Michael Parzer, Fabian Garmroudi und Andrej Pustogow von der TU Wien haben einen Elementemix gefunden, der sehr effizient ist

Michael Parzer, Fabian Garmroudi und Andrej Pustogow von der TU Wien haben einen Elementemix gefunden, der sehr effizient beim Umwandeln von Wärme in Strom ist

© TU Wien

Science

Neues Material wandelt Wärme supereffizient in Strom um

In allen Materialien entsteht eine elektrische Spannung, wenn sie einer Temperaturdifferenz ausgesetzt sind. Der sogenannte thermoelektrische Effekt ist seit über 200 Jahren bekannt. Die Menschheit nutzt ihn auch schon seit Längerem für praktische Dinge aus, etwa für Temperatursensoren. Es werden aber immer noch neue Materialien entdeckt und entwickelt, um durch den Unterschied zwischen warmer und kalter Umgebung möglichst viel Strom emissionsfrei zu erzeugen. Forscher der TU Wien haben nun herausgefunden, dass Nickel-Gold-Legierungen besonders gut geeignet sind.

Gold und Nickel während der Materialsynthese, um daraus ein thermoelektrisches Material zu erzeugen.

Gold und Nickel während der Materialsynthese, um daraus ein thermoelektrisches Material zu erzeugen.

Komplexe Suche

Den thermoelektrischen Effekt könne man sich vorstellen, wie einen Raum, in dem ein Heizkörper steht, erklärt Physiker Fabian Garmroudi von der TU Wien. "Die warme Luft verteilt sich im Raum. Das passiert auch mit Elektronen." Die Ladungsträger bewegen sich in geeigneten Materialien von der heißen zur kühleren Seite. Dadurch entsteht elektrische Spannung, Strom kann produziert werden. Wie gut das funktioniert, beschreibt der Seebeck-Koeffizient.

Die Suche nach Materialien, die möglichst viel Strom erzeugen, ist nicht so einfach. Gesucht wird nämlich eine möglichst gute elektrische Leitfähigkeit, aber eine möglichst schlechte Wärmeleitfähigkeit. Breitet sich die Wärme nämlich gut in einem Material aus, werden Temperaturunterschiede schnell ausgeglichen. Es entsteht keine Spannung. Leider gehen elektrische und Wärmeleitfähigkeit meist Hand in Hand. Bestimmte Halbleiter wie Bismuttellurid weisen den gewünschten Gegensatz auf, weshalb auf ihnen auch große Hoffnungen als Thermoelektrika liegen.

Gold und Nickel weisen im Gegensatz zu Halbleitern einen geringeren Seebeck-Koeffizienten auf, machen diesen Nachteil laut Garmroudi aber mit besonders guter elektrischer Leitfähigkeit wett. Die Legierung erzielt am Ende ein viel besseres Ergebnis als Halbleiter. "Bei gleicher Geometrie und fixem Temperaturgradienten könnte um ein Vielfaches mehr elektrische Leistung generiert werden als bei jedem anderen bekannten Material", erklärt Garmroudi.

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In den Tiefen des Weltalls

Jener Einsatzbereich, in dem Thermoelektrizität heute wahrscheinlich am häufigsten zum Einsatz kommt, ist die Temperaturmessung mit sogenannten Thermoelementen. Dabei handelt es sich um sehr einfache Bauteile aus 2 verbundenen Drähten. Diese bestehen aus unterschiedlichen Metallen. Hält man sie an eine Wärmequelle, entstehen unterschiedliche Spannungen. Aus der Differenz lässt sich eine exakte Temperatur berechnen.

Radioaktiver Akku

Ein weiterer Einsatzbereich ist die Raumfahrt. Um Raumsonden, die besonders weit weg von Erde und Sonne unterwegs sind, mit Strom zu versorgen, werden Radionuklidbatterien verwendet. Darin sitzen Materialien, die durch radioaktiven Zerfall ständig Wärme produzieren. Durch Thermoelektrika wird diese Wärme in Strom umgewandelt. Das passiert zwar nicht mit besonders hoher Effizienz, dafür aber lange und ohne Wartungsaufwand.

Die Radionuklidbatterie für die Raumsonde Cassini, die 2004 den Saturn erreichte

Die Radionuklidbatterie für die Raumsonde Cassini, die 2004 den Saturn erreichte

Luxus-Smartwatches

Alles wäre wunderbar, wäre da nur nicht der hohe Preis. Wo könnte man Thermoelektrika aus Nickel und Gold also in der Praxis überhaupt einsetzen? "Mit der jetzigen Leistung könnten beispielsweise smarte Armbanduhren autark mit der Körperwärme der Träger aufgeladen werden", führt TU-Wien-Forscher Andrej Pustogow als Beispiel an. Er hat an der Studie über die neue Materialmischung mitgearbeitet. Es würde sich wohl um eine Luxus-Smartwatch handeln, gibt Garmroudi zu.

Kleine Sensoren, große Industrien

Um die Kosten gering zu halten, müsse man wohl weiterhin auf Halbleiter oder noch unbekannte Materialmischungen zurückgreifen. Generell hätten Thermoelektrika aber eine blühende Zukunft. Ein mögliches Einsatzgebiet wäre etwa das Internet der Dinge. Kleine Sensoren, die ihre Daten drahtlos übermitteln, könnten künftig durch winzige thermoelektrische Generatoren mit Strom versorgt werden.

Aber auch im größeren Stil könnten Thermoelektrika laut Garmroudi eingesetzt werden. In Fahrzeugen oder bei industriellen Prozessen könnte etwa Abwärme genutzt werden, die derzeit einfach verpufft. Interesse gebe es auch von Herstellern von Gebäudeheizungen. Ein Pelletsofen könnte in Zukunft durch Thermoelektrika etwa zusätzlich Strom erzeugen.

Es geht auch andersherum

Das Prinzip der Stromerzeugung durch Wärme lässt sich im Übrigen auch umkehren. Strom kann durch Thermoelektrika einfach zur Kühlung genutzt werden. Hier spricht man vom Peltier-Effekt. Auch er wird längst genutzt, etwa für kleine Kühlschränke. In Zukunft könnte man das Prinzip auch in Autositze einbauen und diese, ähnlich wie bei einer Sitzheizung, energiesparend kühlen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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