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Science

Die "fade Milliarde": Als die Tage 19 Stunden hatten

Es ist allgemein bekannt, dass die Tage länger werden. Jedes Jahr kommen 0,000015 Sekunden hinzu. Anders gesagt wird die Erdrotation jedes Jahrhundert um 2,3 Millisekunden gebremst. Grund dafür sind die lunaren Gezeitenkräfte. Das führt auch dazu, dass der Abstand zum Mond wächst, jährlich um 3 bis 4 Zentimeter, was wiederum die Erdrotation weiter bremst.

Bisher ging man davon aus, dass dieser Bremsvorgang kontinuierlich war. Das heißt, je weiter man in die Vergangenheit blickt, desto kürzer werden die Tage. Eine neue Studie zeigt, dass das aber nicht so ist. In der Zeitperiode vor 2 bis einer Milliarden Jahre, stagnierte die Tagesdauer bei 19 Stunden.

Diese Periode der Erde deckt sich in etwa mit der Boring Billion – zu Deutsch: die langweilige Milliarde. Diese fand etwa vor 1,8 bis 0,8 Milliarden Jahre statt und zeichnete sich durch tektonische Stabilität und eine sehr geringe biologische Entwicklung aus.

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Atmosphärischen Gezeiten gleichen Mondgezeiten aus

Laut der Studie hat es in dieser Phase einen Gegeneffekt zu den lunaren Gezeiten gegeben: die atmosphärischen Gezeiten. Dabei erhitzt sich die Erdatmosphäre, weil sie Sonnenstrahlen absorbiert. Sie dehnt sich wellenförmig aus und läuft um den Globus. Ähnlich wie bei Ebbe und Flut passiert das regelmäßig – der Takt liegt bei etwa 10,4 Stunden. Die atmosphärischen Gezeiten beschleunigen die Rotation der Erde.

Heute ist der Effekt der atmosphärischen Gezeiten geringer. Die lunaren Gezeiten sind stärker und damit auch die Bremskraft, die auf die Erdrotation einwirkt. Damals aber drehte sich die Erde schneller, was die lunare Bremskraft reduzierte. Laut der Studie hatte sie in der Phase vor 2 bis einer Milliarde Jahren nur ein Viertel der Stärke, die sie heute hat. Dadurch konnten die atmosphärischen Gezeiten die Bremskraft neutralisieren. Deshalb stagnierte die Tageslänge bei 19 Stunden.

Um das nachzuweisen, wurden Sedimentablagerungen aus der Zeit vor 2,6 Milliarden bis 0,55 Milliarden Jahren untersucht. Durch zyklische Muster kann so die Erdrotation und damit die Tageslänge in der Vergangenheit ermittelt werden.

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Ozonschicht verstärkte die atmosphärischen Gezeiten

Die Forschenden glauben auch zu wissen, warum die Kräftegleichheit der Gezeiten gerade zu diesem Zeitpunkt passiert ist. Vor 2,4 Milliarden Jahren bekam die Erde eine große Menge Sauerstoff, was auch der Great Oxidation Event genannt wird. Dieser hatte die Bildung der Ozonschicht zur Folge. Die wiederum hat den Effekt der atmosphärischen Gezeiten verstärkt.

Für die Forschenden ist denkbar, dass das Gezeitengleichgewicht mit dazu geführt hat, dass sich tektonisch und geochemisch wenig tat. Es könnte also mitverantwortlich dafür sein, dass die langweilige Milliarde begonnen hat. Dafür fehlen aber noch wissenschaftliche Indizien, weshalb es derzeit nur eine Theorie ist.

Die langweilige Milliarde gilt als Bremser in der Evolution. Durch die geringe Aktivität der Erde kam weniger Sauerstoff in die Atmosphäre. Das verlangsamte die Entwicklung von Lebensformen. Erst am Ende dieser Phase, als die Tage wieder länger und die Tektonik wieder aktiver wurde, ist auch die Evolution von Leben wieder stärker angelaufen.

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