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Wem gehört der Weltraum eigentlich?

Erkundungsflüge zum Mond und Mars, Tausende Satelliten für Internet aus dem All und erste Rohstoffentnahmen von Asteroiden. Nicht zuletzt durch private Weltraumfirmen wie SpaceX und BlueOrigin, aber auch zahlreiche aufstrebende Start-ups ist eine umtriebige neue Ära im All angebrochen. Doch wem gehört der Weltraum eigentlich? Wer bestimmt, wie viele Satelliten noch oben geschossen werden dürfen und wo sich die ersten Mond- und Marssiedler niederlassen können?

Viele rechtlichen Grauzonen

„Die kurze Antwort lautet: Der Weltraum gehört niemandem und jedem“, sagt Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) zur futurezone. Die lange Antwort fällt allerdings deutlich komplexer aus. „Während gewisse Bereiche wie die erdnahen Umlaufbahnen und Funkfrequenzen für Satelliten relativ klar geregelt sind, kommen wir bei der Besiedelung von Monden und Planeten sowie beim Abbau von Rohstoffen sehr schnell in rechtliche Grauzonen, die in der Praxis nicht erprobt sind“, erklärt der Weltraumexperte.

Groemer, OeWF founder and administrative director, tests the Moon Robot named 'Puli Rover' in the Sahara Desert, near Erfoud

Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF)

Als Grundlage des internationalen Weltraumrechts gilt auch heute noch der 1967 vereinbarte Weltraumvertrag (Outer Space Treaty) der Vereinten Nationen. Mitten im Kalten Krieg legte er fest, dass der Weltraum, einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper, allen Staaten zur Erforschung und Nutzung offensteht und frei zugänglich ist. Die Besitzergreifung durch eine Nation, sei es durch Benützung, Besetzung oder irgendeinen anderen Souveränitätsanspruch, ist damit ausgeschlossen.

Supermächte bringen sich in Stellung

Dass die Supermächte USA, Russland und China lange Zeit mit dieser Vereinbarung leben konnten, war auch dem Umstand geschuldet, dass es im All wenig zu holen gab. Nachdem die technologischen Verbesserungen erstmals den Abbau wertvoller Rohstoffe auf Asteroiden und dem Mond in greifbare Nähe rücken lassen und auch die tatsächliche Besiedelung des Erdtrabanten und des Mars kein futuristisches Hirngespinst mehr ist, wird das wohl nicht mehr lange so bleiben.

"Der Weltraum gehört niemandem und jedem"

Gernot Grömer | Direktor Österreichisches Weltraum Forum

„Das ist längst keine akademische Diskussion mehr. Auf dem Mond gibt es einige Orte, wo es schon bald um Schürfrechte gehen wird. Dazu zählt etwa das Wassereis am Südpol, die Metallvorkommen in den Maren, aber auch die Gegenden mit dem sehr seltenen und äußerst teuren Helium-3-Isotop“, erklärt Grömer. Einen Vorgeschmack diesbezüglich lieferte die Obama-Regierung bereits 2015. US-Bürger*innen und damit auch Unternehmen wurde damals erstmals das Recht eingeräumt, abgebaute Rohstoffe im Weltraum zu behalten.

Situation mit Antarktis vergleichbar

„Dieses Gesetz, das ein bisschen an die Schürfrechte im kalifornischen Goldrausch vor 150 Jahren erinnert, ist umstritten. Nach Ansicht vieler steht es im direkten Widerspruch zum Weltraumvertrag, der zwar das Schürfen von Rohstoffen erlaubt, aber die Besitznahme untersagt“, erklärt Grömer. Die Situation sei ein wenig mit der Antarktis vergleichbar, für die es ähnliche Vereinbarungen, aber eben auch Grauzonen gebe.

An electric 4WD vehicle designed to represent a vehicle used for an imagined Mars exploration drives near the C-Space Project Mars simulation base in the Gobi Desert outside Jinchang

Mit Simulationen auf der Erde bereitet sich die Menschheit auf die Besiedelung des Mars vor

Unklar sei auch, wem eine Station gehöre, die im Weltraum errichtet werde. Dem neuen US-Gesetz zufolge ist die Firma der Besitzer, die das Gebäude aufbaut. Laut Weltraumvertrag müsste aber zumindest der Zugang aufs Gelände und zu den dort befindlichen Ressourcen erlaubt bleiben. Laut existierenden Zusatzvereinbarungen muss auch gewährleistet sein, dass Raumfahrer in der errichteten Station jederzeit Schutz suchen können – etwa wenn ihr Leben in Gefahr ist.

