Neue Bauweise verschafft Elektro-Fähren einen Vorteil
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Damit Schiffe durch das Meer pflügen können, benötigt man viel Energie. Weltweit werden hauptsächlich fossile Treibstoffe eingesetzt, etwa Diesel oder gar besonders umwelt- und gesundheitsschädliches Schweröl. Schiffe mit Batterieantrieb gibt es derzeit noch wenige. Wenn, dann fahren sie meist kurze Strecken mit relativ niedriger Geschwindigkeit. In einem europäischen Forschungsprojekt wurde nun versucht, eine Hochgeschwindigkeitsfähre zu entwickeln, die neben dem emissionsfreien Betrieb noch einen weiteren großen Vorteil gegenüber konventionellen Schiffen mit sich bringt: Ein Baukastensystem soll es ermöglichen, ein Schiff schneller, einfacher und günstiger zu konstruieren.
Resultat ist schon im Einsatz
Das Projekt "Transport: Advanced and Modular" (TrAM) hat auch schon ein konkretes Resultat hervorgebracht. Die Fähre Medstraum (norwegisch für "mit Strom") ist in Stavanger Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes und verbindet die Stadt mit umliegenden Inseln und Ortschaften. "Die Medstraum ist die erste Fähre in dieser Klasse. Sie befördert 147 Passagier*innen mit bis zu 27 Knoten", erklärt Christoph Jürgenhake vom Fraunhofer Institut für Entwurfstechnik Mechatronik. Das IEM war mit 14 anderen Projektpartnern aus 7 Ländern Teil des Projektteams.
Kombinierbar statt komplett individuell
Im Schiffsbau sei es normalerweise so, dass Projekte nach individuellen Wünschen von Auftraggebern realisiert werden, sagt Jürgenhake. Das führe dazu, dass Schiffe nur die Anforderungen auf bestimmten Routen erfüllen können. Im Forschungsprojekt wurde analysiert, welche Teile eines Schiffes man zu einzelnen Modulen zusammenfassen könnte und wie man daraus einen Baukasten machen kann.
Das führte dazu, dass komplette Passagierkabinen, Kommandobrücken oder Rümpfe als Einheit kreiert wurden, die auch parallel konstruierbar sind und dann miteinander verbunden werden. Üblicherweise werden die Komponenten schrittweise zu einem Schiff zusammengefügt. Die neue Bauweise spare viel Zeit. Statt mehr als zwei Jahre von der Ausschreibung eines Schiffsprojekts bis zum fertigen Transportmittel zu benötigen, brauche man durch das Modulsystem nur noch ein Jahr.
Aufladen mit 2,3 Megawatt
Das Batteriemodul besteht bei der Medstraum aus 2 Räumen, die nicht im Schiffsrumpf untergebracht sind, sondern über Wasser. "Dort kann man seine Größe bequem anpassen und es etwa auch für Schiffe mit einem Flachwasserrumpf verwenden", sagt Jürgenhake. Die Batterien seien so auch leichter zugänglich. Das ganze Modul könne auch mit anderen Energietechnologien ausgestattet werden, etwa mit Wasserstoff und Brennstoffzellen.
Die Medstraum enthält Lithium-Ionen-Batteriepakete mit einer Gesamtkapazität von 1,5 Megawattstunden. Das reicht aus, um eine rund einstündige Tour auf einer fixen Route zurückzulegen. Bei jedem Halt in Stavanger werden sechs Stromkabel mit CCS-Anschluss, wie man sie von Schnellladestationen für E-Autos kennt, eingesteckt. Mit einer maximalen Ladeleistung von 2,3 Megawatt werden die Akkus in 25 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufgeladen. Für die Elektrofähre und ihre künftigen Schwesterschiffe wurde eigens eine 8-Megawatt-Leitung in den Hafen von Stavanger verlegt.
Doppelter Nutzen für Verkehrsunternehmen
In das Verkehrsnetz der Stadt ist die Fähre durch eine App eingebunden, mit der die Passagier*innen sämtliche öffentliche Verkehrsmittel nutzen können. Für den Verkehrsdienstleister der Stadt, Kolumbus, zahlt sich der Einsatz aus. Gegenüber einem Schiff mit konventionellem Antrieb spart man im Jahr 1500 Tonnen CO2 ein. Das entspricht den Emissionen von 60 Bussen.
Das Interesse an der Medstraum, die in Norwegen den Titel "Schiff des Jahres" verliehen bekam, ist groß. Die EU arbeitet an neuen Regeln, die Schiffe ab 2030 in den CO2-Emissionshandel integrieren. Mit E-Fähren könnte man sich nicht nur Strafzahlungen ersparen, sondern auch Zertifikate generieren und verkaufen.
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