materialien müssen eine große Reinheit aufweisen, die Produktion geschieht oft unter hohem Druck, abgeschirmt von Sauerstoff und Feuchtigkeit. Schnittstellenprobleme, also Probleme am Übergang zwischen Elektrolyt und Elektrode, schränken die Leistung der Batterien stark ein. Der starre, brüchige Elektrolyt muss sich nämlich so gut wie möglich an die Elektroden anschmiegen, damit es zu keinen Kontaktverlusten kommt. Gerade die vielversprechenden Sulfid-Zellen haben mit diesen Problemen zu kämpfen.
Um diese Probleme zu lösen, wird mit neuen Materialien und Pufferschichten experimentiert. Neue Herstellungsmethoden und Computermodelle sollen die Herstellung günstiger machen.
Wo wir bereits stehen
Unternehmen wie Toyota und BYD, Samsung und Xiaomi sowie Batteriehersteller wie CATL investieren stark in die Festkörperbatterieforschung. Nicht nur für E-Autos wären die Akkus ein enormer Fortschritt, auch für Heimelektronik, Wearables und Smartphones.
Bei der CES im Jänner 2025 verkündete etwa Jang Deok-hyun, Präsident von Samsung Electro-Mechanics, dass man noch in diesem Jahr Produktionsanlagen bauen wolle, um Prototypen von Festkörperbatterien für Samsung-Geräte herzustellen. Als Erstes soll der Galaxy Ring damit ausgestattet werden, danach die Galaxy Buds und die Galaxy Watch. Die Massenproduktion ist allerdings nicht vor Ende 2026 zu erwarten.
Gerade solche kleinen Geräte können von der hohen Energiedichte profitieren. Eine Smartwatch, die man nach ein bis 2 Tagen wieder aufladen muss, könnte somit nur einmal die Woche an die Steckdose müssen. Bei Smartphones verhelfen Festkörperakkus zu noch schnelleren Ladezeiten und noch dünneren Designs - nicht nur, weil die Akkus eine größere Energiedichte haben, sondern weil auch keine Schutzschichten und Kühlsysteme benötigt werden.
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