Marcus Wadsak

Marcus Wadsak hat bereits mehrer Bücher über die Klimakrise geschrieben.

© Kurier / Gilbert Novy

Science

Marcus Wadsak zur Klimakrise: “Wie sind wir am Weg? Schlecht!"

Marcus Wadsak leitet seit 10 Jahren die ORF-Wetterredaktion. Er ist Autor von Büchern wie "Klimawandel: Fakten gegen Fake & Fiction" oder "Letzte Generation".

Der Klimawandel wirkt sich auf jeden Lebensbereich aus. Forscher*innen sind sich einig: Wenn wir nicht darauf achten, dass wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, wird aus der Klimakrise eine Klimakatastrophe.

Meteorologe Marcus Wadsak erzählt im Interview, wie Österreich dasteht und welche Lösungen Technologie liefern kann.

futurezone: Beim diesjährigen futurezone Award am 17. November war Nachhaltigkeit ein großes Thema. Wie kann Technologie dabei helfen, die Klimakrise zu meistern?
Marcus Wadsak: Junge Unternehmer*innen und Start-ups müssen Klimawandel und Erderwärmung in jeder Idee mitdenken. Wir werden überall Lösungen brauchen, die uns helfen, den Klimawandel zu bekämpfen, uns helfen, aus fossiler Energie auszusteigen, und uns helfen, die globale Erwärmung einzugrenzen.

Wie hoch ist die Gefahr, dass man sich auf technische Lösungen allzu sehr verlässt, und nicht die nötigen CO2-Einsparungen erreicht?
Diese Gefahr ist sehr groß, denn es wird allein mit technischen Lösungen nicht gehen. Wir müssen unsere Emissionen auf 0 bringen und uns mit technischen Lösungen zusätzlich helfen. Das beste Beispiel dafür sind jene “Fabriken”, die CO2 aus der Atmosphäre wieder herausbringen, das sogenannte Direct Air Capture. Da ist jetzt die größte Anlage aufgemacht worden, kostet ein Vermögen und schafft es tatsächlich im Jahr 4.000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre herauszuholen und langfristig zu binden.

Hört sich nach viel an, ist aber ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wenn man sich überlegt, dass wir Menschen global pro Tag 100 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen, dann wird sehr schnell klar, dass einzig diese technische Methode nicht reichen wird. Wir müssen auf der einen Seite schauen, dass wir die Emissionen stoppen, auf der anderen Seite technisch zusätzlich helfen, die Klimakrise in den Griff zu kriegen.

In welchen Bereich gibt es das meiste Potenzial oder das Potenzial, das am einfachsten umgesetzt werden kann?
Österreich ist ein Land, das im Gegensatz zu vielen anderen Ländern noch immer steigende Emissionen hat. Und da muss ich schauen, wo diese herkommen. Und dann komme ich darauf, dass die in Österreich zum Beispiel im Verkehr liegen. Die 2 großen Brocken, mit denen wir es zu tun haben, ist die Mobilität und die Energie. Und hier gibt es technische Lösungen.

Die wären?
Wir fahren heute schon wunderbar elektrisch - zum Beispiel mit der Bahn, die in Österreich mit nachhaltigem Strom aus Wasserkraft unterwegs ist. Also wir haben Mobilität, die sehr klimafreundlich, schnell und gemütlich große Massen an Menschen transportiert. Wir haben auch schon Elektroautos, die gut funktionieren. Die sind in der Klimabilanz sehr rasch klimafreundlicher unterwegs als Verbrennungsmotoren, die nie klimafreundlich werden können.

Und der zweite Brocken?
Auch bei der Energie ist es so, dass wir die großen Lösungen schon haben. Wir können im großen Stil Strom aus Wind, Sonne und in Österreich auch aus Wasserkraft erzeugen. Das sind technische Lösungen, die im Großen bereits funktionieren.

Manche Emissionen lassen sich aber nicht vermeiden. Hier wird intensiv nach Lösungen gesucht.
Letztendlich müssen wir uns anschauen, wie wir CO2 wieder aus der Atmosphäre kriegen. Pflanzen und Bäume machen das im großen Stil und wir haben begonnen, das auch technisch umzusetzen. Aber uns muss klar sein, dass das Hilfsmittel für die letzten Meter sind. Es gibt Dinge wie die Zementherstellung, wo wir noch keine Lösungen gefunden haben. Da müssen wir etwas tun, um die Emissionen, die hier stattfinden, zu kompensieren. 

Wie sehr ist das Ausmaß der Klimakrise bereits in der Gesellschaft in Österreich angekommen?
Zu wenig, als dass wir entsprechend handeln. Wenn wir bedenken, dass wir in Europa im Hitzesommer 2003 bereits 70.000 Hitzetote hatten. Wenn wir bedenken, dass wir im Vorjahr in Deutschland 200 Tote bei einem Hochwasserereignis hatten, das ohne menschengemachten Klimawandel so nicht möglich gewesen wäre. Oder wenn wir daran denken, dass wir auch in Österreich 2015 mehr als 1.000 Todesfälle hatten, die auf die Hitze zurückzuführen waren. Heuer im August gab es in Österreich wieder Extremwetterereignisse mit 5 Toten. Wir sehen, dass die ersten Skirennen heuer bereits aus Schneemangel abgesagt werden mussten. Der Klimawandel pfuscht uns schon dermaßen in unser tägliches Leben hinein, und wir sitzen noch immer da und glauben, das wird schon gut ausgehen. Aber wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es nicht gut ausgehen.

