Supraleiter müssen bislang meist mit Stickstoff gekühlt werden.

Supraleiter müssen bislang meist mit Stickstoff gekühlt werden.

© Wikimedia Commons/CC BY-SA 3.0/Mai-Linh Doan

Science

Supraleiter bei Raumtemperatur: Wieso Experten skeptisch sind

Ein Supraleiter, der bei Raumtemperatur funktioniert, ist so etwas wie der Heilige Gral der Materialphysik. Seit Jahrzehnten wird daran geforscht. Südkoreanischen Wissenschaftlern soll nun der Durchbruch gelungen sein. Ein Material namens LK-99 soll Supraleitung bei Raumtemperatur und normalem Umgebungsdruck ermöglichen.

Der Hype um den vermeintlichen Erfolg ist - vor allem in sozialen Medien - groß. Expert*innen melden allerdings Bedenken an. Zum einen sei die veröffentlichte Preprint-Studie nicht detailliert genug. Zum anderen hätten sich in der Vergangenheit viele angebliche Paradigmenwechsel als leere Versprechen herausgestellt. Was lässt die Fachleute genau zweifeln?

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Experte: "Sie wirken wie echte Amateure"

"Sie wissen nicht viel über Supraleitung und die Art und Weise, wie sie einige der Daten präsentiert haben, ist fragwürdig", sagt Michael Norman, Physiker am US-amerikanischen Argonne National Laboratory, gegenüber dem Fachmagazin Science. "Sie wirken wie echte Amateure".

Laut Norman sei vor allem das Material, das die beiden südkoreanischen Wissenschaftler verwendet haben, wenig vielversprechend. Chemisch handelt es sich bei LK-99 um ein sogenanntes Bleiapatit, eine Verbindung aus Blei, Sauerstoff und Phosphat. Dieses wurde von den Forschern modifiziert, indem man Bleiatome durch Kupfer ersetzte. 

Blei- und Kupferatome hätten, so Norman, aber eine ähnliche Struktur. Das Austauschen einiger Bleiatome durch Kupferatome dürfte die Eigenschaften des Materials also nicht wesentlich verändern. Darüber hinaus seien Bleiatome sehr schwer. Dies sollte eigentlich die Schwingungen unterdrücken und die Paarbildung der Elektronen erschweren, erklärt der Physiker.

Material könnte "Sweet Spot" treffen

Wie genau das Material die Supraleitfähigkeit ermöglicht, erklären die beiden südkoreanischen Wissenschaftler nicht. Die Forscher spekulieren, dass die Dotierung in ihrem Material "lange, natürlich vorkommende" Ketten von Bleiatomen minimal verzerren könnte, was wiederum die Supraleitung möglich macht. 

Dies hält Nadya Mason, Physikerin an der Universität Illinois, für nicht ausgeschlossen. Sie weist im Interview mit Science darauf hin, dass die beiden Forscher auch Ladungswellen in den Ketten vermuten. Ein ähnliches Ladungsmuster habe man in der Vergangenheit bereits bei Hochtemperatursupraleitern beobachtet. "Vielleicht trifft dieses Material wirklich den 'Sweet Spot' eines stark wechselwirkenden, unkonventionellen Supraleiters", so Mason. 

Bald wird es Gewissheit darüber geben, ob die Ergebnisse reproduzierbar sind. Physiker*innen aus aller Welt stellen LK-99 bereits auf den Prüfstand. Darunter auch Norman: "Wenn das echt ist, werden wir es innerhalb einer Woche wissen", so der US-Physiker.

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