Heerschar von Darmbakterien hilft im Kampf gegen Corona
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Weltweit suchen Forscher derzeit nach der schnellsten Methode, einen Wirkstoff gegen das Coronavirus zu finden. Forscher der Stanford University haben etwa gleich die ganze Welt um Hilfe gebeten, mit der Software Folding@Home Rechenleistung zur Verfügung zu stellen, um bei der Suche nach Antikörpern zu helfen. So konnte das Freiwilligen-Netzwerk bereits den schnellsten Supercomputer der Welt schaffen. In Österreich rekrutierten Forscher nun "alte Verbündete", um einen Wirkstoff zu finden: Eine Heerschar an Darmbakterien (E. coli), die wohlerprobte "Labormitarbeiter" sind, soll ihnen bei der Suche nach Wirkstoffen und Antikörpern sekundieren. Die kleinen Helfer könnten dies maßgeblich beschleunigen, teilte das Kompetenzzentrum "Austrian Centre of Industrial Biotechnology" (acib) mit.
Die Forscher machten aus den Bakterien kurzerhand so etwas wie menschliche Immunzellen, wo jede einen anderen Antikörper herstellt. Wie dieser jeweils aussieht und was er angreift, ist zunächst Zufall, erklärte Rainer Schneider vom Institut für Biochemie der Universität Innsbruck und dem acib im Gespräch mit der APA. Um herauszufinden, welche davon SARS-CoV-2 Eiweißstoffe (Proteine) dingfest machen könnten, hängten die Forscher einen für die Bakterien giftigen Stoff (Toxin) an ein SARS-CoV-2 Protein. "Dann können nur die Bakterien überleben, die zufällig einen Antikörper machen, der gegen dieses Virus-Protein gerichtet ist und damit auch das Toxin inaktiviert", sagte er.
Passive Immunisierung
Aus Milliarden von Bakterien mit ebenso vielen unterschiedlichen Antikörpern könne man auf diese Art jene heraussuchen, die einen aktiven Antikörper gegen das Coronavirus in ausreichender Menge herstellen. Nach weiteren Tests und klinischen Studien könnte daraus ein Antikörper für eine passive Immunisierung werden.
Eine "Achillessehne" bei SARS-CoV-2 sei außerdem das virale Enzym "Mpro", so die Forscher. Es ist quasi eine winzige Schere (Protease) und schneidet Eiweißstoffe (Proteine) des Virus zurecht, die es für seine Vermehrung braucht. Die Forscher haben bei den Bakterien ein lebensnotwendiges Protein so verändert, dass es ebenfalls von der viralen Protease zerschnitten wird. "Die Bakterien können nur wachsen, wenn eine von außen zugegebene Substanz die virale Protease inhibiert", sagte Schneider. Mit dieser "Biotechnologischen Optimierung durch Selektions-Systeme" (BOSS) könne man viele Wirkstoffe und bereits vorhandene Medikamente in kürzester Zeit auf eine Wirkung gegen die Coronavirus-Protease testen.
60 Impfstoffe in Entwicklung
Aktuellen Zahlen der WHO zufolge befinden sich weltweit derzeit mindestens 60 Impfstoffe in Entwicklung. Forscher der Universität Pittsburgh wollen bereits erfolgreiche Tests an Mäusen vorgenommen haben. Die Tiere hatten nach einer Impfung innerhalb von 2 Wochen Antikörper aufgebaut. Auch in Russland sollen bereits Vorbereitungen für einen Impfstoff-Test mit 180 Freiwilligen laufen.
Bis tatsächlich ein Impfstoff gefunden wird, könnte es trotzdem noch einige Zeit dauern, sagte der renommierte Virolge Peter Palese in einem Interview mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Laut WHO sind derzeit nur 2 Impfstoffe in Phase 1 der Tests. In dieser Phase wird das Medikament an einer kleinen Gruppe von Personen getestet.
Medikament für Infizierte
Auch an Medikamenten, die potenziell das Leben Infizierter retten könnte, wird derzeit geforscht. Die österreichische Firma Apeiron Biologics will in Kürze das Medikament APN01 an 200 schwer erkrankten Patienten testen. Ursprünglich wurde es gegen akute Lungenerkrankungen entwickelt. Nun hoffen die Wissenschaftler, dass ihr Medikament auch gegen das Coronavirus Wirkung zeigen kann. Bei einem positiven Verlauf, könnte das Medikament bereits im Sommer verfügbar sein.
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