Maßnahmen gegen den Klimawandel werden oft als "Verzicht" bezeichnet. Und niemand verzichtet gerne.
Wir werden auf dieser Erde, wenn sie sich 4 oder 5 Grad weiter erhitzt, nicht mehr leben können. Das ist, glaube ich, ein großer Verzicht. Die Verzichtsdiskussion kann ich nicht nachvollziehen, ich sehe Klimaschutz immer als einen Gewinn. Wenn ich mein Auto stehen lasse und mit Öffis fahre, ist es - dort wo es möglich ist - günstiger, schneller und bequemer. Wenn wir in unseren Städten keine lauten Abgasschleudern mehr herumfahren zu lassen, gewinnen wir Lebensraum. Unsere Städte werden ruhiger, gesünder, die Luft sauberer. Wenn wir das Tempo reduzieren, wird das Ganze auch noch sicherer. 

Ein großes Streitthema ist dabei auch die Ernährung.
Wenn ich weniger Fleisch esse, was fürs Klima gut wäre, tue ich auch meiner Gesundheit was Gutes. Der durchschnittliche Österreicher hat Übergewicht und isst aus medizinischer Sicht zu viel Fleisch. Ich sehe das nicht als Verzicht, sondern als Gewinn an Gesundheit.

Die Nachrichten rund um die Weltklimakonferenz setzen sich wenig mit Problemen und Lösungen auseinander, sondern berichten viel über das "Drumherum": Setzen Medien hier falsche Schwerpunkte?
Das sind Themen, die wir auch diskutieren müssen. Ist es notwendig, in diesem Land, mit diesem Sponsor eine Weltklimakonferenz abzuhalten? Darüber kann man und muss man auch berichten. Aber die letzten beiden Klimakonferenzen in Madrid und Glasgow waren im Ergebnis ja wirklich verheerend. In Glasgow hat der Vorsitzende das Ergebnis unter Tränen vorgegeben und gesagt, er versteht den Ärger der jungen Menschen, die mit dieser Konferenz nicht zufrieden sind. Ich fürchte, das wird auch bei dieser wieder ähnlich sein.

Also sind solche Konferenzen wenig sinnvoll?
Man darf nicht vergessen: Viele Nationen treffen sich und sprechen über die größte Herausforderung, vor der wir in diesem Jahrhundert stehen. Das ist schon ein positives Zeichen. Wir brauchen aber konkrete Maßnahmen, um die Pariser Ziele wirklich funktionierend aufzustellen. Nach wie vor haben wir dieses Limit, dass wir die Erwärmung unter 2 Grad begrenzen wollen, aber wie wir das tun müssen, ist noch viel zu wenig festgelegt.

Wie optimistisch bist du bei diesem Limit? Du sprichst schließlich schon von 2 Grad und nicht 1,5 Grad. 
Die 1,5-Grad-Grenze kippt gerade aus wissenschaftlicher Sicht einfach heraus. So wie wir jetzt unterwegs sind, ist dieses Limit nicht mehr realistisch. Aber im Pariser Klimaabkommen wird auch von einem Limit deutlich unter 2 Grad gesprochen. Und das ist etwas, was aus wissenschaftlicher Sicht noch möglich ist, wo ich aber auch sage, dass wir noch nicht auf Kurs sind. Wir sind derzeit in Richtung 3 Grad unterwegs. Und das bedeutet eine enorme Anhäufung an Katastrophen, die wir jeden Tag erleben werden.

Wieso ist die 2-Grad-Marke dann so wichtig?
Die 2-Grad-Marke ermöglicht es uns noch, unser Klima zu stabilisieren. Gehen wir darüber hinaus, fallen noch mehr Kipppunkte und kommen noch mehr Selbstverstärkungsmechanismen in Gang und dann ist die Erwärmung auch nicht mehr aufzuhalten. 

Die Klimaproteste nehmen zu und haben sich auch verschärft. Aktivist*innen blockieren Straßen oder veranstalten Störaktionen in Museen. Helfen die der Sache oder sind die eher hinderlich? 
Ich kann nicht sagen, ob ich das gut oder schlecht finde. Ich finde es aber verrückt, oder eigentlich schlimm, dass Menschen sich gezwungen sehen, solche Aktionen setzen zu müssen. Gerade bei jungen Menschen sehe ich, dass diese Verzweiflung und diese Angst vor der Zukunft so groß ist. Da ist es verständlich, dass sie auf sich aufmerksam machen wollen. Diese Menschen haben offensichtlich keine anderen Mittel mehr zur Verfügung, um auf das aufmerksam zu machen, was uns allen droht. 

Zum Schluss noch einmal zurück zu Österreich: Das Land will bis 2040 klimaneutral sein, wie sind wir da am Weg?
Wie sind wir am Weg? Schlecht! Wir sind eins der wenigen EU-Länder, die Jahr für Jahr mehr CO2-Emissionen aufweisen als im Jahr zuvor. Wir wollen aber bis 2030 radikal reduzieren und bis 2040 auf eine Nettonull kommen. Wir haben den richtigen Weg noch nicht einmal eingeschlagen. Und wenn wir die Trendwende hin zur Reduktion von Emissionen nicht heuer, nächstes Jahr oder übernächstes Jahr schaffen, dann geb' auch ich auf. Dann werden wir dieses Ziel fix nicht erreichen.

Das tut mir jetzt fast ein bisschen Leid, das so als Schlusswort stehenzulassen.
Ja, aber das ist die Realität. Theoretisch ist es aber noch möglich, und wir müssen daran glauben, sonst werden wir es noch weniger schaffen.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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