Ein Bakterienteppich färbte den schweizerischen Luganosee 2023 grün.
Blaualgen-Alarm in Österreich: Warnsystem soll Badegäste schützen
Gerade zur Sommer- und Ferienzeit flüchten sich viele vor der sengenden Hitze ans Wasser: Der Badespaß in Fluss und See verspricht die langerwartete Abkühlung. Natürliche Gewässer sind aber auch Lebensräume. Nicht nur Tiere fühlen sich darin wohl, sondern auch Mikroorganismen. Obwohl es manche allein beim Gedanken daran schon schüttelt, sind diese für ein intaktes Ökosystem unverzichtbar.
„Bakterien sind die Basis von fast allem. Im menschlichen Körper funktioniert etwa im Darm nichts ohne sie“, erklärt Alexandra Tietz. Die Biologin ist bei der Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien (MA 39) für das Monitoring der Badegewässer zuständig. Regelmäßige Tests sind wichtig, damit man rechtzeitig erkennt, falls die Menge potenziell gefährlicher Bakterien im Wasser zunimmt.
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Im Badewasser an der Donau tümmeln sich neben den Badegästen auch viele Bakterien, die für das Ökosystem unverzichtbar sind.
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Fäkalbakterien im Badewasser
Zwei Bakteriengruppen stehen im Fokus ihrer Analysen: „Escherichia coli und intestinale Enterokokken. Sie kommen von menschlichen und tierischen Ausscheidungen, z. B. von Wasservögeln. Diese Bakterien nennen wir Fäkalindikatoren“, erläutert Tietz. Die Präsenz dieser Organismen allein sei noch kein Grund zur Sorge. „Nur ganz wenige davon sind pathogen, also Krankheitserreger“, so die Expertin. Allerdings sei es bei einem vermehrten Vorkommen wahrscheinlicher, dass auch Krankheitserreger im Wasser sind.
Die Proben werden regelmäßig nach einem langjährig bewährten Verfahren gesammelt und im Labor ausgewertet (siehe unten). Ein Echtzeit-Monitoring ist noch Zukunftsmusik. Auf Viren werden die Gewässer auch nicht gesondert kontrolliert: „Die sind methodisch viel aufwendiger zu bestimmen. Wenn, würde man sie mit der PCR-Methoden erfassen, die man noch aus der Corona-Zeit kennt“, sagt Tietz. Derzeit gebe es dazu weder gesetzliche Vorschriften noch Grenzwerte.
Blau-grüne Bakterien bedrohen Gesundheit
Wegen dem Klimawandel macht sich aber auch zunehmend eine andere Spezies in heimischen Badegewässern breit, die man auch „Blaualgen“ nennt. Diesen Spitznamen hat man Cyanobakterien gegeben, weil sie in Gewässern zu riesigen Teppichen heranwachsen können und wie eine Algenblüte aussehen.
Leider können diese Bakterien unter gewissen Bedingungen Giftstoffe produzieren. Die Haut kann darauf allergisch reagieren oder sich entzünden, wie die Agentur für Ernährungssicherheit und Gesundheit (AGES) informiert. Schluckt oder atmet jemand größere Mengen davon ein, drohen Durchfall, Kollaps und sogar Lähmungen und Leberschäden.
Hunde können sterben, wenn sie die Bakterien fressen. Innerhalb von Stunden können Blaualgen bei passendem Nährstoffangebot und Temperaturen zu riesigen Teppichen heranwachsen. In Österreich sind sie momentan glücklicherweise noch eine Randerscheinung: 2023 löste etwa ein Befall des Stausees Ottenstein in Niederösterreich Panik aus und die Behörden verhängten einen Badestopp. Am Balkan oder in Deutschland kommen Blaualgen auch vermehrt vor. Wegen dem Klimawandel rechnen Experten künftig mit noch mehr Fällen.
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Bei Menschen können die giftigen Ausscheidungen der Bakterien gesundheitliche Probleme verursachen, Hunde können sogar sterben, wenn sie die Bakterien schlucken.
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Fakten
Cyanobakterien
gehören zu den ältesten Lebewesen der Welt. Wie Pflanzen können sie Photosynthese betreiben und mit Licht Sauerstoff herstellen. So haben sie zu Urzeiten dazu beigetragen, dass auf der Erde überhaupt Leben entstehen konnte.
