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US Army soll Prototyp von M1E3 Abrams noch dieses Jahr bekommen

Der von General Dynamics gebaute M1A2 Abrams ist seit 1992 der Kampfpanzer der US Army. Vor 2 Jahren konkretisierten die US-Streitkräfte das Vorhaben, einen Nachfolger zu finden. Dann kam es aber zu etlichen Verzögerungen, weshalb Rüstungsanalysten vermuteten, dass der nächste Abrams erst 2040 über das Schlachtfeld rollen wird.

Solange will die US-Armee aber nicht warten. Wie TWZ berichtet, soll ein Vor-Prototyp des M1E3 noch in diesem Jahr der US Army übergeben werden.

Der M1A2 Abrams ist der aktuelle Kampfpanzer der US Army. Er soll bald einen Nachfolger bekommen

M1E3 so frisch, dass die Farbe noch nicht trocken ist

Die Information kommt von Alex Miller, dem CTO der US Army. Auf der Hausmesse AUSA der US-Armee, die diese Woche stattgefunden hat, sprach er über den neuen Abrams Kampfpanzer. „Um es kurz zu machen: Vor 18 Monaten war ich bei General Dynamics. Dort sagten sie, dass wir den M1E3 frühestens 2032 sehen werden. Und ich sagte: nein.“

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Miller ist frustriert damit, wie lange die Entwicklung des M1E3 schon dauert: „Ich habe General Dynamics eine Herausforderung gestellt. Ich will einen Panzer bis Ende dieses Jahres haben und ein Platoon mit diesen Panzern bis Ende 2026. Mir ist klar, dass ein gewisses Prozedere bei der Entwicklung eingehalten werden muss, aber das muss schneller gehen. Einfach 3 oder 4 Jahre auf das Problem zu starren ist idiotisch und nicht länger akzeptabel.“ 

Im Dezember soll jetzt tatsächlich der erste M1E3 an die US Army übergeben werden. Allerdings werde es sich dabei um einen Pre-Prototyp, also ein sehr frühes Modell, handeln. „Mir wurde gesagt, der Panzer wird so frisch sein, dass noch nicht mal die Farbe trocken ist“, sagt Miller: „Aber je schneller wir jetzt handeln, desto schneller können wir uns um die Kommerzialisierung kümmern.“

Spezialisierte Unternehmen sollen Bauphase beschleunigen

Damit ist ein Strategiewechsel bei der Beschaffung von Rüstungsgütern bei der US Army gemeint. Anstatt alles von einem Anbieter zu fordern oder selbst zu entwickeln, sollen essenzielle Komponenten von spezialisierten Unternehmen kommen. Davor will aber die US-Armee erst anhand des Pre-Prototyps ihre Anforderungen und Wünsche für den neuen Kampfpanzer konkretisieren.

Miller deutet an, dass der Antrieb des Pre-Prototyps von Caterpiller kommt und das Getriebe von SAPA. „Der Panzer wird ein Hybrid sein, nicht vollelektrisch“, erklärt Miller: „Da, wo wir mit dem Panzer fahren, gibt es nämlich keine Ladesäulen. Durch das Generieren der Elektrizität für den Antrieb mit flüssigem Treibstoff, könnten wir aber vermutlich 40 Prozent effizienter sein, als beim M1A2.“

Abgesehen von der Treibstoffersparnis, verspricht ein Hybrid-Antrieb weitere Vorteile, wie etwa einen „Schleichgang“, der bei Bedarf aktiviert wird. Die leisere elektrische Fahrt soll das Aufspüren des M1E3 durch den Feind verhindern. Außerdem würden dabei keine heißen Abgase entstehen, was das Erkennen des Panzers durch Wärmebildkameras erschwert.

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Umfangreicher Fragenkatalog für Rüstungsfirmen

Der Strategiewechsel bei der Beschaffung deutete sich schon zuvor an. Die US Army hat auf dem staatlichen Auftragsportal SAM.gov eine Umfrage unter der Rüstungsindustrie abgehalten. Dieser Prozess kann als eine Art Vorauswahl für die spätere Konkretisierung und Vergabe von Aufträgen gesehen werden.

M1A2 soll bald durch den M1A3 abgelöst werden - der M1E3 ist der Schritt dorthin

In der Umfrage werden die Unternehmen zu ihren Fähigkeiten befragt, Kommunikations- und Kampfkontrollsysteme zu integrieren, installieren und verifizieren. Weiters geht es um die Produktion von elektronischen Modulen, Displays und Komponenten zur Energieversorgung. Weitere Fragen drehen sich um Technologie zur Vorhersage von Wartungsarbeiten und dem Feuerleitsystem, inklusive neuer Visiere, Stabilisation und Laseranwendungen.

