Chinas neue Stealth-Kanone soll Weltraumschrott vom Himmel schießen
Chinesische Forscher haben eine Kanone vorgestellt, die gefährliche Trümmer aus der Erdumlaufbahn entfernen soll. Das kompakte Gerät ist äußerst unauffällig und beschleunigt das Projektil mithilfe von Schießpulver.
Anders als bei anderen Waffen entstehen dabei allerdings kein Rauch, keine starken Vibrationen und auch keine Lichtblitze. Ein energieabsorbierender Mechanismus verhindert diese Effekte. Laut einer Studie seien Vibrationen und Lichtblitze seit langem ein Problem für weltraumgestützte Waffen.
Die neue Abschussvorrichtung scheint diese allerdings zu verhindern. "So entstehen keine schädlichen Erschütterungen der Startplattform", erklärt der Forschungsleiter Yue Shuai von der Nanjing University of Science and Technology gegenüber der South China Morning Post.
Netz fängt Weltraumschrott auf
Mit Startplattform ist etwa ein Satellit gemeint, der sich in der Nähe des Weltraumschrotts befindet. Dieser schießt dann eine Kapsel, in der sich ein Netz befindet, auf das entsprechende Trümmerteil. Das Netz entfaltet sich, umschlingt das Trümmerteil und zieht es mit in die Atmosphäre, wo es dann verglüht.
Dass bei diesem Vorgang so wenige Vibrationen wie möglich entstehen, ist wichtig, um die Instrumente und die Umlaufbahn des Ausgangssatelliten so wenig wie möglich zu stören. Beim Abfeuern wird dabei eine kleine Ladung an Schießpulver gezündet, wodurch ein Kolben vorangetrieben wird.
Um Schießpulver im Weltraum zünden zu können, ist ein Oxidationsmittel nötig. In einem Raum ohne Sauerstoff ist nämlich keine Zündung möglich. Moderne Munition enthält diesen allerdings bereits in der Schießpulvermischung. Ist der Druck hoch genug, bricht eine dafür vorgesehene Schwachstelle und gibt das Projektil frei.
Spezieller Ring absorbiert Vibrationen
Dieses trifft dann bereits in der Nähe der Mündung auf einen um 35 Grad abgewinkelten Ring, der den größten Teil der Bewegungsenergie und Vibrationen aufnimmt. Dadurch wird auch der Rückstoß minimiert. Der Winkel war laut den Forschern ausschlaggebend. Nur ein 35-Grad-Winkel erreicht eine optimale Energieabsorption.
Vlnr. Kanone, Hochgeschwindigkeitskamera, Laptop für die Auswertung der Aufnahmen und das Ziel.
© Nanjing University of Science and Technology
Der Ring kollabiert dann, die Kanone kann also nur einmal verwendet werden. Das bei der Explosion entstehende Gas wird in der Zwischenzeit durch einen Deckel in der Kanone gehalten, um Kontaminationen der Umgebung zu verhindern.
Günstige, etablierte Technologie
Im Vergleich zu elektromagnetischen Railguns, die ein Projektil durch starke Magnetfelder beschleunigen, brauche es bei dieser Kanone keine externe Energiezufuhr, keine supraleitenden Spulen und keine komplexen Kühlsysteme. Das System sei entsprechend günstig und könne in einer normalen Fabrik in großer Masse produziert werden.
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Laut den Forschern soll das System dazu verwendet werden, das immer größer werdende Problem des Weltraumschrotts zu lösen. Tausende Teile von stillgelegten Satelliten und verbrauchten Raketenstufen befinden sich momentan im Erdorbit und stellen eine Gefahr für die noch funktionierenden Satelliten und Raumfahrzeuge dar. Dass die Kanone auch gegen fremde Aufklärungs- und Kommunikationssatelliten verwendet werden könnte, ist allerdings naheliegend.
"Verdeckte Weltraumkriegsführung" befürchtet
Die South China Morning Post zitiert dabei einen unbekannten, in Peking ansässigen Weltraumwissenschaftler, der eine "verdeckte Weltraumkriegsführung" befürchtet. "Es gäbe keine Explosion, keinen sichtbaren Angriff, sondern nur einen Satelliten, der aufhört zu reagieren", so der Experte. "Für Außenstehende könnte es so aussehen, als hätte der Satellit auf natürliche Weise versagt".
Ob die Kanone bereits im Einsatz ist oder sich erst in der Entwicklungsphase befindet, ist unklar. Laut der Website der Nanjing University of Science and Technology hat das Team von Forscher Yue bereits "2 im Orbit befindliche Nutzlasten" im Einsatz. Weitere Nutzlasten, die für den Einsatz im Weltraum vorgesehen sind, sind geplant.