Meinung

Gentechnik: Am Thema vorbeigestritten

Stellen wir uns vor, jemand fordert ein Verbot von Küchenmixern. Schließlich werden mit Küchenmixern oft ungesunde Dinge wie Kuchen oder Torten zubereitet, die viel Fett und Zucker enthalten, und darum sei es besser, auf Küchenmixer zu verzichten.

Wir würden den Kopf schütteln und widersprechen: Das Argument ist völlig unsinnig. Der Küchenmixer ist bloß ein Werkzeug, mit dem man gesündere oder weniger gesunde Dinge zubereiten kann. So lange nicht der Küchenmixer selbst unserer Gesundheit schadet, etwa weil er kaputt ist und uns beim Mixen elektrische Schläge verpasst oder Schmieröl in den Teig tropfen lässt, ist er ein völlig akzeptables Küchengerät. Es ist unfair, dem Küchenmixer Nachteile eines übertrieben fettigen Tortenrezeptes anzulasten, das mit dem Mixer selbst nichts zu tun hat.

Keine Hinweise auf Gesundheitsprobleme durch Gentechnik

Aber genau diesen Fehler machen wir in der Diskussion über Gentechnik in der Landwirtschaft. Der Gentechnik selbst kann man schwer etwas anlasten: In vielen Ländern werden seit vielen Jahren gentechnisch veränderte Pflanzen produziert, verarbeitet und gegessen. Es gibt keinerlei Hinweise, dass dadurch irgendwelche Probleme entstehen. Es gab keine Unfälle, keine Schäden, keine Krankheiten.

Deshalb wird inzwischen oft zu ganz anderen Argumenten gegriffen: Es gehe eigentlich gar nicht um Gene, heißt es dann, sondern um Patente auf Pflanzen. Um Großkonzerne, die mit Saatgut Geschäfte machen wollen und arme kleine Bauern, die dadurch in Abhängigkeit und Verzweiflung getrieben werden. Oder die Diskussion wird überhaupt in eine Debatte über industrielle Landwirtschaft umgelenkt: Sollten wir Landwirtschaft nicht lieber kleinräumiger strukturieren? Sind Großbetriebe nicht grundsätzlich problematisch?

All das kann man diskutieren. Aber dann führen wir keine Gentechnik-Debatte, sondern reden über völlig andere Themen. Das Patentrecht wird nicht von Pflanzengenen festgelegt, sondern vom Gesetzgeber. Lizenzverträge für Saatgut kann man sowohl für gentechnisch veränderte als auch für gentechnisch nicht veränderte Pflanzen aufsetzen. Groß oder klein strukturierte Landwirtschaft kann man mit oder ohne Gentechnik betreiben.

Viele Schauergeschichten aus diesem Themenkreis stellen sich bei näherer Betrachtung als falsch heraus – etwa die Erzählung über angebliche Massen-Selbstmorde indischer Bauern, oder Geschichten über Saatgutkonzerne, die angeblich kleine Landwirtschaftsbetriebe verklagt haben sollen, weil der Wind nicht lizenziertes Saatgut auf ihre Felder geweht hat. Tatsache ist allerdings: Dass wir heute nicht hungern, verdanken wir einer effizienten, industriell organisierten Landwirtschaft. Mehrere Milliarden Menschen wären anders nicht zu ernähren.

Trotzdem ist natürlich richtig, dass die Landwirtschaft nachhaltiger werden muss. Natürlich wollen wir verhindern, dass kleine landwirtschaftliche Betriebe ausgebeutet werden. Natürlich müssen wir Biodiversität fördern. Wer sich für Kleinbetriebe in der Landwirtschaft einsetzen möchte, soll genau das tun. Wer bestimmte patentrechtliche Regelungen falsch findet, soll genau gegen sie protestieren. Wer bestimmte Pestizide problematisch findet, soll ein Verbot genau dieser Pestizide fordern. Aber zu behaupten, das würde durch ein Gentech-Verbot gelingen, ist genauso falsch wie ein Küchenmixer-Verbot um für bessere Ernährung zu sorgen. Das eine hat keinen direkten Einfluss auf das andere.

➤ Mehr lesen: Wie funktioniert die "neue Gentechnik"?

Gute Argumente für Gentechnik

„Nun gut“, könnte man jetzt sagen. „Dann sind es halt unterschiedliche Themen – aber gibt es nicht zumindest einen indirekten Zusammenhang? Führt nicht Gentechnik doch zumindest insgesamt, im Durchschnitt, tendenziell zu größeren Problemen, was Umwelt oder soziale Gerechtigkeit betrifft?“

Auch das lässt sich kaum belegen. Im Gegenteil: Viele ökologische und soziale Probleme lassen sich gerade mit Hilfe von Gentechnik lindern. Wir brauchen möglichst ertragreiche Sorten, um eine große Zahl von Menschen zu ernähren und gleichzeitig möglichst viel Platz für möglichst wildwuchernde Natur übrigzulassen. Wir werden uns an den Klimawandel anpassen müssen – auch indem wir Pflanzen genetisch klimafitter machen. Wir könnten durch neue Pflanzensorten Menschenleben in wirtschaftlich schwachen Regionen retten – etwa durch gentechnisch hergestellten „Goldenen Reis“, der (ganz ohne Lizenzgebühren) das große Problem des Vitamin-A-Mangels lösen kann.

Das Ziel ist nicht eine Landwirtschaft wie in vergangenen Zeiten. Das Ziel ist eine möglichst menschen- und umweltfreundliche Landwirtschaft. Und einiges spricht dafür, dass wir maximale Menschen- und Umweltfreundlichkeit nicht durch ein Gentech-Verbot, sondern auch durch ein kluges Nutzen gentechnischer Möglichkeiten erreichen.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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