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Science

Was Roboter in der Coronakrise leisten

„Tragen Sie bitte einen Mund-Nasen-Schutz“. In Wien kennt man diese Aufforderung von der Polizei, die am Donaukanal patrouilliert. In Shanghai übernimmt diese Aufgabe ein kastenförmiger Roboter auf 4 Rädern und großen „Kamera-Augen“, wenn er Menschen ohne Maske ortet. Wiederum in Singapur weist der robotische Hund Spot Parkbesucher auf die Abstandregeln hin, wenn sie zu eng zusammenstehen.

Weltweit kommen Roboter im Kampf gegen die Pandemie zum Einsatz – sei es für niederschwellige Arbeiten oder in lebensbedrohlichen Situationen. Das ist auch ihre Bestimmung: „Historisch gesehen wurden Roboter entwickelt, um uns Menschen Arbeiten abzunehmen, die langweilig, schmutzig oder gefährlich sind. Ihr erster und nach wie vor größter Einsatzbereich ist in der Industrie“, sagt die Roboterpsychologin Martina Mara von der Johannes Kepler Universität der futurezone.  Ähnlich wie in der Industrie täten sich auch bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten Umgebungen auf, die für Menschen potenziell gefährlich, für Roboter aber harmlos sind.

Medikament ans Bett

Etwa in Krankenhäusern: Während im italienischen Circolo-Spital ein Roboter Informationen über den Gesundheitszustand der Patienten sammelt, bringt ein anderer in Indien Medikamente und Essen ans Krankenbett. Währenddessen kümmert sich der weltweit gefragte Roboter UVD um die Desinfektion der Räume per UV-Licht.

Für mehr Komfort bei den Patienten sorgen humanoide Roboter – allen voran Pepper. Ausgestattet mit einem Mikrofon und einem Bildschirm ermöglicht er es Patienten aus aller Welt, sich virtuell mit ihren Angehörigen zu unterhalten. 

Maschinen können auch psychologisch wertvoll sein: „Es gibt Roboter oder animierte Gadgets, die Lieder abspielen oder Spiele spielen können. Es gibt auch interaktive Produkte wie die robotische Kuschel-Robbe ,Paro’, die körperliche Nähe simuliert und auf Streicheln mit einer Art Schnurren reagiert. Für zwischendurch kann das schon unterhaltend sein“, so Mara. Weil die Interaktionen mit ihnen derzeit aber oft noch wenig komplex seien, halte die Freude daran selten langfristig an. 

Neue Zeit

Wie lange die Begeisterung für robotische Helferlein nach der Coronakrise halten wird, wird sich zeigen. Generell scheinen sie durch die Pandemie aber mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. „In der Robotik wird die Coronakrise durchaus als bedeutungsvoll für den technischen Fortschritt angesehen. Das internationale Fachjournal Science Robotics hat COVID-19 in einem Leitartikel beispielsweise als ,Katalysator’ für die Entwicklung und Verbreitung von Robotersystemen bezeichnet“, sagt die Forscherin.   

Und doch scheint es geografische Grenzen zu geben. So bekommt man diese Entwicklungen in Österreich kaum zu sehen. „Die Verbreitung ist insgesamt wohl noch nicht so weit, wie so manches Video im Internet vermuten lässt und der Stellenwert der Roboter im Kampf gegen die Krise dementsprechend noch eingeschränkt“, sagt Mara.

"Robot Bullying"

Dass Roboter durch heimische Straßen patrouillieren und auf Sicherheitsmaßnahmen aufmerksam machen, wäre selbst für die Roboterforscherin eine sonderbare Vorstellung: „Es klingt ja schon ein bisschen nach technokratischem Überwachungsszenario. Aber wenn wir es durchspielen wollen, könnte ich mir vorstellen, dass es zu ,Robot Bullying’ kommt. Dieser Begriff ist in der Forschungscommunity vor etwa 10 Jahren aufgetaucht und bezeichnet aggressives oder schikanierendes Verhalten gegenüber Robotern.“

Anhand von Videoanalysen in einem asiatischen Shoppingcenter wurde laut Mara schon vor Jahren gezeigt, wie Kinder und Jugendliche versuchen, einen Informationsroboter auszutricksen, ihm den Weg versperren oder ihn treten. „Wenn ich mir jetzt so einen patrouillierenden Roboter auf der Mariahilferstraße vorstelle, wäre der wohl auch schnell Opfer von Spötteleien – spätestens wenn es ihn über die Gehsteigkante schmeißt“, sagt die Expertin.

