Bootfahrer beim Punting am River Cam in Cambridge

Im River Cam in Cambridge wurde das künstliche Blatt bereits getestet

© REUTERS / ANDREW BOYERS

Science

Künstliches Blatt produziert E-Fuel aus Licht, Wasser und CO2

Ein Forscherteam um den österreichischen Chemiker Erwin Reisner von der Universität Cambridge (Großbritannien) hat ein "künstliches Blatt" entwickelt, das Wasser und CO2 mithilfe von Sonnenlicht direkt in einen flüssigen Energieträger (E-Fuel) umwandeln kann. Nach dem Vorbild der Natur stellt das nun entwickelte System in einem einzigen Schritt Ethanol und Propanol her - derzeit allerdings noch mit bescheidener Effizienz, berichten sie im Fachjournal Nature Energy.

Vorbild Photosynthese

E-Fuels sind aus mehreren Gründen umstritten. Will man sie als synthetischer Kraftstoff aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) produzieren, ist sehr viel Strom erforderlich, zudem gibt es dabei enorme Umwandlungsverluste. Auch Bioethanol gilt als saubere Alternative, da es aus Pflanzen hergestellt wird. Es wird bereits Benzin beigemischt (E10). Doch auch solche Biokraftstoffe sind umstritten, da für sie landwirtschaftliche Flächen beansprucht werden, statt sie für den Anbau von Nahrungsmitteln zu nutzen.

In der Natur produzieren Pflanzen mit ihren Blättern bei der Photosynthese aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht einen Energieträger (Zucker). Nach diesem Vorbild hat Reisner 2012 an der Universität Cambridge im Rahmen eines Christian-Doppler(CD)-Labors begonnen, an einer Technologie zu arbeiten, das die Energie des Sonnenlichts zur Produktion eines Energieträgers nutzt.

In Wasser getaucht

Als Ergebnis stellte Reisner vor einigen Jahren in "Nature Materials" ein wenige Millimeter dickes, mehrere Quadratzentimeter großes künstliches Blatt vor, das aus zahlreichen Schichten aufgebaut war und sich vollständig in Wasser befand. Durch die Kombination von zwei Lichtabsorbern (Bismutvanadat und Perowskit) mit geeigneten Katalysatoren konnte das System sogenanntes Synthesegas mit Hilfe von Sonnenlicht produzieren.

Dieses auch "Syngas" genannte Gasgemisch besteht aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid und wird derzeit weltweit im Megatonnen-Maßstab vor allem aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Genutzt wird es für die Erzeugung von Produkten wie Brenn- und Kunststoffe oder Düngemittel.

Alkohol hergestellt

Inspiriert von den Miniaturisierungstendenzen in der Elektronik hat Reisner mit seinem Team dann die notwendigen Materialien für das "künstliche Blatt" so weit reduziert, dass man sie auf flexible Folien aufbringen kann. Im Vorjahr präsentierte er im Fachjournal "Nature" ein schwimmendes Kunstblatt, das - zu industriellem Maßstab weiterentwickelt - auf dem Meer treibend "Syngas" erzeugen könnte.

Reisner und sein Team haben es nun geschafft, das "künstliche Blatt" so weiterzuentwickeln, dass es nur mit der Energie der Sonne aus Wasser und CO2 direkt komplexere Chemikalien als "Syngas" produziert. "Wir entwickelten dazu einen auf Kupfer und Palladium basierenden Katalysator und optimierten ihn so, dass das 'künstliche Blatt' ein Gemisch aus Ethanol und n-Propanol herstellen kann", sagte Reisner zur APA. Beide Alkohole sind Brennstoffe mit hoher Energiedichte, die leicht transportiert und gelagert werden können.

CO2 aus der Industrie

Als Lichtabsorber fungieren wieder Bismutvanadat und Perowskit, durch die Verwendung des Kupfer-Palladium-Katalysators werden direkt die Alkohole produziert. Derzeit sei noch konzentriertes CO2 für den Prozess notwendig, das "künstliche Blatt" müsste daher direkt an eine CO2-Emissionsquelle etwa in der Industrie gekoppelt werden. "Wir arbeiten aber schon daran, mit atmosphärischen CO2-Konzentrationen zurecht zu kommen", so Reisner.

Die Wissenschafter bezeichnen ihr System als "Machbarkeitsnachweis" und betonen, dass es derzeit nur "eine bescheidene Effizienz aufweist". "Wir haben aber gezeigt, wozu diese 'künstlichen Blätter' fähig sind - und das bei Raumtemperatur, Normaldruck und natürlichem Sonnenlicht", so Reisner. Noch sei aber einiges zu tun: So arbeiten die Forscher daran, Lichtabsorber und Katalysator zu optimieren, um das Sonnenlicht besser zu nutzen und mehr Kraftstoff zu produzieren. Weitere Arbeiten seien auch notwendig, um das System zu vergrößern und größere Mengen an Kraftstoff zu produzieren.

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