Bereits 1700 Starlink-Satelliten im All

Für die aktuell größte Debatte sorgt derzeit aber die Flut an Satelliten, die Monat für Monat ins All geschossen werden. Allein Elon Musks Internetfirma Starlink bringt aktuell etwa 60 Satelliten im 2- bis 4-Wochen-Takt in den Orbit. Bereits 1700 stören in hellen Karawanen die Astronomen bei ihrer Arbeit, weitere Zigtausende werden in den kommenden Jahren durch verschiedene Anbieter hinzukommen und das Problem von Elektroschrott inklusive steigender Kollisionsgefahr weiter verschärfen.

Verantwortlich für die Vergabe der Umlaufbahnen und belegbaren Funkfrequenzen ist die International Telecommunication Union (ITU). Diese ist als Sonderorganisation bei den Vereinten Nationen angesiedelt und teilt diese nach einem festgelegten Schlüssel an alle Staaten der Welt zu. Das hat zu einem regelrechten Weltraumbasar geführt, auf dem selbst Inselstaaten wie Tonga ihre nicht benötigten Slots an Weltraumnationen verkaufen, die händeringend nach entsprechenden Genehmigungen Ausschau halten.

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Lichtverschmutzung im All durch Starlink-Satelliten

Stürzt ein Satellit oder ein anderes Flugobjekt ab und richtet Schaden auf der Erde an, ist der Staat verantwortlich, von dem aus der Start ins All erfolgte. Dass die rechtliche Durchsetzung von Ansprüchen in der Praxis kompliziert bleibt, zeigt das Beispiel des sowjetischen Satelliten Kosmos 954 im Jahr 1978. Der an Bord befindliche Kernreaktor verseuchte beim Aufprall einen 600 Kilometer langen Landstrich in Kanada.

Wer für Schäden haftet

Die Sowjetunion wies die Verantwortung an dem Unfall zurück, zahlte schließlich allerdings 3 Millionen kanadische Dollar für die Aufräumarbeiten und Dekontaminierung. Kanada hatte ursprünglich 6 Millionen gefordert. „Hätte sich die Sowjetunion kategorisch geweigert, wäre Kanada wohl oder übel nur der Gang zur Welthandelsorganisation WTO geblieben oder zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Solche Prozesse dauern aber Jahre, wenn nicht Jahrzehnte“, sagt Weltraumexperte Gröner.

Noch komplizierter werde es, wenn eines der rund 200 Millionen winzigen Schrottteilchen im All einen Schaden verursachen. Denn der Nachweis, welchen Ursprungs der Weltraummüll war, sei praktisch unmöglich. Ein weiterer Graubereich ist die Verpflichtung, ein potenziell existierendes Ökosystem im All nicht zu verunreinigen oder zu zerstören. Denn während sich etwa die US-Weltraumbehörde, aber auch die ESA freiwillig bereit erklärt haben, diesbezüglich höchste Sicherheitsstandards zu erfüllen, gibt es diese Zusage von China beispielsweise nicht.

Weltraumgesetz in Österreich und Luxemburg

Um sich gegen etwaige Regressforderungen abzusichern, haben einige Länder wie Österreich ein eigenes Weltraumgesetz verabschiedet. Dieses sieht vor, dass sich die Republik am Satellitenbetreiber schadlos halten kann. Laut Grömer ist aber auch das nicht unproblematisch: „Für junge, innovative Weltraum-Start-ups etwa aus dem Uni-Bereich ist diese Versicherungspflicht eine große Hürde. Der Status quo der wenigen etablierten Anbieter wurde damit leider einzementiert.“

Luxemburg sei das beste Beispiel, dass es auch anders geht. „Während seit Einführung des Gesetzes gerade einmal 3 Satelliten mit österreichischer Flagge ins All geschickt wurden, waren es im selben Zeitraum in Luxemburg 24. Mit ihrem innovationsfreundlichen Gesetz locken sie aufstrebende Betreiber an und sind nun drauf und dran, sich als ein neues Zentrum der europäischen Raumfahrt zu etablieren. So etwas wäre für Österreich eigentlich auch wünschenswert“, sagt der Direktor des Österreichischen Weltraum Forums zur futurezone.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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