Mehr Akzeptanz

Anstatt robotischer Wachtposten wären Auskunftsroboter oder eine Art interaktives Maskottchen, das auf spielerisch-sympathische Weise etwa über die Sinnhaftigkeit von Schutzmaßnahmen informiert, hierzulande eine bessere Alternative. „Die Intention der Entwickler müsste jedenfalls als vertrauenswürdig eingestuft werden“, sagt Mara. 

Wesentlich sei auch ein Reality Check: „Nämlich insofern, dass klar wird, dass Roboter keine Super-Androiden sind, wie wir sie aus Science Fiction kennen, sondern häufig noch recht eingeschränkt funktionale Maschinen.“   

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Roboterhund Spot mahnt Parkbesucher in Singapur, den Mindestabstand einzuhalten

Weg von Science Fiction

Aktuell befasst sich die Roboterforschung vermehrt mit der Verknüpfung von robotischer Hardware und künstlicher Intelligenz, weiß Mara. Letzteres soll dazu beitragen, dass Roboter ihre Umwelt besser wahrnehmen, analysieren und beispielsweise akkurater auf menschliche Interaktionspartner reagieren können.

Im Robopsychology Lab in Linz werden unter anderem kollaborative Roboter erforscht, die in der Industrie physisch nahe mit Menschen zusammenarbeiten sowie  Exoskelette, die man laut Mara als „Roboter zum Anziehen“ bezeichnen könnte. „Man sieht: Alles relativ weit weg von den stereotypen Science-Fiction-Bildern.“   

Roboterpsychologin aus Linz

Martina Mara (40) ist Roboterpsychologin am Linz Institute of Technology (LIT) der Johannes Kepler Universität. Speziell befasst sie sich mit diversen Gestaltungsmöglichkeiten für Roboter, sodass sie mit Menschen in Harmonie zusammenleben und -arbeiten können.

Ihr berufliches Leben hat Corona auf den Kopf gestellt: „Für mich als Uni-Professorin hat Corona die große Herausforderung mit sich gebracht, alle Vorlesungen im Schnellverfahren komplett auf Videolehre umzustellen und die Forschungsaktivitäten in meinem Lab immer wieder umzuplanen.“ 

Alternativen nötig

Geplante Studien, bei denen Versuchspersonen an der Uni mit Virtual-Reality-Headsets oder Robotern hantieren hätten sollen, mussten verschoben werden. Alternativ wurden beispielsweise Online-Umfragen erstellt. „Mit meinen Studierenden habe ich dann zum Beispiel spontan eine Online-Untersuchung zu sozialen Medien und Corona-Verschwörungsnarrativen konzipiert“, so Mara. 

Nun will die Wissenschafterin gemeinsam mit ihrem Team zur Bewältigung der Krise beitragen. Gearbeitet wird weitgehend noch im Homeoffice – der Unterricht findet über Videokonferenzen statt. Und das bleibt eine Herausforderung: „Ehrlich gesagt: Die Live-Atmosphäre im Hörsaal und der inspirative Austausch mit Kollegen bei der Kaffeemaschine oder bei einem Afterwork-Drink gehen mir schon ordentlich ab.“ 

Was sie sich wünscht ist, im Frühsommer die Forschung zu Mensch-Roboter-Kollaboration oder zur Akzeptanz von Exoskeletten in Industrieunternehmen wieder aufnehmen zu können. „Gleichzeitig ist mir aber bewusst, dass wir als Universitätsbedienstete im Prinzip privilegiert sind. Trotz Corona kann ich meinem Job relativ sorgenfrei nachgehen. Das ist bei vielen Menschen ganz anders.“

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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