Die Unternehmen sollen zudem Information zu ihrer Infrastruktur und den zur Verfügung stehenden Werkzeugen liefern, die benötigt werden, um schwere Kettenfahrzeuge zu bauen. Das inkludiert Testlabore für den Antriebsstrang, die Möglichkeiten zur Herstellung von Panzerung, dem Lackieren und Lagern von Komponenten, der Logistik zum Transport der fertigen Fahrzeuge und wie die Unternehmen ihre bestehenden Fabriken für den Bau des M1E3 umrüsten oder welche neuen Einrichtungen sie dafür bauen müssten.

Durch diese neue Form der Zusammenarbeit mit der Rüstungsindustrie soll der M1E3 schneller bereitstehen. Miller erklärte das in einem früheren Gespräch mit Journalisten so: „Was wäre, wenn wir die Industrie die Lego-Bausteine richtig zusammenfügen lassen, die dann den M1E3 ergeben, anstatt so zu tun, als wüsste die Regierung als einzige, wie das richtig funktionieren kann? Wir lassen die Industrie ihre eigene Lieferkette aufbauen, anstatt uns einzumischen. Das verbessert deren Stabilität und Flexibilität.“

Die Wünsche der US Army

Miller wiederholte im April einige Wünsche der US Army an den neuen Kampfpanzer – zumindest indirekt. Die 120mm-Kanone und die Panzerung habe sich zwar jahrzehnte lang bewährt, aber man müsse schauen, was jetzt der Stand der Technik ist und nicht in den 80er- und 90er-Jahren war.

Auch den Autolader hat Miller angesprochen, wieder mit einer seiner Lieblingsphrasen. Man würde seit 10 Jahren auf das Problem starren, jetzt wolle man sich ansehen, wie die Industrie das Problem lösen kann. Ein Autolader soll den menschlichen Ladeschützen ersetzen, was die benötigte Besatzung reduziert und nötig ist, um einen unbemannten Turm bauen zu können.

Wie ein Abrams, der diese Ansprüche erfüllt, aussehen könnte, wurde von General Dynamics schon ansatzweise gezeigt. Mit dem AbramsX wurde vor 3 Jahren ein entsprechendes Konzept vorgelegt.

Ein im wahrsten Sinne des Wortes schweres Problem, das die Rüstungsindustrie beim M1E3 zu lösen hat, ist das Gewicht. Es gab immer wieder kleinere Upgrades, die das Gewicht des Panzers aber auf mittlerweile über 70 Tonnen angehoben haben.

Diese Vorgehensweise führte schon zu Unmut innerhalb der US-Streitkräfte. „Ihr könnt noch so viel Scheisse oben draufpacken, wie ihr wollt: Das Teil ist trotzdem 30 Jahre alt!“, soll ein hochrangiger US-Army-Offizier bei einer Besprechung zur Zukunft des M1A2 geschimpft haben.

Der Wunsch sei demnach, den M1E3 auf unter 60 Tonnen, oder zumindest nur auf knapp über 60 Tonnen, erschlanken zu lassen. Weniger Gewicht bedeutet einen einfacheren Transport und weniger Probleme, wenn es darum geht, ob Straßen und Brücken geeignet für den Kampfpanzer sind.

Unbemannter Turm

Viel Gewicht könnte gespart werden, wenn der M1E3 einen unbemannten Turm bekommt. Das ist einer der Punkte, der auf der Wunschliste der US Army sehr weit oben steht.

Das Konzept der unbemannten Türme steckt bei Kampfpanzern derzeit noch in den Kinderschuhen. Am nächsten zu einem serienreifen Kampfpanzer mit unbemannten Turm ist Russland mit dem T-14 Armata. Aufgrund widersprüchlicher Informationen ist derzeit nicht klar, ob die russische Armee mittlerweile serienreife T-14s hat oder nach wie vor nur Prototypen und Testexemplare.

China hat mit dem Type 100, der zuvor als ZTZ-201 bekannt war, einen neuen Panzer mit unbemannten Turm vorgestellt. Beim Type 100 dürfte es sich aber nicht um einen klassischen Kampfpanzer handeln, sondern einen leichten Kampfpanzer mit geringerer Panzerung und einer 105mm- statt der üblichen 120mm- oder 125mm-Kanone.

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Vorteile eines unbemannten Turms

Der M1A2 Abrams hat derzeit eine Besatzung von 4 Personen: Kommandant, Schütze, Lader und Fahrer. Lediglich der Fahrer sitzt in der Wanne. Alle anderen Besatzungsmitglieder befinden sich im Turm.

Ist der Turm unbemannt, heißt das, dass die gesamte Besatzung in der Wanne sitzt. Alles, was zuvor direkt im Turm gemacht wurde, wird dann von den anderen Plätzen „ferngesteuert“. Daher wird dieses Konzept in Englisch „Remote Turret“ genannt.

Das hat mehrere Vorteile. Die Besatzung ist in der stärker gepanzerten Wanne besser geschützt. Außerdem ist sie weiter von der Munition entfernt, sollte es durch einen Treffer zu Sekundärexplosionen im Magazin im Turm kommen.

