Nahaufnahme von einem Mund mit rotem Lippenstift, der eine rote Chili zwischen den Zähnen hält.

Chili kann einen guten Kick geben - oder für 2-mal Schmerz sorgen.

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Science

Künstliche Zunge erkennt, wie scharf eine Chili wirklich ist

„Die kannst ruhig essen, ist eh nicht scharf“: 5 Sekunden später brennt das Maul und weit und breit ist kein Glas Milch in Reichweite, um den Schmerz zu lindern.

Es braucht keinen bösartigen Kameraden, um so ein Erlebnis mit einer frischen Chilischote, dem Curry beim Inder oder der „Spezialsauce“ in der Kebabbude zu erleben. Jeder Mensch nimmt Schärfe unterschiedlich wahr und weil Schärfe aus Naturprodukten gewonnen wird, kann selbst innerhalb einer Chilisorte die gefühlte Schärfe von mild bis „wtfwtfwtf!“ reichen.

Chinesische Wissenschafter wollen diesem Schärfe-Roulette ein Ende setzen. Dazu haben sie eine synthetische Zunge entwickelt, berichtet Nature.

Gel aus Milchpulver

In der Vergangenheit wurden bereits künstliche Zungen geschaffen, um Geschmacksrichtungen zu registrieren und voneinander zu unterscheiden. Die Forscher wollten bei ihrem aktuellen Projekt aber nicht nur wissen, dass etwas scharf ist, sondern wie scharf es ist.

Dazu haben sie ein Gel aus Milchpulver, Acrylsäure und Cholinchlorid hergestellt. Wenn das Gel unter Spannung steht, können die Chlorid- und Wasserstoff-Ionen Elektrizität leiten, weil sie mobil sind.

Das durchsichtigte Plättchen ist das Gel, das in eine Messstation eingespannt werden muss

Das durchsichtigte Plättchen ist das Gel, das in eine Messstation eingespannt werden muss

Capsaicin, das in Paprikasorten und damit auch Chilis für den Hitze- und Schmerzreiz sorgt, reagiert mit den Milchproteinen im Gel. Es formen sich klobige Strukturen, die die Bewegung der Chlorid- und Wasserstoff-Ionen einschränken – die Leitfähigkeit sinkt.

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Skala von 0 bis 70

Um das zu messen, wird das Gel zwischen Kupferschichten platziert. Das Ganze wird an eine Messstation angeschlossen, die die Leitfähigkeit misst. Kommt das Gel mit etwas Scharfem in Berührung, sinkt die Leitfähigkeit.

Um die synthetische Zunge zu kalibrieren, wurde sie mit 8 Chilisorten getestet. Mit den Messungen wurde eine Skala von 0 bis 70 erstellt – von gar nicht scharf bis gefährlich scharf. Danach wurden 8 verarbeitete Lebensmittel mit dem Gel getestet, wie Chilipulver und Tabascosauce.

Ausgebildete Geschmackstester haben dieselben Lebensmittel probiert und ebenso in eine Skala von „keine Schärfe“ bis „gefährlich scharf“ eingereiht. Laut den Forschern habe das Ranking der synthetischen Zunge gut mit dem der menschlichen Tester übereingestimmt. Sie sei damit geeignet, um die menschliche Zunge beim Testen von scharfem Essen zu ersetzen.

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Künstliche Zunge für die Hostentasche

Bevor die künstliche Zunge zum Gadget für Restaurantbesuche wird, muss sie weiterentwickelt werden. Laut den Forschern ist die Messstation derzeit zu groß, weshalb man im nächsten Schritt eine Mini-Variante im Hosentaschenformat entwickeln will.

Außerdem würde man die Skala gerne präzisieren. Dazu könnten die Daten von weiteren trainierten Geschmackstestern und normalen Personen einfließen.

Sollte das Gerät jemals serienreif werden, könnte man theoretisch eine Art Schärfe-Netzwerk dafür machen. So könnte man das Schärfeempfinden von Menschen aus verschiedenen Regionen, in unterschiedlichem Alter oder mit bestimmten Präferenzen (isst gerne scharf, mag es lieber mild, ist Raucher, etc.) kombinieren. Zusätzlich zur Messung der Lebensmittel könnte dann noch eine Prognose getroffen werden, ob dem User das Essen zu scharf sein wird oder noch ein Schuss Mad Dog 357 drauf muss. 

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