Ukraine rüstet M1 Abrams für die nächste Offensive auf
Noch ist der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in der „Winterpause“. Kälte und Schlamm reduzieren die Einsatzfähigkeit von Infanterie, Fahrzeugen und Panzern, weshalb beide Parteien primär auf Luft- und Artillerieschläge setzen.
Die Pause wird auch genutzt, um Ausrüstung zu warten und das bodengebundene Kriegsgerät für die Frühlingsoffensive vorzubereiten. Die Ukraine nutzt diese Phase etwa dafür, um die US-Kampfpanzer M1 Abrams nachzurüsten.
Diese Woche sind Videos in sozialen Netzwerken aufgetaucht. Sie zeigen den M1A1 mit M-19 ARAT-Platten.
Sprengstoff gegen Projektil
ARAT steht für Abrams Reactive Armor Tiles. Es handelt sich dabei also um speziell für den M1 Abrams gebaute Reaktivpanzerung der USA. Reaktivpanzerung agiert passiv. Sie besteht üblicherweise aus Sprengstoff und einer Metallplatte. Wird die Reaktivpanzerung getroffen, explodiert der Sprengstoff und schleudert dem Projektil oder Schrapnell die Metallplatte entgegen. Besonders Hohlladungsgeschosse, die zum Durchschlagen von Panzerung entwickelt wurden, lassen sich damit abwehren.
Das ARAT-System besteht, wie viele Reaktivpanzerungen, aus mehreren Kacheln. Daher das „Tiles“ im Namen. Beschossene oder beschädigte Kacheln können einzeln getauscht werden. An jeder Seitenschürze des M1 sind 32 Kacheln, die die Wanne des Panzers schützen.
Für den Golfkrieg entwickelt
In den Videos und Fotos ist ARAT gut an den Schürzen der Panzer zu sehen. Die meisten wurden grün lackiert, bzw. foliert, um zur Woodland-Tarnbemalung des M1A1 zu passen. Üblicherweise ist das M-19 ARAT sandfarben, weil es für den Irakkonflikt entwickelt und ab 2006 von der US-Armee genutzt wurde. Die dort eingesetzten Abrams-Kampfpanzer waren sandfarben. In den Aufnahmen aus der Ukraine ist zu sehen, dass die Schürzenhalterung für die Kacheln nach wie vor sandfarben ist.
Schutzwirkung
ARAT ist auch für den Turm der Abrams-Panzer verfügbar – diese sind aber bei den ukrainischen M1A1 nicht zu sehen. M-19 ARAT soll Projektile mit einer Penetrationstiefe von 500 bis 550 Millimeter abwehren können. Dies reicht nicht, um aktuelle Geschosse eines russischen T-90 abzuwehren (BK-29M Durchschlagskraft: 650 – 750mm), schwächt diese aber zumindest ab, bevor die eigentliche Panzerung des M1A1 erreicht wird.
Gedacht war das M-19 ARAT ursprünglich, um Infanterie-Panzerabwehrwaffen abzuwehren, wie die Geschosse des russischen RPG-7, der im Irak und Afghanistan weitverbreitet war. Aber selbst für diesen gibt es moderne Tandemhohlladungen, die eine Penetration von 600 bis 700mm ermöglichen. Seit 1989 ist bei der russischen Armee das Nachfolgemodell RPG-29 im Einsatz, das mit der Standardmunition 750mm Panzerstrahl durchschlagen kann.
In den USA wurde später das ARAT II entwickelt und eingesetzt. Dabei gibt es eine zusätzliche gebogene Lage über den Kacheln. Die Kurven bieten zusätzlichen Schutz, indem sie kleinere Projektile ablenken. Sie sollen improvisierte Sprengkörper am Straßenrand, kleinere Geschosse und Splitter aufhalten, bevor diese die Reaktivpanzerung auslösen.
M1A1 wurden ohne ARAT geliefert
Die Ukraine hat 31 der M1A1 Abrams erhalten. Das aktuelle Modell, M1A2, wollten die USA nicht schicken. Stattdessen wurden gebrauchte M1A1 überarbeitet, bzw. aus alten Ersatzteilen zusammengebaut und so kampffähig gemacht. Die USA haben das damit begründet, dass der M1A1 für die ukrainischen Soldat*innen leichter zu fahren sei. Tatsächlich wollten wohl die USA nicht ihre modernen M1A2 „opfern“ und Russland nicht die Chance geben, die Effektivität der russischen Waffensysteme im Gefecht gegen den M1A2 zu testen.
Dass die M1A1 ohne ARAT an die Ukraine geliefert wurden, dürfte an den US-Exportrestriktionen liegen. Ob das ARAT von den USA direkt nachgeliefert wurde oder von einer mit den USA verbündeten Nation, ist nicht bekannt. Ebenfalls ist nicht klar, ob die Ukraine genügend M-19 ARAT bekommen hat, um alle 31 M1 Abrams damit auszustatten.
Schon vor dem M1A1 wurden andere Panzer, die die Ukraine von verschiedenen Nationen erhalten hat, mit Reaktivpanzerung aufgerüstet. Dazu gehören der amerikanische Schützenpanzer M2A2 Bradley und der deutsche Leopard in der kanadischen Variante 2A4V.