Fusionskraftwerk von Gauss Fusion.

So soll das Fusionskraftwerk von Gauss Fusion aussehen.

© Gauss Fusion

Science

Das sind die Pläne für Europas erstes Fusionskraftwerk

Garching bei München ist ein Zentrum der Kernfusion in Europa. Dort befindet sich nicht nur der experimentelle Fusionsreaktor ASDEX Upgrade, auch das junge Start-up Gauss Fusion hat dort seinen Sitz. Das 2022 gegründete Unternehmen hat nun das erste Design für ein kommerzielles Fusionskraftwerk präsentiert

Das Kraftwerk namens GIGA wurde zusammen mit Partnern aus mehreren Ländern entwickelt und soll ein "Eurofighter der Fusion" sein. Es soll das erste voll funktionstüchtige Fusionskraftwerk in Europa werden, das auch Strom ins Netz speist. Der Entwurf dafür wurde an die deutsche Regierung übergeben. Diese kündigte erste vor wenigen Tagen ihren 2 Milliarden Euro schweren Aktionsplan für Kernfusion an.

Mehr als 1.000 Seiten starker Plan

Das Design wurde über 3 Jahre hinweg gemeinsam mit Industriepartnern erstellt und soll mehr als 1.000 Seiten umfassen. Der Plan soll alle kritischen Systeme eines funktionierenden Fusionskraftwerks umfassen - von der Architektur über die Wärmeabfuhr, Kühlungssysteme für die supraleitenden Magnete, Netzeinspeisung, den Sicherheitsrahmen bis hin zu den Betriebsabläufen und Überlegungen zum radioaktiven Abfallmanagement. 

Die Partner

  • Deutschland: In Deutschland kooperiert Gauss Fusion mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Forschungszentrum Jülich (FZJ) und dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP). Auf Seiten der Industrie wird das Unternehmen durch den Anteilseigner RI Research Instruments und den strategischen Partner Bruker EAS unterstützt.
  • Italien: Gauss Fusion kooperiert mit der Nationalen Agentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung (ENEA), dem italienischen Konsortium für angewandte Supraleitung (ICAS), mit SIMIC im Bereich Anlagenbau sowie mit ASG Superconductors, unterstützt durch Gauss Fusions Anteilseigner, die Familie Malacalza.
  • Frankreich: Hier besteht eine Kooperation mit Alsymex, unterstützt durch Gauss Fusions Anteilseigner Alcen, bei Fertigungsmachbarkeit und Prototypentwicklung, Partnerschaft mit Assystem im Bereich Systemtechnik, und Zusammenarbeit mit CEA.
  • Spanien: In Spanien arbeitet Gauss Fusiom mit einem weiteren Anteilseigner, IDOM, an der komplexen technischen Auslegung des umfassenderen Brennstoffkreislaufs; es wird eine strategische Partnerschaft mit IFMIF-DONES angestrebt.

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Ein zentrales Thema ist der Tritium-Brennstoffkreislauf. Im Plan soll beschrieben sein, wie der Brennstoff direkt im Reaktor erzeugt, extrahiert und verwendet werden kann. Der gesamte Report ist allerdings nicht online abrufbar. 

Stellarator mit einem Gigawatt elektrischer Leistung 

Das GIGA-Kraftwerk soll eine elektrische Leistung von einem Gigawatt haben (daher der Name) und Mitte der 2040er-Jahre fertig sein. Anders als der wohl berühmteste europäische Fusionsreaktor ITER, der momentan in Südfrankreich gebaut wird, handelt es sich bei GIGA um einen Stellarator und nicht um einen Tokamak. Bei beiden Reaktorarten wird das mehr als 100 Millionen Grad heiße Plasma durch Magnete in der Schwebe gehalten. Bei ITER handelt es sich außerdem nur um einen riesigen Forschungsreaktor, GIGA soll ein fertiges Kraftwerk mit allem Drum und Dran darstellen.

Stellarator (links) und Tokamak (rechts).

Stellarator (links) und Tokamak (rechts).

Während das Plasma beim Tokamak ringförmig wie ein Donut aufgebaut ist, ist das Plasma bei einem Stellarator wie ein Möbiusband in sich verdreht. Grund dafür ist das speziell geformte Magnetspulensystem

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Der Aufbau eines Stellarators und die Kontrolle des Plasmas ist zwar komplizierter als der eines Tokamak, er hat aber einen enormen Vorteil im Betrieb. Dadurch, dass man beim Stellarator selbst keinen Strom in das Plasma induzieren muss, um es in der Schwebe zu halten, kann er theoretisch durchgehend betrieben werden. Bei einem Tokamak muss eine riesige Magnetspule in der Mitte des Donuts dafür sorgen, dass das Plasma elektrifiziert wird. Das funktioniert aber nur in zeitlich beschränkten Pulsen. Bei ITER werden 300 bis 500 Sekunden angestrebt. Ziel ist aber, die Betriebsdauer von künftigen Kraftwerken deutlich zu verlängern.

240 Millionen Grad Celsius Kerntemperatur

In einer Studie aus dem Jahr 2024 sind auch die Eckpunkte von GIGA dargelegt. Demnach soll das Fusionskraftwerk eine Gesamtleistung von 3 Gigawatt haben, ein Gigawatt davon elektrisch, zwei Gigawatt thermisch. Für den Start der Fusionsreaktion sollen lediglich 40 MW nötig sein, die Kerntemperatur des Plasmas soll bei rund 240 Millionen Grad Celsius liegen. Als Brennstoff dient eine Mischung aus Deuterium und Tritium, das zwischen 100 und 150 Millionen Grad zu Helium verschmilzt. Das selten vorkommende Tritium soll im Reaktor selbst erbrütet werden.

Die Lebensdauer des Vakuumgefäßes, in dem das Plasma gehalten wird, und der supraleitenden Magnetspulen wird mit 40 Jahren angegeben. Die Hülle, also die erste Wand innerhalb des Vakuumgefäßes, soll 5 Jahre lang halten. Die Magnetspulen sollen in der Größenordnung von ITER gebaut werden, also mit etwa 35 Metern Durchmesser (Details dazu hier). Der Bau soll bereits Anfang der 2030er-Jahre beginnen.

15 bis 18 Milliarden Euro

Gauss Fusion nennt auch einen Kostenrahmen, der für die Entwicklung und den Bau ihres GIGA-Kraftwerks erwartet wird. Die Analyse geht von 15 bis 18 Milliarden Euro aus. Das ist durchaus sportlich. Die Kosten von ITER, der noch kein fertiges Fusionskraftwerk darstellt, sondern lediglich eine Vorstufe davon, werden auf 25 Milliarden Euro geschätzt. Wie viel ITER am Schluss wirklich kosten wird, ist noch nicht abzusehen. 

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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