Wie Künstliche Intelligenz Gelähmte wieder sprechen lassen soll
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Der berühmte Physiker Stephen Hawking litt unter amyotropher Lateralsklerose (ALS), die das Nervensystem eines Menschen zerstört. Als Jugendlicher war er groß und sportlich, mit 21 erfolgte die Diagnose. Nach einer Lungenentzündung konnte der Wissenschaftler nicht mehr sprechen. Ein Sprachcomputer redete dann für ihn. Als seine Hände zu schwach wurden, verwendete Hawking zur Bedienung einen Sensor in seiner Brille, der durch einen Wangenmuskel ausgelöst wurde. Der Astrophysiker gehörte zu jenen Wissenschaftler*innen, die lautstark vor möglichen gefährlichen Folgen von Künstlicher Intelligenz (KI) warnte. Gerade Menschen mit Erkrankungen wie ALS könnte KI künftig jedoch auch helfen.
Gehirn-Computer-Schnittstellen
An der Universität Wien forscht Moritz Grosse-Wentrup zu sogenannten Gehirn-Computer-Schnittstellen. Das sind Geräte, die Menschen ohne die Bewegung von Mund, Muskeln oder Mimik kommunizieren lassen. Stattdessen werden Gehirnströme gemessen, die zur Kommunikation verwendet werden. Sein Team arbeitet an einem System, das Menschen, die aufgrund von Erkrankungen im Nervensystem nicht oder nur mehr eingeschränkt sprechen können, die Sprachfähigkeit zurückgeben soll. Künstliche Intelligenz spielt dabei eine tragende Rolle.
Nicht nur ALS-Patient*innen könnten künftig von solchen Gehirn-Computer-Schnittstellen profitieren. Sehr häufig ist zum Beispiel Aphasie, eine Sprachstörung, die nach Schlaganfällen auftreten kann. Derzeit ist das noch Zukunftsmusik: Der Neurowissenschaftler schätzt, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern wird, bis seine Grundlagenforschung Erkrankten im Alltag helfen könnte.
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Künstliche Intelligenz vereinbart Friseurtermin
Das Experiment im Labor sieht so aus: Ein Proband soll allein mit Gedankenkraft telefonisch einen Friseurtermin vereinbaren. Dazu trägt er eine Kappe mit Elektroden, die Hirnströme messen. Eine KI hört mit und analysiert, was der Friseur am Telefon sagt. Dem Probanden werden dann auf einem Bildschirm Schlüsselwörter eingeblendet, die für eine Antwort infrage kommen, wie „Termin“ oder „Schnitt“. Jedes der Wörter flackert dann in einer unterschiedlichen Frequenz. Ein zweites KI-Modell liest aus den Hirnmessungen, auf welchen Begriff der Proband schaut – z. B. „Termin“. Die erste KI antwortet dann am Telefon: „Ich möchte einen Termin ausmachen“. So geht das Telefongespräch weiter.
„Ich hoffe, dass wir unser System in den nächsten Jahren so weiterentwickeln können, dass diese explizite Auswahl der Begriffe nicht mehr notwendig sein wird und wir direkt aus Gehirnmessungen herauslesen können, was die Probanden sagen wollen“, erklärt Grosse-Wentrup. Er vermutet, dass es für ein optimales Ergebnis jedoch ein Gehirnimplantat brauchen wird.
Ein System wie das derzeitige sei aber bereits in naher Zukunft vorstellbar: „Etwa mit kleinen Elektroden, die ins Ohr gesteckt werden – vergleichbar mit Kopfhörern. Jemand schaut sich etwas auf dem Handy an, es flackert und er wählt am Bildschirm etwas aus“, erklärt der Neuroinformatiker.
Die KI-Algorithmen für ihre Experimente entwickeln die Forscher*innen teilweise selbst, aber auch allgemein bekannte Modelle kommen zum Einsatz. „Bei der KI, die für die Patienten spricht, greifen wir auch auf GPT und auch andere zurück, die derzeit überall die Runde machen“, erklärt Grosse-Wentrup.
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"Zoo an assistiven Kommunikationssystemen"
Laut einem Vorjahresbericht der Weltgesundheitsorganisation benötigen derzeit über 2,5 Milliarden Menschen assistive Technologien, bis 2050 soll eine Milliarde dazukommen. Dazu könnten künftig, neben Rollstühlen und Hörgeräten, auch Hirnimplantate zählen. „In den nächsten zehn Jahren werden wir mehr assistive Kommunikationssysteme jeglicher Art für Menschen mit Einschränkungen oder Behinderung sehen. Auch durch den enormen Fortschritt in der KI“, glaubt Grosse-Wentrup.
Wenn es nach ihm geht, bräuchten wir eigentlich „einen ganzen Zoo an assistiven Kommunikationssystemen“, individuell angepasst und bedarfsabhängig. Er erzählt von einem Sechsjährigen, der nach einem Unfall schwerstgelähmt ist. Wissenschaftler*innen klebten ihm einen Sensor an einen Muskel und ließen ihn damit ein Fußballspiel am Computer spielen. „Er hatte Riesenspaß. Ich dachte mir: Warum gibt es das noch nicht? Viele Sachen, die heute technisch machbar sind, sind noch nicht umgesetzt“, sagt Grosse-Wentrup. Fest steht, dass KI im Bereich der assistiven Technologien schon jetzt einiges in Bewegung setzt.
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