Der menschliche Lader wird durch einen Autolader ersetzt. Bei einem modernen Design kann dadurch die Schussrate des Hauptgeschützes erhöht werden. Zudem werden moderne Ladungen für Kampfpanzer immer schwerer. Dem Autolader ist das egal, der wird nicht müde.

Andere Länder nutzen Autolader schon seit Jahrzehnten in ihren Kampfpanzern. Die USA haben das Konzept beim Abrams bisher noch nicht aufgegriffen.

Weniger Panzerung heißt weniger Gewicht

Sind keine Menschen im Turm, kann der kompakter und flacher gebaut werden. Das reduziert Gewicht. Außerdem wird der Turm dadurch schwieriger zu treffen. Deshalb, und weil keine Menschen mehr darin geschützt werden müssen, kann die Panzerung des Turms noch weiter reduziert werden, um erneut Gewicht zu sparen.

Der Turm ist immer eine Schwachstelle eines Kampfpanzers. Und wie der Ukraine-Krieg gezeigt hat, können selbst improvisierte, günstige Kamikaze-Drohnen Kampfpanzer zerstören. Auch moderne Panzerabwehrwaffen mit Hohlladungen durchschlagen problemlos den Turm eines Kampfpanzers.

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Aktive Schutzmaßnahmen statt dicker Panzerung

Daher wird die US Army beim M1E3 auf aktive Schutzmaßnahmen setzen. Neben einer Reaktivpanzerung sollen automatisierte Abwehrsysteme zum Einsatz kommen, die den Panzer von allen Seiten von anfliegenden Projektilen schützen. Möglicherweise könnte hierfür das israelische Trophy-System, bzw. eine Lizenzfertigung davon, genutzt werden.

Eine aktive Abwehr von Angriffen von oben, sei es durch Drohnen oder Panzerabwehrraketen, ist ebenfalls ein großer Wunsch der US-Armee. Hier wird die US Army noch ausloten, ob eine Kurzdistanzabwehr wie Trophy reicht, oder ob mehr Reichweite bei der Abwehr von Drohnen gewünscht ist.

Denkbar sei etwa die Integration von kompakten Luftabwehrraketen oder, was realistischer ist, ein Maschinengewehr oder eine Maschinenkanone am Turm mit unabhängiger Zielerfassung, das Drohnen und Raketen automatisch bekämpft. Mehrere Hersteller arbeiten an solchen Waffenstationen und Bilderkennungssystemen, um Ziele automatisch zu bekämpfen. Die Stationen können nicht nur auf Panzern, sondern auch Geländewagen und anderen Fahrzeugen montiert werden.

Eine Laserwaffe zur Abwehr von Bedrohungen dürfte aktuell kein Thema sein. Kompakte Laserwaffen sind noch zu groß oder ihre Leistung zu klein, wenn sie kompakter gebaut werden.

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Größere Kanone

Ein großes Fragezeichen beim M1E3 ist die Hauptbewaffnung. Wie Miller angedeutet hat, könnte die 120mm-Kanone ein Upgrade bekommen. Einige Rüstungkonzerne arbeiten an Panzerkanonen im Kaliber 130mm und 140mm, die entsprechend mehr Durchschlagskraft und Reichweite als die 120mm-Variante haben.

Der Wechsel wäre aber technisch ein großer Aufwand und würde die Logistik der US-Streitkräfte vor Herausforderungen stellen, weil dieses Kaliber derzeit noch nicht eingesetzt wird und es deshalb auch noch keine Munition dafür gibt. Passiert der Kanonenwechsel wirklich, würden die USA damit vorpreschen und ein neues Standardkaliber für NATO-Länder einführen.

Loitering Munition

Ein Wunsch der US Army könnte noch sein, dass der M1E3 Loitering Munition starten kann. Das würde seine Angriffsreichweite massiv erhöhen, Attacken ohne direkte Sichtverbindung ermöglichen und nebenbei könne damit das Schlachtfeld aus der Luft aufgeklärt werden.

General Dynamics hat erst vor wenigen Tagen mit PERCH ein Nachrüstkit für den M1A2 vorgestellt, mit dem er Switchblade-Kamikazedrohnen starten kann. Gut möglich, dass der M1E3 ein ähnliches Modul erhalten soll oder so ein Starter für Loitering Munition fix eingebaut wird.

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Neuer Schützenpanzer zusammen mit M1E3

Durch den beschleunigten Zeitplan ist es nun realistischer, dass der M1A3 zeitnahe mit dem M30 bei der Truppe in Dienst gestellt werden kann. Auch das war der US Army wichtig bei der Konzeption des M1E3. Der M30 ist ein Schützenpanzer, der den M2 Bradley ablösen soll.

Derzeit sind Rheinmetall und GDLS beauftragt, einen XM30 zu bauen - den Prototypen für den M30. Die Entscheidung, welches Design den Zuschlag erhält, soll Ende des Fiskaljahres 2027 gefällt werden. Im Idealfall würden dann 2029 die ersten M30 an die Truppen geliefert werden. 

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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