Befall erkennen
Die Urzeitbakterien färben das Wasser blau oder grün. Typisch sind neben der Farbe Schlieren und Trübung. Die Bakterien erinnern an einen Algenteppich und werden deshalb gelegentlich mit Algen verwechselt. Sie produzieren manchmal Giftstoffe. Gewissheit bringt aber nur eine Laboranalyse.
20.000 Bakterienzellen
leben generell in einem Milliliter sauberem Wasser und es können sogar bis zu 200.000 sein. Ihr Vorkommen ist völlig natürlich und in den meisten Fällen kein Grund zur Sorge.
Frühwarnsystem für Bakterienblüte
Das AIT Austrian Institute of Technology entwickelt deshalb zusammen mit der AGES und weiteren Partnern ein Frühwarnsystem, das eine drohende Bakterienblüte vorhersagen kann. „Es soll ein Sensor entwickelt werden, der in Risikogebieten vorzeitig solche Situationen erfasst und mittels einer Trendanalyse eine Aussage ableitbar macht, die dann sagt: Achtung! In 3 bis 4 Tagen könnte es ein Problem geben“, erklärt der Projektleiter Martin Jung vom AIT.
Der Sensor soll Licht in einer bestimmten Wellenlänge nutzen. Er registriert dann, wie viel davon absorbiert wird. Auf dieser Basis könnte man schätzen, wie viele Bakterien im Wasser sind. Allerdings droht Verwechslungsgefahr mit regulären Algen, die das Wasser ebenfalls trüben. „Wir überlegen deshalb auch, ob man Giftstoffe über einen Sensor messbar machen kann, auch wenn man diese mit dem Auge nicht sieht“, sagt Jung.
Zum Frühwarnsystem soll der Sensor in Kombination mit einer Software werden. Die Grundlage sind Feldstudien, Daten über historische Vorkommen und Wetter- und Satellitendaten. „Wir versuchen eine Korrelation abzuleiten, damit später Vorhersagen oder Warnungen möglich werden“, erklärt der Forscher.
Auch für Trinkwasser relevant
Den Detektor würde man im Risikogewässer aufstellen. Durch einen Datenabgleich soll die Software berechnen, ob und wann eine Gefahrensituation droht, damit Behörden die Bevölkerung warnen und rechtzeitig Maßnahmen starten können.
Es geht dabei nicht nur um Badewasser. Obwohl die Bakterien das österreichische Trinkwasser nicht gefährden, ist das jenseits der Grenzen anders: „Wenn man in unsere Nachbarländer schaut, die Oberflächenwasser für Trinkwasser nutzen, dann kann das ein Problem werden“, sagt Jung. Hier könnten solche Warnsensoren Leben retten.
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Cyanobakterien erkennt man an einer Trübung des Wassers, Schlieren und einer blauen oder grünen Farbe.
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So kontrollieren Profis Seen und Flüsse
In den meisten Bundesländern ist für die Überwachung der Wasserqualität die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zuständig. In Wien macht die MA 39 alle 2 Wochen Kontrollen an fixen Stellen. Diese werden inspiziert und dann Wasserproben genommen. Direkt vor Ort feststellen können die Experten den pH-Wert, die Leitfähigkeit, Sauerstoffgehalt und Temperatur.
Die Proben werden dann 2 Tage lang bei 44 Grad mit einem Nährmedium inkubiert. Danach wird die Konzentration an Fäkalbakterien darin bestimmt, die man mit Referenzwerten vergleicht. Die Ergebnisse werden i.d.R. am selben Tag im Internet veröffentlicht.
Trübung erstes Anzeichen für „Blaualgen“
Erste Hinweise für Cyanobakterien gibt eine Trübung, die Experten mit schwarz-weißen Secchi-Scheiben erkennen. „Meistens ist das eine runde Kunststoffscheibe, die man an einer Kette ins Wasser hinunterlässt. Dann schaut man, ab wann man sie nicht mehr sieht“, erklärt Alexandra Tietz (MA 39). Das genaue Ergebnis liefert aber erst die Laboranalyse.
Die AGES bietet Cyanobakterien-Tests auch Privathaushalten an. „Wir benötigen mindestens 250 ml Probe, möglichst luftblasenfrei abgefüllt in einer abgedunkelten Glasflasche. Die Probe sollte zeitnah überbracht und bis zur Übergabe gekühlt gelagert werden“, sagt Bernhard Reichl, Leiter des Instituts für Hydroanalytik.
Die Untersuchung kostet 291 Euro und sollte nur in Verdachtsfällen erfolgen. Eine Probe kann man an den AGES-Standorten in Linz, Graz und Wien Währinger Straße abgeben.
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